Der Frankenbund würdigte Oliver Gußmanns Verdienste um die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Rothenburg mit dem Kulturpreis. Er ist Mitherausgeber dieser Online-Dokumentation

Dr. Oliver Gußmann (4. v. r.) bei der Preisverleihung in der Johanniterscheune; Foto: VAR

Dr. Oliver Gußmann (4. v. r.) bei der Preisverleihung in der Johanniterscheune; Fotos (2): VAR

H. Ke. – Es habe ganze 87 Jahre gedauert, bis der 1920 gegründete „Frankenbund“ zur Jahreshauptversammlung in die Stadt Rothenburg ob der Tauber eingeladen hat, schrieb der „Fränkische Anzeiger“. Zuletzt war das 1929. Dass sich im Oktober 2016 die Delegierten in Rothenburg trafen, hatte seinen im wahrsten Sinne des Wortes guten Grund. Denn der Vorsitzende des 7100 Mitglieder umfassenden Bundes, Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer (Unterfranken), brachte ein wichtiges Dokument mit, das er einem in Rothenburg seit Jahren engagiert und prominent wirkenden Bürger überreichte. Es war der Kulturpreis des Frankenbundes, der in diesem Jahr an Pfarrer Dr. Oliver Gußmann für seine Verdienste um die Erforschung, Projektierung und Darstellung der jüdischen Ortsgeschichte vor allem in den nationalsozialistischen Jahren und danach ging. Oliver Gußmann bewies dabei Standhaftigkeit, die es zu würdigen galt und gilt. Denn ohne Beharrlichkeit, die den Betroffenen Wunden aufreißt, aber auch schließt, wäre eine solche Arbeit nicht möglich. So kamen zur festlichen Preisverleihung in die Johanniterscheune alle die, welche die Arbeit Dr. Gußmanns in Rothenburg nicht nur persönlich schätzten, sondern sie für die Geschichtsdarstellung einer Stadt für notwendig erachten. Mit einbezogen in die Arbeit und Ehrung ist auch seine  Mitherausgeberschaft dieser Online-Dokumentation „Rothenburg unterm Hakenkreuz“.

Mit biblischen Schriften sich wissenschaftlich auseinandersetzen

xxxx überreicht die Urkunde

RP Dr. Paul Beinhofer überreicht die Urkunde

Dr. Oliver Gußmann kam im Jahre 2000 als Pfarrer nach Rothenburg ob der Tauber, ist Gäste- und Touristenseelsorger an St. Jakob. Seit November 2016 versieht er außerdem die halbe Referentenstelle zum  Thema „Pilgern“ am  Gottesdienst-Institut in Nürnberg. Zudem ist er Vorsitzender des Bildungswerks der Evangelischen Kirche in Rothenburg. Oliver Gußmann studierte in Neuendettelsau, Wien, Erlangen und Bonn und verbrachte 1995 ein Studienjahr an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Er setzt sich wissenschaftlich mit biblischen Schriften auseinander und wurde für seine Dissertation zu Flavius Josephus mit dem „Adolf-Schlatter-Preis“ ausgezeichnet. Der jetzt verliehene Kulturpreis ist mit 1500 Euro dotiert. Mit diesem Preisgeld unterstützte Dr. Gußmann die Organisation „Jugend rettet“, die mit dem eigenem Boot „Juventa“ mithelfen, Flüchtlinge vor dem Ertrinken aus dem Mittelmeer zu retten, wenn sie in Not geraten sind.

Zusammenhänge von Judentum und Christentum vermittelt

Nach den Grußworten des Regierungspräsidenten Mittelfranken, Dr. Thomas Bauer, des Oberbürgermeister Walter Hartl, dem Kurzvortrag von Dr. Hellmuth Möhring, Leiter des Reichsstadtmuseums und Vorstandsmitglied des Vereins Alt-Rothenburg, und nach dem  Festvortrag von Dr. Markus Hirte über „Luther und die Hexen“ hielt Prof. Dr. Horst Rupp die Laudatio auf den Preisträger, den er als „hochkompetenten und verlässlichen Partner“ schätzen gelernt habe. Dieter Balb, langjähriger Chefredakteur des „Fränkischen Anzeigers“ schrieb darüber:
Wahrheitsgemäße Einsichten in die Zusammenhänge von Judentum und Christentum zu vermitteln, die Ursachen der Pogrome aufzuzeigen gehöre zu Gußmanns Verdiensten. Prof. Rupp ging auch auf das breite publizistische Wirken des Preisträgers ein, der Entscheidendes für die örtliche jüdische Geschichte geleistet hat. Und sich nicht vor öffentlichen Auseinandersetzungen wie bei der Umbenennung der Ludwig-Siebert-Straße scheute sowie in der Internet-Reihe „Rothenburg unterm Hakenkreuz” zusammen mit Wolf Stegemann den Blick auf die Täter und nicht nur auf die Opfer wage. Die Stolpersteine habe er initiiert. Die Stadt Rothenburg könne Oliver Gußmann dankbar sein „für seine konsequente, von einer klaren ethischen Position und von bürgerschaftlichem, geschichtsbewusstem Engagement geprägten Haltung”, sagte Prof. Rupp. Dabei habe Dr. Gußmann erfahren müssen, dass dies auch Gegnerschaft hervorrufe wie Leserbriefe zeigten. Er gehe trotzdem seinen Weg, setze sich u. a. im Asyl-Arbeitskreis ein. Der Frankenbund-Kulturpreis mache die große Anerkennung seines Wirkens sichtbar.

Das gesellschaftliche Miteinander gut gestalten

In seiner Dankesrede ging Oliver Gußmann auf seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter der vielen Projekte ein und gab die Ehrung, die er durch den Kulturpreis erhalten hat, an sie weiter. Neben den bereist erwähnten Projekten erinnerte er an die Stolperstein-Patenschaften, an die jährlich stattfindende jüdische Kulturwoche, an die Umbenennungsaktion der Ludwig-Siebert-Straße, an die Ehrentafel für einen Rothenburger Deserteur und dankte dem Rat der Stadt und dem Oberbürgermeister für die stete Unterstützung. Insbesondere dankte er dem Freund, dem Mitherausgeber und Beiträger zu der Online-Dokumentation „Rothenburg unterm  Hakenkreuz.“ Bemerkenswert war ein Aspekt, den Gußmann in seiner Dankesrede herausstellte, der nicht wenige der Zuhörer nachdenklich gemacht haben dürfte. Im Zusammenhang mit der Online-Dokumentation „Rothenburg unterm Hakenkreuz“ sagte er:
„Vielleicht ist es auch an der Zeit, einmal um Verzeihung zu bitten: Wir haben, ohne es zu wollen, einigen Rothenburger Familien Schmerzen zugefügt. Schmerzen, weil wir Namen genannt haben von Vorfahren, die sich auf böse Weise in den Nationalsozialismus haben verwickeln lassen und für ihn eingetreten sind. Das ist nicht schön, zu hören – aber es sind Schmerzen, die sein müssen, wenn wir darüber nachdenken, wie unser gesellschaftliches Miteinander auf gute Weise gestaltet sein soll.“

Ehrung bedeutet auch eine schwere Bürde

Und zum Schluss seiner Rede erinnerte Pfarrer Dr. Oliver Gußmann an das, was ihn antreibt und dankte auch seinem Arbeitgeber:
„Meine Damen und Herren, – eine Person zu ehren, lädt dieser Person auch die schwere Bürde der Verantwortung auf, sich des Preises würdig zu erweisen. Ich bin als Pfarrer der evangelischen Kirche in der glücklichen Position, dass mir meine Kirche die Freiheit des Wortes lässt und wie und wo ich in Wort und Tat für das Evangelium eintrete. So konnte ich viele Dinge, für die ich mich engagiert habe, im Rahmen meines Dienstauftrages als Touristenpfarrer und als Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerkes vertreten und verwirklichen. Darum auch der Dank an Gott, dass es diese Kirche gibt und in ihr viele wertvolle Christenmenschen!“

Siehe auch:
Jeder Stein ein Leben… (Stolpersteine)
Der letzte Nazi verschwindet 2015 von den Straßenschilern… (Ludwig Siebert)
Die jüd. Gemeinde Rothenburg unddas Erinnern 1945… (Rede Gußmann Ev. Akademie)
Die Rehabilitierung kam spät -2015 würdiges Gedenken… (Johann Rößler)

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitskreis Jüd. Rothenburg, Aufarbeitung, Jüdisches Leben, Rückschau / Heute, Stolpersteine abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert