Literatur zum Thema

Literatur-Titel-GeschichteManfred Vasold „Geschichte der Stadt Rothenburg ob der Tauber“ (zugleich ein Stadtführer), 224 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Zeichnungen im Text, einige Farbbilder, Thorbecke Verlag Stuttgart 1999. – Das „bezaubernde Städtchen“ Rothen­burg ob der Tauber lockt Jahr für Jahr an die zwei Millionen Besucher an. Viele schlägt es zeitlebens in seinen Bann. Aber wer die Geschichte dieser vormals Freien Reichsstadt nicht kennt, wird vieles gar nicht sehen können bei einem Besuch dieser Stadt, denn man sieht nur das, was man weiß. Daher will dieser Stadtführer – ausgehend vom Sicht­baren – den Leser in die Geschichte Rothenburgs einführen. Und zwar nicht chronologisch, also von der Gründung der Burg im 11. Jahrhundert bis heute, sondern topographisch: Er beginnt die Geschichte im Herzen der Stadt, am Marktplatz, und begleitet den Leser auf mehreren   Gängen   durch Rothenburg. Der erste Gang führt durch das Rothen­burg des Mittelalters, die Altstadt inner­halb der ersten Stadtmauer, das politi­sche Zentrum Rothenburgs. Der zweite erschließt die neueren Stadtteile, aber innerhalb der heutigen Stadtmauer. Ein weiterer Gang schildert Rothenburgs Ver­teidigungsanlagen. Und schließlich erfährt der Leser auch etwas über das Rothen­burger Landgebiet, das gleichfalls von dieser Stadt her regiert wurde. – Die nationalsozialistische Geschichte der Stadt wird mit rund 50 Zeilen marginal gestreift. Dennoch ist es bemerkenswert, dass der Autor in einem wenn auch textlich starken Stadtführer dies überhaupt getan hat und in den wenigen Zeilen auch den „heftigen Antisemitismus“ in der Stadt hervorhob und abschließend über die zwölf Jahre Nationalsozialismus in dem „bezaubernden Städtchen“ schreibt: „Dieser Teil der Geschichte Rothenburgs ist noch wenig aufgearbeitet.“

Rothenburg-Literatur-Kamp-l7Michael Kamp M. A.: „Die touristische Entdeckung Rothenburgs ob der Tauber im 19. Jahrhundert. Wunschbild und Wirklichkeit“, herausgegeben von Helmut Deppert, Christa Jobst, Michael Kamp, Bernhard Mall, broschiert, 223 Seiten,  Selbstverlag. Schillingsfürst 1996 (Bezug: michael.kamp(at)lvr.de). – Die bereits 1988 als volkskundliche Examensarbeit entstandene Studie von Michael Kamp ist weit mehr als eine quellenumfassende Ausarbeitung über die touristische Entdeckung Rothenburgs ob der Tauber im 19. Jahrhundert. Sie ist auch die sprachlich gelungene Nachzeichnung der Modernisierung von Kleinstädten in Tauberfranken! Dass diese Arbeit, trotz ursprünglichen Beschlusses des Vereins Alt-Rothenburgs diese in der vereinseigenen Schriftreihe zu veröffentlichen, letztendlich doch im Selbstverlag des Autors publiziert werden musste, spricht Bände über die “selektive” Wahrnehmung Rothenburgs als Wunsch- oder gar Wahnbild. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Rothenburg mittelalterlicher als es je war im Dienste des immer mehr zunehmenden touristischen Blickes, der nur kleinstädtische Romantik pur wahrzunehmen bereit war. Abseits davon lenkt Michael Kamp den Fokus auch auf die Industrialisierungs-, Elektrifizierungs-, Eisenbahn- und Modernisierungsgeschichte Rothenburgs, findet auch den Raum zur Darstellung der Rothenburger Unterschichten (Text: traumaland). – Der Autor wurde 1959 in Krefeld (NRW) geboren, studierte Volkskunde und Kunstgeschichte in Regensburg, war seit 1988 an der Planung und Realisierung von Ausstellungen und Museen beteiligt und ist Herausgeber  zahlreicher Veröffentlichungen. Er ist Museumsleiter des Freilichtmuseums Lindlar des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR). Er kommentierte seine Arbeit für das genannte Buch über die Geschichte des Tourismus in Rothenburg mit dem Satz: „Schaut man kritisch hinter die Kulissen der Fremdenverkehrslobby und hinterfragt deren Rituale und Strategien, macht man sich keine Freunde.“

LIT-Rothenburg-SammelbandProf. Dr. Horst Rupp/Prof. Dr. Borchardt: „Rothenburg ob der Tauber. Geschichte der Stadt und ihres Umlandes“, 751 Seiten, Leinen, Schutzumschlag, zahlreiche farbige und s/w-Abbildungen, Theiss Darmstadt 2016, 39 Euro. – Rothenburg ob der Tauber kann auf eine facettenreiche und wechselhafte Geschichte zurückblicken. Die Wurzeln der Stadt reichen bis ins 10. Jahrhundert zurück. Im 13. Jahrhundert wurde sie Reichsstadt, um 1400 erwarb sie unter ihrem Bürgermeister Heinrich Toppler ein ansehnliches Landgebiet. Während des Dreißigjährigen Kriegs von General Tilly eingenommen, aber anders als Magdeburg nicht zerstört, ist die Stadt seit 1803 ein Teil Bayerns. In der Weimarer Republik entwickelte sie sich zu einer Hochburg der NSDAP, die sie bis 1945 blieb. Am Ende des Zweiten Weltkriegs beschädigte ein amerikanischer Bombenangriff fast die Hälfte der Innenstadt mit vielen historischen Gebäuden. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit Mühen und mit mittelalterlichem Flair fachkundig wieder aufgebaut. Daher ist die Altstadt nach dem Aufbau wieder eine beliebte Touristenattraktion geworden, in der man das deutsche Mittelalter und die Renaissance hautnah nacherleben kann. Mit ihren Texten und zahlreichen Abbildungen machen die Autoren Vergangenes wieder sichtbar und begleiten den Leser auf seiner Lesereise durch mehr als tausend Jahre Ortsgeschichte, wobei auch die Judenverfolgung in den früheren Jahrhunderten und die in jüngster Zeit nicht verschwiegen werden. – Die Lokalzeitung über das Buch:  „Es ist eine sehr gelungene Reise durch mehr als tausend Jahre örtlicher Geschichte: das im Reichsstadtmuseum präsentierte 752-seitige Werk setzt einen Meilenstein in der Stadtliteratur, denn bislang fehlte solch eine fachlich fundierte Sammlung. Den Herausgebern Dr. Horst F. Rupp und Dr. Karl Borchardt sowie den Autoren gilt große Anerkennung.“ – Mehr über das Kompendium in dieser Online-Dokumentation: Ein wissenskundiger Lesespaziergang durch die Jahrhunderte der Rothenburger Geschichte mit ihren hellen und dunklen Jahren bis in die jüngste Zeit – ein wichtiges Buch. 

Literatur-Titel-RabigerSigrid Rabiger: „Rothenburg ob der Tauber. Geschichte – Zeugnisse  – Informationen“, hgg. von Dr. Hans-Uwe Rump und Dr. Manfred Treml, 96 Seiten, SW-Abbildungen, Manz Verlag München 1987 (Manz heimatgeschichtliche Hefte, 6. Auflage 1987). Das Heft bietet dem historisch interessierten Tou­risten ebenso wie Heimatforschern, Lehrern und Schülern einen Überblick über die Geschichte der Stadt Rothenburg und seiner Menschen von der vorgeschichtlichen Besiedelung über staufische Burgsiedlung, den Dreißigjährigen Krieg bis hin zum heutigen Rothenburg mit Massentourismus und den Problemen der Denkmalpflege. Ausgespart ist die nationalsozialistische Zeit. Lediglich acht Zeilen Text und zwei Aufnahmen von Ruinen sind der Kriegszerstörung und dem Wiederaufbau gewidmet. Der historische Abriss ist ergänzt durch zahlreiche Abbildungen, Quellentexte, Skizzen, Karten usw. Ein umfangreicher Informationsteil gibt Hinweise auf Museen, Ausstellungen, Veranstaltungen, Denkmäler, historische Wanderungen und Fahrten sowie weiterführende Literatur.

Alt-Rothenburg-Titel 100 Jahre„1898 – 1998 Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg zum hundertjährigen Jubiläum“, 264 Seiten, broschiert, Verlag des Vereins Alt-Rothenburg 1998. – Das Redaktionsteam des Vereins gibt in diesem Buch einen Überblick der Arbeit in den 100 Jahren seines Bestehens. Die Texte des Buches sind abgeleitet von der festlichen Jubiläumsveranstaltung des Vereins. Daher gilt die seitenstarke Broschüre auch als „inhaltsreiche Erinnerungsschrift“ und Jahresgabe für Mitglieder, für damalige Festgäste und die allgemeine Leserschaft. Sie enthält Texte der beiden Festansprachen. Zusammenfassende Rückblicke auf die letzten Jahrzehnte zweier Teilbereiche der Vereinstätigkeit: Stadtarchäologie und Stadtgeschichtsforschung. Auch sind ein grundlegender Vortrag über die frühere Stadtgeschichte und ein Bericht über den Zustand von Rothenburg und dem Umland vor 150 Jahren abgedruckt. Dr. Richard Schmitt schrieb einen längeren Aufsatz über die 100 Jahre Vereinstätigkeit, Rudolf Endres über Bayern um 1900 (Festvortrag), Horst Brehm über die Altstadtarchäologie in Rothenburg, Ludwig Schnurrer über die Stadtgeschichtsforschung zwischen 1965 und 1997, Karl Borchardt geht zurück zu den Anfängen von Burg und Stadt und Robert Beichholds Schilderung von 1861 über die „Medicinische Topographie und Ethnographie des Pgysicatsbezirks Rothenburg“ lädt zum Schmunzeln ein, wenn es beispielsweise heißt: „Im ganzen zeichnet sich die Bevölkerung, weder die männliche noch die weibliche, durch besonders schöne Form in der Gesichts- wie allgemeinen Körperbildung nicht aus, und besteht darin den Bewohnern des Landgerichts Uffenheim gegenüber  ein merklicher Unterschied. Im Gegenteil finden sich im Bezirke gar mancherlei Missbildungen und alle Abstufungen des Cretinismus…“

Literatur-Titel-Fotoband RothenburgVerein Alt-Rothenburg: „Rothenburg ob der Tauber. Erinnerungen in Bildern“, broschiert, 95 Seiten, Sutton Verlag Erfurt, 2006. – Rund 140 bislang unveröffentlichte Fotografien führen den Leser durch die Gassen und Straßen Rothenburg an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Bilder stammen überwiegend aus dem Stadtarchiv. Bernhard Mall hat die Aufnahmen ausgewählt. Neben den typischen Motiven zeigen sie auch weniger bekannte Ansichten und auch personenbezogene Bilder. Nicht ausgespart bleiben die NS-Zeit (angetretene SA, Hitler zu Besuch vorm Hotel Eisenhut, öffentliche Demütigung des jüdischen Lehrers Westheimer, WHW-Sammlung am Marktplatz), die teilweise Zerstörung der Stadt durch amerikanische Bomber und der in den Nachkriegsjahren schnell erfolgte Wiederaufbau Galgengasse, Judentanzhaus, Kapellenplatz, Stollengasse). Oberbürgermeister Walter Hartl schreibt im Vorwort: „Das Buch soll ein Aufruf sein, den wertvollen Motiven des alten Rothenburgs mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie zu pflegen und nicht ohne Not zu gefährden […] Der Reichtum an wertvoller Bausubstanz macht aus Rothenburg eine herausragende Stadt. Für die Erhaltung sind heute mehr denn je besondere Anstrengungen notwendig.“

Literatur-Titel-Diss. NSDAP in FRankenRainer Hambrecht: „Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925-1933”, Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, hg. von Gerhard Hirschmann, Hanns Hubert Hofmann und Gerhard Pfeiffer in der Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg Bd. 17, 1976, gedruckte Dissertation (Würzburger Phil. 1975), broschiert, 613 Seiten. – Die Arbeit versucht das Bild der Entwicklung der NSDAP in Mittel- und Oberfranken primär aus den Quellen aufzubauen und erst in einem methodisch zweiten Schritt, wo es nötig erscheint, eine Verbindung zu den Befunden auf Reichebene herzustellen. Damit ist diese umfangreiche und informative Arbeit der Gefahr entgangen, unbewusst gerade die eine Region kennzeichnenden eigenständigen ideologischen und propagandistischen Varianten zur allgemeinen NS-Politik nicht zu berücksichtigen. Aus diesem Forschungsansatz resultiert die Beschreibung einer Fülle konkreter Einzelvorgänge. Damit besitzt der Leser die Möglichkeit, die Ergebnisse selbst zu überprüfen. Der Verfasser sah sich, wie er schreibt, zu dieser umständlichen Methode gezwungen, da für Franken kaum gesicherte Zwischenergebnisse vorliegen, die eine summarische Darstellungsweise erlauben. Mit Rothenburger Befunden. – Rothenburger Befunde.

LIT-Rothenburg-Braune StraßenPeter Poguntke: „Braune Feldzeichen – Stuttgarter Straßennamen in der NS-Zeit und der Umgang nach 1945”, 141 Seiten, Veröffentlichung des Stadtarchivs Stuttgart, Hohenheim Verlag, 15 Euro. – Wie verfuhr Stuttgart mit Straßennamen, die historische belastet waren? Dieses Buch gibt darüber Auskunft. Arnulf Klett, Stuttgarts legendärer Oberbürgermeister der Nachkriegszeit, brauchte gar nicht lange nachzudenken – der Fall war für ihn sonnenklar: „Die von der nationalsozialistischen Herrschaft zur eigenen Verherrlichung eingeführten Straßennamen und Häuserbezeichnungen sind aufgehoben.” So lautete, kurz und bündig, seine schriftliche Anordnung vom 28. Mai 1945 an die eigene Verwaltung. Bereits am 6. Mai, zwei Tage vor der offiziellen Kapitulation des Dritten Reiches, war Klett aus eigener Überzeugung dem Befehl der französischen Besatzungsmacht gefolgt und hatte verfügt, dass der Name Adolf Hitler von Straßen und Plätzen verbannt wird.
Der Historiker Peter Poguntke, Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Uni Stuttgart, hat dies und vieles andere jetzt im Auftrag des Stadtarchivs zutage gefördert und in einem schmalen Textband untersucht und eingeordnet. Der Stuttgarter Oberbürgermeister, der als Anwalt Gegner des Naziregimes verteidigt und selbst eine Zeit lang in sogenannter Schutzhaft auf dem Heuberg gesessen hatte, sorgte übrigens 1945 für eine Besonderheit: Weitaus früher als anderswo ehrte er namhafte Köpfe des Widerstandes gegen Hitler und des Attentats vom 20. Juli 1944 durch die Benennung von Straßen: Wilhelm Goerdeler, den OB von Leipzig, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, den eigentlichen Attentäter, sowie den früheren württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz. Aber auch Thomas Mann, den viele Deutsche damals kritisch sahen, weil er in die USA emigriert und nicht in der Heimat geblieben war, ließ Klett ehren. In seiner Verfügung vom Mai 1945 heißt es: „Das Andenken an diese mutigen Männer, die ihrem Volk an verantwortlicher Stelle jahrelang treue Dienste geleistet haben, soll bei uns allen als Vorbild und Verpflichtung lebendig bleiben.”
Diese frühen Konsequenzen aus der NS-Zeit sind freilich nur ein Teil der Forschung, die Peter Poguntke im hiesigen Stadtarchiv, aber auch in Köln und München betrieben hat – drei Großstädte, die er im Blick auf die Straßennamen vor, während und nach dem „tausendjährigen Reich” miteinander vergleicht. Es ist spannend und aufschlussreich zu lesen, wie sich die Namen für Plätze und Straßen aus der monarchischen Zeit, dem Ersten Weltkrieg, der Weimarer Republik und eben der Jahre von 1933 bis 1945 wandeln, wie sie auftauchen und wieder verschwinden. Königstreue und politische Propaganda vermischen sich, es gibt harmlose Nostalgie und erbitterten Streit.
Peter Poguntke ist strikt der Ansicht, „dass der Name des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg bei uns nichts mehr zu suchen hat”. In mancher deutschen Stadt hat es diesen Namen lange Zeit gegeben. Zugleich erstaunt es den Historiker, „dass der Name von Ernst Thälmann, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, nach 1945 erst auf Straßenschilder geschrieben, wenig später aber wieder getilgt worden ist”. Denn Thälmann sei nachweislich ein Widerstandskämpfer gewesen, 1944 ermordet im KZ Buchenwald.
Die Straßennamen waren und bleiben allerorten ein heikles Thema. Das zeigt etwa der Fall der Treitschke-Straße in Sillenbuch, wo man den antisemitischen Denker des 19. Jahrhunderts erst im März 2010 durch den verdienten Naziankläger Fritz Bauer ersetzt hat oder in Rothenburg ob der Tauber, wo die Ludwig Siebert Straße, ein hochrangiger Nazi, erst 2015 auf Antrag eines Bürgers geändert wurde.

Literatur-TitelPersonenlexikonErnst Klee: „Das Personenlexikon zum Dritten Reich – Wer war was vor uns nach 1945“, 733 Seiten, umfangreiches Literaturverzeichnis, broschiert, S. Fischer (2003) bzw. Edition Kramer (Lizenzausgabe 2012). – Das bislang einzige Personenlexikon, das zuverlässige und nachprüfbare Informationen über die Tätigkeiten der wichtigsten Personen während und nach der Zeit des Dritten Reiches bietet. Der Autor (Jahrgang 1942) hat bei der Arbeit an seinen zahlreichen Büchern jahrzehnte­lang systematisch biographische Angaben über die wichtigsten Perso­nen gesammelt und ständig aktuali­siert. So konnte das vorliegende Werk langsam aber sicher wachsen und zu einem soliden Nachschlagewerk heranreifen. Am Schluss des Buches findet sich eine ausführliche Biblio­graphie. Mit seinen 4.300 Einträgen stellt „der Klee” alle konkurrierenden Werke souverän in den Schatten. Ein unverzichtbares Standardwerk für alle, die sich mit dem Nationalsozialis­mus beschäftigen. Der Autor: „Dieses Lexikon ist die Summe meiner Arbeit aus fast 25 Jahren Recherche zum Nationalsozialismus.“ Für diese Taschenbuchausgabe waren zahlreiche Nachträge (Sterbedaten, wichtige Ergänzungen) vorgenommen worden. Die „Zeit“ schrieb dazu: „Mehr als ein ,Who’s who’ des Dritten reiches – Ernst Klee ist ein Standardwerk gelungen.

Literatur-AlljudaLPeter Zinke: „An allem ist Alljuda schuld.  Antisemitismus während der Weimarer Republik in Franken“, Taschenbuch, 267 Seiten, Antogo-Verlag Nürnberg 2009. – Das protestantische Franken war während der Weimarer Republik frühzeitig eine Hochburg des Antisemitismus und Nürnberg lief bald München den Rang als „Hauptstadt der Bewegung“ ab. Antijüdische Grundhaltungen waren nicht Gesinnung einer Minderheit, sondern die offen gezeigte Überzeugung des konservativen Mainstreams. Ob in der Schule, dem Krankenhaus, bei Vereinen oder in der Kirche, fast überall grassierte der völkische Antisemitismus, der „den Juden“ für schier alles verantwortlich machte, was als negativ oder bedrohlich empfunden wurde: für Räterevolution, Weltkriegsniederlage, Versailler Friedensvertrag, Kapitalismus oder Kommunismus, für Frauenemanzipation, Charleston-Tanz, Bubikopf oder modernes Theater. Das Buch versucht, die strukturellen und personellen Ursachen zu ergründen, wieso gerade in Franken der Antisemitismus so stark ausgeprägt war und stellt dar, welcher Stereotype er sich bediente. Rothenburger Befunde: Fahnenweihe durch Martin Weigel 1926 in der Nürnberger St. Lorenzkirche.

LIT-Mein Kampf-Edition neuChristian Hartmann, Thomas Vordermann, Othmar Plöckinger, Roman Töppel (Hg): „Hitlers Mein Kampf. Eine kritische Edition“, verlegt vom Institut für Zeitgeschichte München 2016, bebildert, 1.948 Seiten. – Es ein schwergewichtiges Buch, nicht nur wegen des Inhalts und der darüber entstandenen Diskussion – es ist auch 5,3 Kilo schwer. Der martialische Titel will nicht zur Aufmachung passen Grauer Einband, darauf die Worte: Mein Kampf. Eine kritische Edition. Das allerdings ist Absicht. Der „Nazi-Bibel“ soll ihr eigenartiger Zauber genommen werden.  – Der Originaltext stammt aus dem Jahr 1924. Hitler hatte darin politische Ansichten und Pläne dargelegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übertrug die US-Regierung die Urheberrechte an den Freistaat Bayern, der das Buch seitdem unter Verschluss gehalten hatte. Ende vergangenen Jahres, 70 Jahre nach Hitlers Tod, liefen diese Urheberrechte aber aus. Unkommentierte Veröffentlichungen von „Mein Kampf“ bleiben verboten, sind allerdings trotzdem auch übers Internet immer wieder erhältlich. Die erste Auflage der kommentierten Neuauflage von 4.000 Exemplaren war nach Tagen bereits vergriffen. Weitere Auflagen sind geplant.
Der Religionswissenschaftler Klaus Heinrich hat in seinen Berliner Vorlesungen über Schinkel und Speer (Arch+ Verlag, Aachen 2015) darauf hingewiesen, dass „Mein Kampf“ im Aufbau seiner Kapitel tatsächlich der Struktur von Hitlers Auftritten folgt: Wiederholt werden sie eröffnet durch das stockend, um Worte ringend vorgetragene Bild einer Situation der Schmach, der Frustration und der gestauten Wut. Dann wird geschildert, wie die Entschlossenheit eines Einzelnen, diese Lage nicht hinzunehmen, zunächst verhöhnt worden sei, aber am Ende das Lachen auf ihrer Seite haben werde. Und schließlich, so Heinrich, rede sich Hitler in Ekstase, schnappe über. „Fanatisch“, „rücksichtslos“, „unbarmherzig“, „unbedingt“ sind die Lieblingsadjektive dieses Überschnappens. Ein Nebeneffekt der Edition mit Fußnoten und Randglossen ist es, diese Beschallung durch ständiges Dazwischenreden zu zerstören.  Die Historiker wollen damit die Ansichten des Diktators kritisch kommentieren und widerlegen. „Es gilt, Hitler und seine Propaganda nachhaltig zu dekonstruieren und damit der nach wie vor wirksamen Symbolkraft dieses Buchs den Boden zu entziehen“, schreibt das Münchner Institut auf seiner Internet-Seite. Auf diese Weise lasse sich einem ideologisch-propagandistischen und kommerziellen Missbrauch entgegenwirken. – Siehe weiterführenden Text zu der Neuauflage in dieser online-Dokumentation: Hitlers „Mein Kampf“ erstmals neu aufgelegt. Nach 70 Jahren eine kritische Edition zur historisch-politischen Aufklärung und Auseinandersetzung

LIT-Mein Kamp-INterpretation altBarbara Zehnpfennig: „Hitlers Mein Kampf – Eine Interpretation“, 348 Seiten, kartoniert (TB), Fink-Verlag 2006. – Weshalb hätte man sich ernsthaft mit dem politischen Pamphlet eines literarisch hochgradig unbegabten, unstudierten politischen Wirrkopfes und zeitweiligen Stadtstreichers befassen sollen? Welche Erkenntnisse hätte man sich aus der Lektüre versprechen können? Nein, bis zur Machtergreifung der Nazis ist wohl tatsächlich niemandem ernsthaft ein Vorwurf zu machen, Hitlers „Mein Kampf“ nicht studiert zu haben. Doch auch danach setzte man sich mit der Führer-Schrift kaum auseinander. „Et illud transit – auch das geht vorüber“ war die einhellige Meinung unter Deutschlands Philosophen, als der Vertrag von Versailles, die Wirtschaftskrise und der bedauernswerte Zustand des Parlamentarismus Hitler und seine Gefolgsleute an die Spitze des Staates gespült hatten. Dass, nachdem dann „auch das“ – viel zu spät zwar und unter Entrichtung unvorstellbaren Blutzolls – tatsächlich vorübergegangen war, die nationalsozialistische Ideologie nicht in unzähligen Studien analysiert worden wäre, kann man gewiss nicht sagen. Eines jedoch gilt nach wie vor: Die millionenfach teils verkaufte, teils verteilte und bis Ende 2015 verbotene Kampfschrift Adolf Hitlers, die bis zum Ende des Krieges eine Auflage von weit mehr als zwölf Millionen Exemplaren erreichte, wurde politisch-philosophisch bislang nicht im Ansatz hinreichend analysiert. Diesen Mangel heilte 2006 die analytisch kommentierende Interpretation Barbara Zehnpfennigs, die zugleich einleuchtend darlegt, dass die Herrschaft des Nationalsozialismus vollzog, was ihr Führer in seinem in sich schlüssigen (!) Programm als Grund und Ziel seines politischen Strebens verkündet hatte. – Barbara Zehnpfennig, geb. 1956; Studium der Philosophie, Soziologie, Germanistik und Geschichte in Berlin; 1983 Promotion; ab 1984 Lehrtätigkeit an der Freien Universität und der Hochschule der Künste in Berlin; ab 1991 wissenschaftliche Assistentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität der Bundeswehr Hamburg, seit 1999 Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau. Arbeitsgebiete: politische Philosophie, antike Philosophie und deutscher Idealismus, amerikanische Verfassungstheorie, Nationalsozialismus. Produktdetails.

Literatur-HitlerEgon Fein: „Hitlers Weg mach Nürnberg. Verführer, Täuscher, Massenmörder“, Eine Spurensuche in Franken, TB, 464 Seiten, Verlag Nürnberger Presse 2002. – Zum ersten Mal beschäftigt sich ein Buch ausführlich mit der historisch bedeutsamen Rolle Adolf Hitlers in Franken. Richard Wagners völkisch-antisemitischen Sirenenklänge haben ihn nach Bayreuth gelockt; dort wurde ihm sein mörderischer Auftragbewusst gemacht. Die mittelalterliche Kulisse der „deutschesten aller deutschen Städte“ zog ihn nach Nürnberg: dort feierten die Nationalsozialisten alljährlich ihren höchsten Feiertag, den pseudoreligiösen Reichsparteitag. Hitlers Weh nach Nürnberg, einer der wichtigsten seines Lebens, wurde zum Höllenritt. Er riss die Welt in den Abgrund. Zurück ließ der Verführer, Täuscher und Massenmörder Adolf Hitler ungelöste Rätsel. Woher kam er eigentlich, der „Führer aller Deutschen“? War seine Auszeichnung im Ersten Weltkrieg nut der „Gefälligkeits-Orden“ eines jüdischen Offiziers aus Nürnberg? Warum hat Hitler einen „Diensturlaub“ nach Nürnberg im August 1918 verschwiegen? War der Homoerotiker Hitler ein Günstling sympathisierender Offiziere aus Franken? Hat der „rote“ Soldatenrat Hitler 1919 Kameraden verraten? Was geschah in jener Oktobernacht 1923 im Haus Wahnfried zu Bayreuth? Womit hat Frankens Gauleiter Streicher seinen „Führer“ erpresst? – Dieses Buch, vor dem Hintergrund fränkischer Zeitgeschichte und dokumentiert durch mehr als hundert Fotos, versucht Antworten auf Fragen zu finden, die bis heute offen geblieben sind (Klappentext).

Hagemn-TitelJoshua Hagen „Preservation, Tourism and Nationalism. The Jewel of the German Past”, 330 Seiten, gebunden; Ashgate 2006 (UK); in englischer Sprache. – Seit seiner Entdeckung durch deutsche Romantiker und Nationalisten ist Rothenburg ob der Tauber wegen seiner sichtbaren mittelalterlichen Vergangenheit ein etabliertes Symbol der deutschen Nation. Der Autor untersucht in diesem Buch die historische Entwicklung der Stadt als Ort von nationaler Bedeutung, die Kulturpolitik von Denkmalschutz und Tourismus.
Mit wichtigen Einsichten in das, was es bedeutet, ein Deutscher zu sein, wie die Deutschen auf die Vergangenheit beziehen und wie die Antworten auf diese Fragen haben im Laufe der Zeit verändert, das reich illustriert und detaillierte Band bietet eine wichtige Erzählung vom Aufstieg, Evolution und Anfechtung der Speicher in Deutsch Kultur (Denis J. B. Shaw, University of Birmingham). – Seit 1929/30 avancierte Rothenburg mit seinem Umland zur reichsweit führenden NS-Hochburg. Hagens Hauptthese lautet: Dem lange vorgearbeiteten Ideal der (Stil-)Reinheit des Stadtbilds war das NS-Ideal der „Rasse-Reinheit“ kongenial; der Kampf gegen Verunstaltung (etwa durch Kommerz, Kitsch und „Reklame“) fand nach 1933 gewissermaßen in der Purifikation des lokalen Volkskörpers seine Fortsetzung. Stadt, Verein Alt-Rothenburg, lokale Geschichts- und Denkmalpflege und viele Rothenburger arbeiteten hier, so Hagen, an einem Ziel: „Purging the town of perhaps its most pollutant, the town’s jews.“ Von der KdF-Propaganda verbreitet und massentouristisch erfahrbar, sollte die „deutscheste aller Städte“ Modell sein: Schon vor der allgemeinen Pogromnacht, am 22./23. Oktober 1938, mussten die letzten Rothenburger Juden die Stadt verlassen. Eindrücklich belegt wird die beklemmende Rolle von (ehemaligen) führenden Antisemiten und Nationalsozialisten im Verein Alt-Rothenburg bis weit in die 1970er-Jahre hinein (Thomas Götz, Historisches Seminar, Universität Regensburg).

Rothenburg-Viehhändler-Buch 9783835312395lDr. Stefanie Fischer: „Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt. Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919-1939“, erschienen in der Reihe Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden. Für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden hg. von Andreas Brämer und Miriam Rürup); Bd. 42, 368 Seiten, gebunden, Wallstein-Verlag 2014. – Das Buch, basierend auf ihrer gleichnamigen Dissertation, beschreibt das sensible Verhältnis zwischen Wirtschafts- und Gewaltgeschichte in der deutschen Provinz. Die Nationalsozialisten stießen beim Versuch, Juden aus dem Viehhandel zu verdrängen, an die Grenzen ihrer rassistischen Wirtschaftspolitik. Trotz antisemitischer Propaganda hielten viele Bauern an ihren vertrauten Handelspartnern, den jüdischen Viehhändlern, fest. Tatsächlich zählt der Viehhandel zu den ältesten Tätigkeitsfeldern von Juden in Mitteleuropa. Als Viehein- und Viehverkäufer, aber auch als Kreditgeber und Güterhändler, agierten sie an einer sensiblen Stelle in der Agrargesellschaft. Stefanie Fischer untersucht erstmals die Bedeutung der jüdischen Viehhändler für den ländlichen Raum. Sie beleuchtet, wie sich das Vertrauensverhältnis zwischen Viehhändlern und Bauern aufbaute und wie lange die wirtschaftlichen Beziehungen unter dem Druck antisemitischer Gewalt und Propaganda Bestand hatten. Als Untersuchungsregion dient die bayerische Region Mittelfranken. Dort lebte noch bis 1933 eine der größten jüdischen Gemeinden im Deutschen Reich. Gleichzeitig nahm im Gau von Julius Streicher die antisemitische Gewalt ein besonders scharfes Ausmaß an. – Für diese Arbeit (Diss.) erhielt die Autorin 2012 den „Ernst Fraenkel Prize in Contemporary History der Wiener Library“. Am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg arbeitet Stefanie Fischer zum Thema „Verbindung in die ‚alte Heimat’ – neue Identitäten: Deutsche Landjuden im Exil“ und erweitert damit ihre Studien zu den sogenannten ‚Landjuden’ auf die Zeit nach 1945. Sie bearbeitet damit einen Themenkomplex, welcher erst in den letzten Jahren in den Blick der Forschung getreten ist. Die Geschichte der Juden und jüdischen Gemeinden im ländlichen Raum nach 1945 ist noch nicht geschrieben. In Verbindung mit den Ergebnissen ihrer ausgezeichneten Dissertation lassen die Untersuchungen von Stefanie Fischer wichtige Ergebnisse für die Fragen nach Migration, Exilerfahrungen und Identitätsbildung erwarten. In Rothenburg ob der Tauber ist die Autorin keine unbekannte. Über jüdische Viehhändler hielt sie Vorträge und in dieser Online-Dokumentation ist ein Artikel von ihr zum gleichen Thema abgedruckt.

Wörthmann-BuchtitelErika Wörthmann „Erika lach nicht! Die alltägliche Geschichte einer Kindergärtnerin (1947-1952)“, 139 Seiten, broschiert, einige wenige Fotos, Books on Demand Verlag, Norderstedt 2012. –  Die Rothenburger Autorin (1924-2014) beschreibt in diesem Buch ihre Erlebnisse als Kindergärtnerin und Flakhelferin der Wehrmacht in den letzten Kriegsjahren und in den frühen Nachkriegsjahren in Rothenburg und den anderen Gemeinden und Städten wie Gunzenhausen, Nürnberg, Neuendettelsau, Ipsheims, in denen sie in dieser Zeit tätig war. Immer wieder kehrte sie in dieser Zeit nach Rothenburg zurück, um ihre Eltern zu besuchen, im Urlaub, um ihrer Mutter beim Kriegsende beizustehen, als der Vater beim Volkssturm und anschließend kurze Zeit in amerikanischer Gefangenschaft war. Wo sie auch immer war, stets erinnerte sie sich an Geschehnisse in Rothenburg, auch weiter zurückbesinnend an das Jahr 1933. So beschreibt sie aus der Sicht eines jungen Mädchens das, was sie im nationalsozialistischen Rothenburg gesehen, erlebt und gedacht hat und vermengt dies aber auch mit späteren Überlegungen aufgrund eines anderes Wissens über das, was sie erlebt und gesehen hat. Ihre Familie war nationalsozialistisch, dennoch mochte sie ihren Vater nicht in der braunen Uniform und in Stiefeln sehen. Da war sie gerade neun Jahre alt. Sie mochte ihn als freundlichen Herrn, der seinen Hut zum Grüßen abnahm, wie sie schreibt. Sie selbst war ebenfalls ns-organisiert, etwas Anderes kannte sie nicht. Als junges Mädchen verehrte sie Hitler zutiefst und konnte nach Kriegsende gar nicht glauben und schon gar nicht begreifen, dass ihr „Parzival“ ein Verbrecher war. Anfangs fragte sie sich, ob die Nachrichten über den millionenfachen Mord an Juden und anderen nicht doch Feindpropaganda seien! Ihre Sprache ist einfach und eindringlich. Faszinierend ist ihre Offenheit in der Darstellung ihrer Sicht auf das Dritte Reich und Rothenburg vor und nach 1945. Eine Sichtweise, die einfach ist und nicht in der Weise geschönt wie bei vielen Politiker und Amtsvertretern. – W. St.

AAA-Putsch indexKurt Gossweiler: „Der Putsch, der keiner war. Die Röhm-Affäre 1934 und der Richtungskampf des deutschen Faschismus“, broschiert, 469 Seiten, Papyrossa Verlagsgesellschaft 2009. – Dass die Mordaktion vom Juni 1934, der der Stabschef der SA, Ernst Röhm, zusammen mit einem Großteil von deren Führungskorps zum Opfer fiel, eine Präventivmaßnahme gegen einen drohenden Putsch gewesen sei, glaubt kaum noch jemand. Bis heute hält sich dagegen die Auffassung, es habe sich dabei um eine persönliche Abrechnung und eine bloße Machtintrige innerhalb der Nazi-Führung gehandelt. Allenfalls wird darin noch ein Machtkampf zwischen Reichswehrgeneralität und SA-Führung gesehen. Demgegenüber weist Kurt Gossweiler in seiner erstmals 1983 erschienenen und lange vergriffenen Untersuchung auf der Basis eines umfassenden Archiv- und Quellenstudiums nach, wie unzulänglich solche Interpretationen sind. Überzeugend belegt er, dass die damaligen Ereignisse Ausdruck eines Richtungskampfes zwischen den mächtigsten Kapitalgruppen und zugleich der Versuch waren, eine Krise, die der faschistischen Diktatur in ihrer Konsolidierungsphase drohte, mit einem Gewaltstreich zu beenden. – Der Historiker Dr. sc., Dr. hc., geboren 1917, war bis zu seiner Emeritierung wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Geschichte bei der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1988 verlieh ihm die Humboldt-Universität Berlin für seine Verdienste als Faschismus-Forscher die Ehrendoktorwürde. Das vorliegende Buch beruht auf seiner Dissertation.

AAA-IMG_0098 (2)„Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte“, Band I,  hgg. Von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk Wiesemann, 712 Seiten, mit zwei Karten und zwölf Tabellen, Oldenbourg München Wien 1977. – Die Geschichtsschreibung über die NS-Zeit hat meist die spektakulären Staatsaktionen und die Figur Hitlers in den Mittelpunkt gerückt. Weitgehend unbekannt blieb dagegen die Wirkungsgeschichte des NS-Regimes bei den „kleinen Leuten“, auf der unteren sozialen und lokalen Ebene. Aus unzähligen Berichten von Gendarmerie-Posten, Landräten, Ortsgruppenleitern der NSDAP, Pfarrern, Gestapobeamten, V-Männern des Sicherheitsdienstes u. a. heben die Heraus­geber diese konkrete, von den Zeitgenossen erlebte Ge­schichte aus der Vergangenheit. Die ungeschminkte Sprache subalterner Beamter und Funktionäre erweist sich als Quelle von erzählerischer Qualität und bedrängender Wirklichkeits­nähe. Das politisch-soziale Milieu bayerischer Dörfer und Kleinstädte, dabei Rothenburg ob er Tauber und umliegende Dörfer, das Verhalten von Bauern und Industriearbei­tern in katholischen und evangelischen Gemeinden nehmen plastische Gestalt an. Anpassung und Widerstand werden in ihrer Gebrochenheit und Alltäglichkeit sichtbar, in ihrer Gebundenheit an materielle Lage, soziale Strukturen und politisch-kulturelle Traditionen. Die Dokumentation eröffnet damit auch einen neuen Aspekt der Widerstands-Proble­matik. Ausführliche Einleitungen erläutern die Berichte, die – über Bayern hinaus – ein  Bild der deutschen Gesellschaft in der NS-Zeit zeichnen.

AAA-IMG_0098 (1)„Bayern in der NS-Zeit“, Band II bis VI mit unterschiedlichen Untertiteln, Dokumentationen und Studien, hgg. unter Federführung von Prof. Martin Broszat, zusammen rund 2.000 Seiten, Oldenbourg München Wien 1977 bis 1980. – Jahrelange Forschungsarbeit am Institut für Zeitgeschichte (München) führte zu diesem Werk, das die historische Wirklichkeit der NS-Zeit in einer noch nie dagewesenen Intensität erfasst: den Alltag im Dritten Reich wie ihn alle erlebt haben, wie er „unten“ bei Volk, konkret aussah, „Widerstand“ und „Verfolgung“, diese oft dramatisch verengten Begriffe bezeichnen hier ein breites Spektrum von Regime-Wirkungen und Reaktionen. Durch regionale und thematische Begrenzung erhalten die Dokumente und Berichte den Charakter wissenschaftlich fundierter Stichproben und Nahaufnahmen, die über das bayerische Exempel hinaus kennzeichnend sind für die deutsche Gesellschaft im Dritten Reich. – Inhalt Band II: Provinzpresse in der bayerischen Ostmark, Münchner Kammerspiele, Industrie zwischen Anpassung und Selbstbehauptung, Reaktion er Bevölkerung und der Pfarrer auf die Judenverfolgung, bayerische Justiz und politische Morde u. a. – Band III/IV:  Formen den Jugend-Widerstands, Schwurgericht München, Bauernopposition, Situationen in Penzberg, Augsburg und München u. a. – Band V/VI: Gesamtdarstellung der Aktivitäten politischer Widerstandsgruppen in Bayern und ihre Verfolgung, Überwachung, unterschiedliche Taktiken des KPD- und des SPD-Widerstands im Vergleich, Formen der bürgerlich-liberalen und konservativen Opposition, bislang unbekannte Fälle individuellen Widerstands, Konfliktfälle,

AAA-IMG_0098 (3)Ulrich Schuh: „Die Entnazifizierung in Mittelfranken. Vorhaben, Umsetzung und Bilanz des Spruchkammerverfahrens in einer vielfältigen Region“, Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte (Band 72), 256 Seiten, Verlag Ph. C. W. Schmidt, Nürnberg 2013. –Nach der totalen Niederlage des Deutschen Reiches 1945 setzten die westlichen Siegermächte neben einer Umerziehung der Deutschen vor allem auf die so genannte „Entnazifizierung“, um die Zeit des Nationalsozialismus zu bewältigen. Als Hauptmittel dienten in der amerikanischen Besatzungszone die Spruchkammern, mit deren Hilfe alle belasteten Deutschen in Kategorien klassifiziert und gegebenenfalls verurteilt werden sollten. Dieser Band beleuchtet dieses Vorhaben, die Umsetzung und die Bilanz des Spruchkammerverfahrens in sechs Mikrostudien mittelfränkischer Städte und Landkreise: Nürnberg, Fürth, Erlangen, Ansbach, Weißenburg und Neustadt a. d. Aisch. Unter anderem anhand der seit dem Jahr 2000 zugänglichen Akten in den bayerischen Staatsarchiven wird das Vorgehen der Laiengerichte, das bereits zeitgenössisch stark kritisiert und seither mit dem Stigma des letztendlichen Scheiterns belegt wurde, detailliert aufgearbeitet. So werden in Städten unterschiedlicher sozioökonomischer Struktur, politischer Couleur und kultureller Tradition Gemeinsamkeiten und allgemeine Tendenzen erörtert sowie lokale Wesensmerkmale und Besonderheiten gekennzeichnet.

Rothenburg-LIteratur-Raim-$_57Martin Paulus/Edith Raim/Gerhard Zelger (Hg): „Ein Ort wie jeder andere. Bilder aus einer deutschen Kleinstadt –Landsberg 1923 – 1958“; broschiert, 223 Seiten, umfangreich bebildert, Rowohlt Taschenbuch 1995, Schriftenreihe des Fritz-Bauer-Instituts Frankfurt am Main, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Bd. 9. – Eine kleine Stadt in Bayern: Landsberg am Lech. Ein Ort wie jeder andere und zugleich Schauplatz der großen Geschichte. Hier schreibt Hitler während seiner Festungshaft 1934/24 „Mein Kampf“, 1944/45 werden etwa 30.000 KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter in einem geheimen Rüstungsprojekt eingesetzt. 1945 finden die amerikanischen Befreier in den Lagern und Massengräbern Tausende von Toten. Sie errichten ein Displaced Persons Camp für die Überlebenden des Holocaust. Hinter Stacheldraht entsteht auf engstem Raum eine vielsprachige Stadt in der Stadt. In unmittelbarer Nähe der Opfer sitzen Täter – die Festungshaftanstalt wird zum Kriegsverbrechergefängnis. Die Bundeswehr übernimmt die NS-Rüstungsbauten. Das Leben in der kleinen Stadt geht weiter. Während der ganzen Zeit ist in Landsberg fotografiert worden – zur privaten Erinnerung, politischen Propaganda oder zur Dokumentation für die Nachwelt, von Profis und Amateuren, von den Befreiern, internationalen Beobachtern und Einheimischen. Dieses Buch führt mit 150 ausgewählten Fotografien vor, wie eine kleine Stadt die große Geschichte erlebt. In der Chronik Landsbergs verdichten sich lokale und internationale Ereignisse zu einer bewegenden Ansicht des 20. Jahrhunderts. Die Herausgeber sammelten Bilder ihrer Stadt – ihr Buch zeigt die Erinnerungen an einen Ort und eine Zeit in ihrer Unterschiedlichkeit. Es enthält einen Essay von John Berger und Nella Bielski, eine historische Einsführung in die Stadtgeschichte und eine Auswahl von 1945 entstandenen Briefen, in denen ein junger amerikanischer Soldat die Situation im Landsberger DP-Camp beschreibt.

Rothenburg-Literatur-Landberg-Cash43852305zPD Dr. Edith Rasim/Sonja Fischer M. A. (Hg.): „Don’t Take Your Guns To Town“ – Johnny Cash und die Amerikaner in Landsberg 1951-1954“, broschiert, 152 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Volk Verlag München 2015. 12,90 Euro. Neben den Herausgeberinnen weitere Autoren: Prof. Dr. Philipp Gasser, Tobias Brenner M. A., Willi Winkler, Judith Schnaubelt; Redaktion: Anna Leiter M. A.; Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Neuen Stadtmuseum Landsberg. – „Nimm Deine Schusswaffen nicht mit in die Stadt“ würde der Titel heißen. So wurden die amerikanischen Soldaten ermahnt, die in den 1950er-Jahren auf der U.S. Air Base Penzing stationiert waren, wenn sie Ausgang in die Stadt Landsberg bekamen. Einer von ihnen war Johnny Cash, der aus Arkansas stammte und nach seiner Rückkehr in die USA 1954 eine Weltkarriere als Sänger und Musiker begann.
Sein Lebensweg zwischen 1951 und 1954 steht stellvertretend für Hunderttausende von jungen amerikanischen US-Soldaten, die mit ihrer Stationierungszeit zur Amerikanisierung der westdeutschen Gesellschaft beitrugen. Sein in Landsberg entstandener berühmt gewordener Song „Don’t Take Your Guns To Town“ spielt allerdings im Wilden West Amerikas und nicht im westlichen Oberbayern, wo er in Landsberg als ausgebildeter Funker Abhörspezialist der 12. Mobilen Funkschwadron auf der Landsberg Air Base Dienst tat. Um seine Zeit in Landsberg ranken sich zahlreiche Geschichten, von denen wohl einige ins Reich der Legende gehören. Als gesichert gilt jedoch, dass der wohl berühmteste Countrysänger der Welt als Neunzehnjähriger seine erste Gitarre im Musikhaus Ballach in Landsberg am Lech kaufte und dass er auf dem Truppenstützpunkt seine erste Band gründete: die „Landsberg Barbarians“, eine leicht zu erkennende Anspielung auf die in Landsberg verlegte Truppenzeitung „The Landsberg Bavarian“. Das Buch mit bislang unveröffentlichten Fotografien Johnny Cashs aus Privatbesitz erschien als Begleitpublikation zur Ausstellung „Don’t Take Your Guns To Town“, in der das Stadtmuseum Landsberg die amerikanische Truppenpräsenz und Johnny Cashs Stationierungszeit von 1951 bis 1954 in Landsberg thematisiert (Katja Sebald). – Edith Raim, geb. 1965 in München, studierte als Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes von 1984 bis 1991 Geschichte und Germanistik in München und Princeton und promovierte 1991 in München. Sie hat verschiedene Veröffentlichungen zu Konzentrationslagern, der Verfolgung von Juden während des „Dritten Reichs“ und der Ahndung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden vorgelegt. Siehe: ……(kommt noch) ..… in dieser Online-Dokumentation. – Sonja Fischer ist Leiterin des Neuen Stadtmuseums Landsberg am Lech.

IMG_0122Robert Gellately: „Hingeschaut und Weggeschaut. Hitler und sein Volk“, 456 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Deutsche Verlags Anstalt, Stuttgart München 2002. – Seit fast siebzig Jahren wird darüber debattiert, was die Deutschen unter Hitlers Diktatur Was wussten die gewöhnlichen Deutschen über den Terror der Nazis? Kannten sie die Vorgänge in Konzentrationslagern? Robert Gellately hat in deutschen Archiven bislang vernachlässigte Quellen gefunden, die eine Antwort geben. Der Autor beweist stichhaltig, dass die Deutschen nicht nur von den Verbrechen der nationalsozialistischen Machthaber wussten, sondern  darüber offen informiert wurden und weit aktiver, als bislang bekannt war, mithalfen – durch Zustimmung, Denunziation oder Mitarbeit. Mit einer Fülle von Dokumenten zeigt Gellately, wie die Nazis die Loyalität des Volkes zu ihrem Regime erst aufbauten und dann für ihre Verbrechen nutzten. Die gewöhnlichen Leute sahen erst zustimmend hin, wie ihre Mitbürger verhaftet und verschleppt wurden, und schauten später gleichgültig weg, als sie um das eigene Überleben kämpfen mussten. – Der Autor ist Jahrgang 1943 und Inhaber der Strassler-Professur für die Geschichte des Holocaust am Center for Holocaust Studies, Clark University (USA). Auf Deutsch erschien von ihm 1991 „Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft“.

LIT-Aly-Die BelastetenGötz Aly: „Die Belasteten – Euthanasie 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte“. 352 Seiten, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. Euro 22,90. – Heute ist von den erwachsenen Deutschen jeder achte direkt mit einem Menschen verwandt, der zwischen 1940 und 1945 ermordet wurde, weil er psychisch krank oder behindert war. Die damals Beteiligten beschönigten das Verbrechen als Erlösung, Gnadentod, Lebensunterbrechung, Euthanasie oder Sterbehilfe. Nicht wenige Angehörige fühlten sich nach dem stillen, halb geheimen Verschwinden ihrer hilfsbedürftigen Nächsten erleichtert – der Staat hatte eine Lebenslast, eine schwere Sorge von ihnen genommen.
Die meisten Familien schwiegen hernach; viele schämten sich, die Namen der Opfer zu nennen. Erst heute, nach bald 70 Jahren, löst sich der Bann. Langsam tauchen jene Vergessenen wieder auf, die sterben mussten, weil sie als verrückt, lästig oder peinlich galten, weil sie unnormal, chronischkrank, gemeingefährlich, arbeitsunfähig oder pflegebedürftig waren, weil sie ihre Familie mit dem Makel „erbkrank“ belasteten.
Götz Aly beschreibt, wie die Euthanasiemorde in der Mitte der deutschen Gesellschaft als öffentlich bekanntes Geheimnis von statten gingen. Er lässt die Opfer sprechen, zeigt, wie sich die Anverwandten verhielten und wie Ärzte das Töten in den therapeutischen Alltag übernahmen und zugleich reformerische Ziele verfolgten.
Den Euthanasiemorden der Nazis, die offiziell im Herbst 1939 begannen, hat sich nun der Historiker und Journalist Götz Aly angenommen, der sich mit seinen Untersuchungen großes Ansehen erarbeitet, mit seinen Ergebnissen aber auch immer wieder in der etablierten Geschichtswissenschaft angeeckt hat. In seinem Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ kam er 2011 etwa zu dem Schluss, dass das sozialstaatliche Gerechtigkeitsstreben eine der Voraussetzungen des Holocaust war. Seine damalige These: Die Juden seien die größten Gewinner der Modernisierung im 19. Jahrhundert gewesen und hätten so Neid auf sich gezogen.
Aus der Sicht des Autors war das Euthanasie-Morden („Aktion T4“)  ein Vorspiel für den Genozid: „Weil die Deutschen den Mord an den eigenen Volksgenossen hinnahmen, gewannen die Politiker die Zuversicht, sie könnten noch größere Verbrechen ohne bedeutenden Widerspruch begehen. Gleichzeitig kritisiert er die „verklemmte Diskretion“ , mit der Familienangehörige der Opfer das Geschehen betrachteten und mit der noch heute die Aufarbeitung dieses Kapitels behandelt wird. Nur wenige der Angehörigen legten Protest gegen die Abtransporte ein. Die meisten gaben sich damit zufrieden, dass der Patient an einer natürlichen Todesursache gestorben war. Einzig der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen sprach von Mord. Trotzdem er seinen Protest offenlegte, wurde er jedoch vom Regime verschont. Was die vielen Morde, die die Zahl 200.000 übersteigen, aber nicht verhindern konnte (nach SZ).

AAA-IMG_0101Raphael Gross: „Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral“, 278 Seiten, S. Fischer, Frankfurt 2010 (2. Auflage). – „Von euch werden  die meisten wissen, was es heißt, wenn hundert Leichen beisammen liegen, wenn fünfhundert daliegen oder wenn tausend daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei –abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Die4s ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“ Das sagte Heinrich Himmler in einer Rede am 4. Oktober 1943 in Posen vor 92 SS-Offizieren.  Ehre, Treue, Schande und Kameradschaft: Raphael Gross stellte in diesem Buch erstmals eine moralgeschichtliche Perspektive auf die NS-Geschichte vor. Er zeigt, dass erst ein System von gegenseitig eingeforderten moralischen Gefühlen und Tugenden die Begeisterung der deutschen Bevölkerung für die nationalsozialistische Volksgemeinschaft ermöglicht hat. Politische Reden, Schulbücher und ebenso der scheinbar apolitische Unterhaltungsbetrieb waren von dieser Moral geprägt. Sie wurden von vielen getragen und ist auch nach der militärischen Niederlage 1945 nicht plötzlich verschwunden. – Prof. Dr. Raphael Gross, geboren 1966 in Zürich, studierte Geschichte in Zürich, Berlin, Cambridge, Bielefeld, Jerusalem und Essen. Seit 2001 ist er Direktor des Leo Baeck Instituts in London und leitet seit 2006 zudem das Jüdische Museum in Frankfurt am Main sowie seit 2007 das Fritz Bauer Institut.

AAA-IMG_0095Dr. Manfred Franze: „Aufstieg und Machtübernahme der Nationalsozialisten in Forchheim, Ebermannstadt und der Fränkischen Schweiz“, hgg. Vom Arbeitskreis Heimatkunde im Fränkische-Schweiz-Verein, 224 Seiten, bebildert, Palm und Enke Verlag, Erlangen 2014. – Der Autor ist Lehrer und wurde (und wird) häufig von Schülern gefragt: „Wie war das eigentlich mit den Nazis bei uns?“. Seine Antworten vor zwanzig und dreißig Jahren fielen vage aus, weil Informationen zum Thema fehlten. Doch heute, 80 Jahre nach 1933, ist das anders geworden. So genannte „Mikrostudien“ haben zusehends an Boden gewonnen. Nicht nur, weil der zeitliche Abstand größer geworden ist, sondern auch – wie es im historischen Fachjargon heißt – die „polykratische Dynamik des NS-Maßnahmestaates“ nur erfasst werden kann, wenn man wie bei einem Puzzle die regionale Vielfalt zu einem großen Ganzen zusammensetzt und sie in die Nationalgeschichte einfügt. Der Autor hat ein gutes und wichtiges Buch vorgelegt. Akribisch zeigt er anhand von Ereignissen der Jahre 1933 folgende, wie sich der Nationalsozialismus wie ein Krake auf die Städte und das Land legte, Demokratie und Liberalismus erstickte. Kern der Studie  ist die Frage, wie in der Fränkischen Schweiz die Diktatur errichtet werden konnte. Dabei zeigt sich, dass der Prozess der so genannten „Gleichschaltung“ in den Orten der Region sehr unterschiedlich verlaufen ist und abhängig war von den Durchsetzungsvermögen einzelner Akteure. Dieses Vermögen hatte beispielsweise der junge Nationalsozialist Dr. Heinz Wirsching, Sohn des Rothenburger Stadtamtmanns Hans Wirsching, als er ab 1933 bis 1936 als Regierungsrat im Bezirksamt Ebermannstadt mit allen bekannten Methoden des Regimes den Nationalsozialismus gegen Widerstände durchsetzte.

Literatur-IndoktrinationLBenjamin Ortmeyer unter Mitarbeit von Katharina Rhein: „Indoktrination. Rassismus und Antisemitismus in der Nazi-Schülerzeitschrift ,Hilf mit!’ (1933-1944)“, 154 Seiten, kartoniert (TB), Beltz-Juventa, Weinheim/Basel 2013, 14,95 Euro, ISBN: 9783779928898. – Das Buch behandelt die Zeitspanne 1933-1944 anhand der nationalsozialistischen Schülerzeitschrift „Hilf mit!“ (Auflage über 5 Millionen). Das Ergebnis: Im Vordergrund stand die vielfach beschworene Idylle des schönen Deutschlands und der deutschen Jungen und Mädchen. Eng verbunden mit diesem deutschen Nationalismus war die rassistische und antisemitische Indoktrination. Gut dosiert wurden in dieser Schülerzeitschrift Texte und Abbildungen mit großem didaktischem Aufwand erstellt.

Literatur-Titel-geliebter Führer-gutTheresa Ebeling, Max Heidrich, Kai Jakob, Steffi Kühnel, Janine Noack, Alexander Schug (Hg): „Geliebter Führer. Briefe der Deutschen an Adolf Hitler“, 212 Seiten, Vergangenheitsverlag 2011, ISBN: 9783864080135. – Die hier erstmals zusammengestellten und publizierten Briefe an Adolf Hitler geben einen Hinweis darauf, wie sehr er als unnahbar inszenierter „Führer“ Projektionsfläche für viele Deutschen geworden war, die elektrisiert von ihm waren und sich ihm leidenschaftlich, teils erotisch zugeneigt fühlten. Nachdem bereits Briefe aus der Bevölkerung an Hitler aus Beständen in Washington und Moskau publiziert worden sind, präsentiert der Band erstmals eine umfangreiche Sammlung von Bevölkerungspost aus den Beständen des Bundesarchiv Berlin der Jahre von 1933 bis 1945, die in ihrer Absurdität und seltsam anmutenden Intimität Einblicke in die Gefühlswelten der Deutschen im Nationalsozialismus gewähren.

Literatur-Hitler-TitelDr. Volker Ulrich: „Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs“, Biografie, Band 1 (1889-1939), 1.083 Seiten, S. Fischer, Frankfurt am Main 2013. – Wer war Hitler wirklich? Der Historiker und Publizist Volker Ullrich zeichnet ein neues, überraschendes Porträt des Menschen hinter der öffentlichen Figur des „Führers“. Sichtbar werden dabei alle Facetten Hitlers: seine gewinnenden und abstoßenden Züge, seine Freundschaften und seine Beziehungen zu Frauen, seine Begabungen und Talente, seine Komplexe und seine mörderischen Antriebskräfte.
Der erste Band schildert den Weg des Diktators von seinen frühen Jahren in Wien und München bis zum scheinbaren Höhepunkt seiner Macht im Frühjahr 1939. Eine gut erzählte Biographie, die Hitler nicht als Monster zeigt, sondern als Meister der Verführung und Verstellung – und gerade dadurch nicht nur die Abgründe seiner Persönlichkeit, sondern auch das Geheimnis seines Aufstiegs greifbar macht. Der Historiker (Havard, Aberdeen) Thomas Weber schreibt u. a. über das Buch in der FAZ: „Hilfreich wäre für Ullrichs Buch eine Diskussion darüber gewesen, wo die Grenzen von Hitlers Selbstinszenierungen lagen. So waren Hitlers Gefühlsausbrüche mit Sicherheit zuzeiten geschauspielert. Aber war wirklich alles an Hitler Schauspielerei? Mindestens genauso plausibel ist, dass die von Ullrich beschriebenen Verhaltensweisen Hitlers Nassir Ghaemis These von einer bipolaren Störung bei Hitler unterstützen. Hierzu gehört auch die Frage, wieso Hitler zwar immer nach einer Ersatzfamilie trachtete, es aber dennoch nicht schaffte, über Jahre hinweg enge zwischenmenschliche Beziehungen mit den entsprechenden Personen aufrechtzuerhalten. Die Beantwortung der Frage, ob Hitlers Rollenspiel und Selbstinszenierung grenzenlos war, ist auch aus einem anderen Grunde vonnöten. Denn wenn es grenzenlos war, müssen wir uns logischerweise wohl oder übel damit abfinden, dass wir nur die Resultate von Hitlers Wirken erforschen können, nicht aber, ob sie und aus welchem Grunde sie beabsichtigt und unbeabsichtigt waren.“ – Volker Ullrich, geboren 1943, studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie. Der promovierte Historiker ist Autor der „Zeit“ und Mitherausgeber des Magazins „Zeit-Geschichte“ und lebt in Hamburg. Von 1990 bis 2009 leitete er das Ressort „Politisches Buch“ bei der Hamburger Wochenzeitung. Ullrich hat zahlreiche historische Werke zum 19. und 20. Jahrhundert veröffentlicht. Für sein publizistisches Wirken wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis und der Ehrendoktorwürde der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgezeichnet.

Literatur-Liebesbriefe Hitler-UlshöferHelmut Ulshöfer (Hg): „Liebesbriefe an Adolf Hitler. Briefe in den Tod“, 120 Seiten, Verlag für akademische Schriften (Vas) 1996, 16,50 Euro, ISBN 3-88864-066-0. – Dem Herausgeber ist mit diesem Buch ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte gelungen. Die Zusammenstellung von Absonderlichkeiten und Liebesbekundungen an den „Führer“ wirft ein nicht wirklich wichtiges Licht auf das Dritte Reich, aber ein interessantes auf das Verhältnis von Frauen auf den Diktator. So sind die Briefe ein außerordentliches Zeugnis für das Verhältnis zwischen Führer und Volk. Die verliebten Brief-Schreiberinnen haben Hitler Strümpfe und Schals gestrickt, Kuchen gebacken, ihm Wohnungsschlüssel geschickt und nachts die Kammertür aufgelassen. Viele der Frauen bezahlten ihre unbezähmbare Liebe mit der Verhaftung durch die Gestapo und der Einweisung in die Heilanstalt, wo sie teilweise der Euthanasie zum Opfer gefallen sind – eine denkbar bittere Pointe.

Literatur-Markert-TitelRudolf Markert: „Und wenn’s mer noch so lumberd gett. Leben und Erlebnisse eines Rothenburgers zwischen 1930 und 2005“, Grußwort von Oberbürgermeister Herbert Hachtel, 168 Seiten, broschiert, Mitherausgeber: Werner Rösch (Ohrenbach), Eigenverlag 2005. – Der gebürtige Rothenburger Rudolf Markert erzählt sein Leben und beginnt dabei in seinem Geburtsjahr 1930. Dabei nimmt seine Heimatstadt Rothenburg ob der Tauber einen breiten. Er schildert sehr persönlich seine Schulzeit, den Alltag im nationalsozialistischen Rothenburg bis hin zum Kriegsende 1945, die Bombardierung der Stadt und die Nachkriegjahre mit den persönlichen Entbehrungen und dem Wiederaufbau. Seine persönlichen Erlebnisse sind gewürzt mit Anekdoten. Leider nimmt der Autor kaum Stellung zu der politischen Situation in Rothenburg, sei es in der Schule, auf der Straße, bei besonderen Anlässen und Begebenheiten. Ausführlich beschreibt er die Bombardierung und die damit verbundene Not der Menschen. Markerts Erinnerungen sind unpolitisch. Der zweite Teil des Büchleins befasst sich mit der Zeit bis 2005, wo Markert ausführlich seine persönliche Situation (Krankheit) beschreibt.

Literatur-Titel-GehringerBernhard Gehringer: „Und dann will ich dein sein. Eine Spurensuche“, 185 Seiten, Eigenverlag 2010. – Auf 185 Seiten in klug gestaltetem Perspektivenwechsel der 29 Kapitel setzt er sich mit den Jahren des Nationalsozialismus in seiner Heimatstadt Rothenburg und deren Niederschlag in seiner Familiengeschichte auseinander: mit Zeitzeugnissen, O-Tönen fesselnd aufbereitet und passagenweise von bemerkenswerter schriftstellerischer Qualität. Es ist die Lebensgeschichte der eigenen Eltern zu erkennen, die sich bei der HJ bzw. beim BDM kennen gelernt haben. Der Vater war dann bei der Waffen-SS, nach dem Krieg Lehrer und zeitweise Stadtrat. Der Sohn und Autorverdammt ihn deswegen nicht, sondern versucht die Verfehlungen zu verstehend zu beleuchten, um sie nicht als verdrängten Sprengstoff an die nächste Generation weiterzugeben. So entsteht ein Rothenburger Bilderbogen der 30er-Jahre in verblüffender Harmlosigkeit, stellenweise auswechselbar scheinend mit der Gegenwart. Wären da nicht die Fakten wie die Lauf­bahn des Vaters, Jahrgang 1924, in der SS (nach FA).

Gehringer-TitelBernhard Gehringer:  „Die verschnürten Briefe. Geschichte einer Jugendliebe (1939-1947)“, Selbstverlag 2015, 400 Seiten, bebildert, Leinen, Schutzumschlag. Erhältlich über die Buchhandlung Robanus in Rothenburg ob der Tauber, 29,60 Euro. – Das Buch erzählt von der Liebesgeschichte der Eltern des Autors, eingebettet in den kleinbürgerlichen Alltag in der Zeit des Dritten Reiches und in die Zeit nach der totalen Niederlage von Krieg und Nationalsozialismus. Die Briefe geben eine Einblick in die Gefühlswelt der Liebenden, geprägt von den hohen Idealen wie Treue und aufeinander Warten, aber auch in die Gefühlswelt der kleinen fränkischen Kleinstadt Rothenburg ob der Tauber. Dort arbeitet die Mutter des 1949 geborenen Autors als junges Mädchen in der elterlichen Bäckerei. Fritz Gehringer, sein Vater, schrieb die Brief in der Zeit seines Arbeitsdienstes, vom Fronteinsatz in Karelien und von der Junkerschule in Klagenfurt, wo junge SS-Offiziersanwärter bis Juli 1944 auf den Nationalsozialismus im Sinne der SS eingeschworen wurden. Die Briefe kommen auch von der Westfront, aus einem Lazarett und schließlich aus dem Internierungslager für SS-Angehörige.
Der Sohn fand die Briefe verschnürt in einem Schuhkarton auf dem Speicher des elterlichen Hauses in Rothenburg. Rund tausend Briefe entzifferte er mühsam, las sie und wertete den Inhalt aus. So ist dieses Buch entstanden.
„Es ist schön zu sehen“, so der Autor, „wie die Beziehung der beiden wächst, und auch die Fähigkeit, sich mitzuteilen, von einschichtig naiv bis intensiv.“ Interessant ist auch sein Blick in die Gedankenwelt und die Ideale dieser Generation in der NS-Zeit, wie sehr der Moralkodex jener Ideologie sie geprägt hat und die beiden „die SS-Ideologie, nach der Mann und Frau Gefährten im Lebenskampf sind, zelebriert haben“.
In Alltagsgeschichten schildert der Autor, wie diese durch den Nationalsozialismus und den Krieg beeinflusste Generation versucht, sich in eine wie auch immer geartete Normalität zurechtzufinden. Beim Entnazifizierungsverfahren fiel der gewesene SS-Leutnant Fritz Gehringer unter das Jugendamnstie-Gesetz und wurde im April 1947 aus dem Internierungslager Regensburg entlassen. Mit 23 Jahren wollte Fritz Gehringer Architekt werden oder Keksfabrikant. Oder nur ein Café aufmachen. Doch er wurde Volksschullehrer, stieg in die Kommunalpolitik ein, war im Alter stolz auf seine frühere SS-Zugehörigkeit und starb 1996 mit 72 Jahren, seine Frau 82-jährig 2005 (frei nach Ursula Lux, Main-Post Schweinfurt).

Literatur-Titel-Gusmann-JudenDr. Oliver Gußmann „Jüdisches Rothenburg ob der Tauber“ – Einladung zu einem Rundgang, Format 15 x 15 cm, 34 Seiten, Verlag Medien und Dialog Klaus Schubert Haigerloch 2003. – Handlich und informativ ist dieses vorzüglich gestaltete Heft über die Geschichte der Juden in Rothenburg vor allem auch als Stadtführer gedacht. Wo einst jüdisches Leben blühte und abstarb, ob Judengasse oder Judentanzhaus im Mittelalter oder die Synagoge in der Herrngasse zuletzt, wird der Leser hingeführt und darüber informiert, was vor Jahrhunderten und Jahrzehnten im jüdischen Rothenburg war: Handel und religiöses Leben, Assimilation und Ausgrenzung, Verfolgung und Duldung, Entledigung der jüdischen Bürger durch Vertreibung in der NS-Zeit. Auch kann sich der Leser informieren über den bedeutenden jüdischen Rechtsgelehrten Rabbi Meir ben Baruch (13. Jh.), über jüdische Friedhöfe und die aktuelle Sammlung Judaica im Reichsstadtmuseum. Das kleine Heft weckt das Interesse, mehr über das „Jüdische Rothenburg“ erfahren zu wollen.

Literatur-Bayern SynGedenkband IIWolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): „Mehr als Steine“, Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland, Bd. 3 Bayern Teilband 2 Mittelfranken, gesamt 560 S. und Abb., Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allg. 2010. – Mit der Zerstörung der Synagogen in Deutschland in der Reichspogromnacht riss 1938 eine jahrhundertealte Tradition jüdischen Lebens in unserem Land ab. Um die Erinnerung an die Bauten und ihre Gemeinden zu bewahren, entstehen auf Anregung des „Synagogue Memorial Institute“ in Jerusalem bundesweit Synagogen-Gedenkbände. – Den jüdischen Gotteshäusern in Bayern wird in diesem Buch in Text und Bild ein Denkmal gesetzt: Der Synagogen-Gedenkband Bayern dokumentiert umfassend die Geschichte aller Synagogen und privaten Bet-Räume, die es um 1930 auf dem Gebiet des heutigen Bayern gab. Den Kern des dreibändigen Werkes bilden etwa 210 Ortsartikel, in denen jeweils die Entwicklung einer jüdischen Gemeinde im Zusammenhang mit dem Bau ihrer Synagogen dargestellt wird. Darunter die jüdische Gemeinde in Rothenburg mit deren Synagogen (letzte in der Herrngasse). Die wesentlichen Förderer dieses Synagogen-Buch-Projekts sind die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und das Kultusministerium des Freistaates Bayern.

Literatur-Titelseite-DavidsternWolf Stegemann / Johanna Eichmann (Hg): „Der Davidstern. Zeichen der Schmach, Symbol der Hoffnung“ – Ein Beitrag zur Geschichte der Juden, erschienen 1991 im Eigenverlag des Vereins für jüdische Geschichte und Religion, 206 Seiten, über 110 Fotos und Faksimiles, etliche in Farbe. Aus dem Inhalt: Pentagramm und Hexagramm in der Antike – Synagoge und Ecclesia – Kennzeichnungen im Christentum und im Islam – Judenhut und Judenring – Der Judenstern auf Grabsteinen, Hochzeitssteinen, Exlibris – Symbol der Heimkehr – Der gelbe Judenstern in der NS-Zeit –  Der blaue Davidstern in Israel u. a. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Diethard Aschoff, Dr. David Bankier, S. Johanna Eichmann, Prof. Dr. Peter Freimark, Anke Klapsing M.A., Prof. Dr. Konrad Kwiet, Prof. Dr. Hans Mommsen, Dr. Gerbern S. Ogema, Danny Pinkus, Wolf Stegemann, Dr. Falk Wiesemann; wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Michael Brocke.

Literatur-Miommsen-Auschwitz-TitelProf. Dr. Hans Mommsen: „Von Weimar nach Auschwitz“ – Zur Geschichte Deutschlands in der Weltkriegsepoche, mit einer Würdigung von Ian Kershaw, 436 Seiten, DVA Stuttgart 1999. – Der Weg Deutschlands vom Ende des Ersten Weltkriegs in die Katastrophe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist weder leicht zu erklären, noch lassen sich einfache Urteile über Versagen oder Verrat einzelner Personen oder Parteien fällen. Hans Mommsen, einer der herausragenden Zeithistoriker Deutschlands, ist stets auf der Suche nach tieferen und wahren Ursachen dieser Tragödie. Er weigert sich, eine vermeintliche Zwangsläufigkeit des „deutschen Sonderwegs“ oder eine „machiavellisch inszenierte Überwältigung“ der deutschen Gesellschaft unter Hitler und seiner Clique als historische Tatsache anzuerkennen. Ian Kershaw zu Mommsen Arbeit: „Hans Mommsens Engagement, sowohl schriftlich in seinen zahlreichen Aufsätzen als auch mündlich bei seinen öffentlichen Auftritten, und seine leidenschaftliche Suche nach besseren Wegen, im Interesse der Gegenwart und der Zukunft den größten Zivilisationsbruch der Vergangenheit zu erklären, haben stets der Aufarbeitung der NS-Zeit als einer gesellschaftlichen Verantwortung gedient und dazu einen unermesslichen Beitrag geleistet.“ – Mit seiner Studie über „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich“ (1996) hat Hans Mommsen eine der Grundlagen für die derzeit leidenschaftlich geführte Debatte über die Zwangsarbeiter in der deutschen Wirtschaft der NS-Zeit und deren »Entschädigung« gelegt. Darüber hinaus hat Mommsen mit wichtigen Studien über die Sozialdemokratie im Habsburgischen Vielvölkerstaat, über den Weg von Weimar nach Auschwitz, über den Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft, über den deutschen Widerstand bis hin zu Arbeiten über die junge Bundesrepublik immer wieder grundlegende Anstöße zum Verständnis des 20. Jahrhunderts gegeben und mit seinem leidenschaftlichen Engagement Beachtung in weiten Teilen der politisch und historisch interessierten Bevölkerung gefunden. Mit diesem Buch erhebt Mommsen keineswegs den Anspruch,  „die deutsche Entwicklung in der Weltkriegsepoche systematisch zu durchleuchten“. Vielmehr behandelt der Autor „wichtige Teilaspekte“. Dabei verliert sich Mommsen nicht in Überlegungen, was damals anders hätte verlaufen können. Er zeigt lieber auf, warum ein „autoritäres Regime beziehungsweise eine Militärdiktatur“ die geradezu zwangsläufige Folge des Scheiterns der Weimarer Republik war. Mommsen klagt dabei auch das Bürgertum an, dem er eine besondere Verantwortung an Hitlers Aufstieg zuweist.

Literatur-Mommsen-TitelProf. Dr. Hans Mommsen: „Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa“, 234 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2014. – Einer der bedeutendsten Zeithistoriker der Bundesrepublik liefert eine kompakte Gesamtinterpretation der komplexen Geschehnisse, die zur Entfesselung des Holocaust geführt haben. Dafür skizziert er zunächst die Judenfeindschaft in der Weimarer Republik sowie die Rolle des Antisemitismus beim Aufstieg der NSDAP. Er schildert, wie das NS-Regime die Verfolgung der Juden radikalisierte, bis hin zu ihrer vollständigen Entrechtung. Und er fragt, warum und unter welchen Bedingungen die einzelnen Stufen von der Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft bis hin zu ihrer Vernichtung vollzogen wurden. Für diese Ausgabe hat Hans Mommsen den Band „Auschwitz, 17. Juli 1942“ (2002) erweitert und auf den neuesten Forschungsstand gebracht. So wird ein Grundlagenwerk zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wieder zugänglich. Die Auslöschung des Judentums in Europa geht auf das Konto der deutschen Nationalsozialisten und ihrer Helfershelfer in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten. Hans Mommsen bezeichnet „die Zahl der an den Mordaktionen direkt beteiligten Personen mit 200.000 als nicht zu hoch gegriffen, während die Zahl der am Genozid indirekt beteiligten deutschen Staatsbürger ein Vielfaches davon betrug“.
Folgten sie alle – vielleicht sogar nur unter Zwang – verbrecherischen Befehlen, die auf Hitler zurückzuführen waren, oder handelten sie überwiegend aus einer gleichgeschalteten menschenverachtenden Ideologie? Und wie konnte das deutsche Volk dieses Morden zulassen und sich sogar oftmals durch Denunziation in den Dienst des Verbrechens stellen oder durch persönliche Bereicherung zu Hehlern und Nutznießern machen lassen?
Mommsen hat als einer der Ersten den Blick von Hitler als zentralem Verursacher und Verantwortlichen für den Holocaust auf die Vielzahl der Täter, Helfer, Mitwisser, Ermöglicher und Nicht-Verhinderer des Völkermords an den europäischen Juden gelenkt. Hitler sei zwar der antisemitische Einpeitscher, nicht aber der Verfechter der radikalsten Gestaltung dieser Gesetze gewesen und habe auch in der Folgezeit eine Ausweitung des Begriffs „Jude“ im Rahmen der Nürnberger „Bruchrechnung“ („Halbjude“, „Vierteljude“, „Mischling ersten Grades“ usw.) nicht ausdrücklich gebilligt.
Gerade ist das deutsche Gewissen durch das Buch Die Schlafwandler von Christopher Clark von der Alleinschuld für die Entfesselung des Ersten Weltkriegs befreit worden, da lädt Hans Mommsen den Deutschen mit seinem Buch neue, nicht kollektive, aber massenhafte individuelle Schuld für die Auslöschung des Judentums in Europa auf. In beiden Fällen handelt es sich wohl um eine notwendige Korrektur der geschichtlichen Wahrnehmung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Auszug Jüdische Allgemeine).

LIT-Schwarz-Titel 41XPwOrb6fLLeslie Schwartz: „Durch die Hölle von Auschwitz und Dachau. Ein Junge kämpft um sein Überleben“, broschiert, 140 Seiten, LIT Verlag 2010. – „Ich sollte nicht leben. Es ist ein Fehler. Ich wurde am 12. Januar 1930 geboren. Ich bin ein Jude. Dreimal schon sollte der Tod mich ereilt haben. Die Gründe, warum ich die Hölle überlebt habe, sind in dem Verlangen zu sehen, meine Geschichte zu erzählen. Ich hatte Alpträume. Ich dachte, wir alle wären tot und ich könnte nichts berichten. Dann hätte niemand von den Ereignissen erfahren. Nun bin ich 80. Mein Name ist Leslie Schwartz. Wenn ich meine Geschichte erzählen will, so muss es jetzt sein, jetzt bleibt mir noch Zeit.“ – So schreibt der ungarisch-jüdische Autor (Jahrgang 1930), der die KZs als erst 14-Jährger überlebt hat und seither in den USA lebt, die Motivation seines Schreibens. Das Buch von Leslie Schwartz (ursprünglich Laszlo genannt) verrät im ersten Moment nicht viel über einen fast noch kindlichen Häftling, der sowohl Auschwitz als auch Dachau überlebte. Zumal seine Flucht aus Auschwitz, wenn man es überhaupt als Flucht betiteln möchte, mehr oder weniger ein „Hineinstolpern“ in einen Abtransport nach Dachau betrifft.
Seinen Leidensweg in beiden Konzentrationslagern beschreibt Schwartz etwas oberflächlich. Man hat daher hin und wieder das Gefühl, dass er nicht von sich selber, sondern von der Allgemeinheit der Häftlinge erzählt. So gesehen liest sich das Buch wie ein „Sachbuch“, das über den Ablauf eines Konzentrationslagers informiert. Wer den liebeswürdigen und überaus freundlichen alten Herrn kennengelernt hat, er versteht, dass über seine Lippen keine Worte der brutalen Qual und des Grauens kommen, da er erlebt und gesehen hat. Um etliches interessanter liest sich die Nachgeschichte, die der Autor mehr auf sich bezieht. Dazu gehören die Befreiung und der beschwerliche und lange weg zurück nach Ungarn. Leslie Schwartz will zurück in seine Heimat, um im Elternhaus, dass mittlerweile besetzt ist, Nachforschungen über seinen Onkel in Amerika anzustellen. So kommt es, dass Lazlo Schwartz als Leslie nach Amerika kommt und das Buch mit einem Happy End dort endet. Trotz so mancher Oberflächlichkeiten (besser: Zurückhaltungen) ist das Buch zu empfehlen. Denn eins darf man nicht vergessen: Die Tatsache das Leslie gerade einmal 14 Jahre alt war, als er im Sommer 1944 nach Auschwitz kam.

drk-ns1Dr. Birgitt Morgenbrod / Dr Stephanie Merkenich: „Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945, 483 Seiten, Schöningh Paderborn 2008. – Das Schicksal und die Rolle des Deutschen Roten Kreuzes in den Jahren von 1933 bis 1945 sind in Forschung und Öffentlichkeit lange verdrängt worden. Die von den Historikerinnen Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich vorgelegte, vom Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes in Auftrag gegebene Monographie behandelt das Thema nun erstmals in umfassender Form. Bereits im Frühjahr 1933 geriet das DRK ins Visier der neuen Machthaber und wurde schon bald in den radikalen Umbau von Staat und Gesellschaft eingefügt. Als einzige deutsche Massenorganisation außerhalb der NSDAP und ihrer Gliederungen avancierte das Rote Kreuz zu einer interessanten Größe im Machtkampf der NS-Führungseliten untereinander. Der SS gelang es schließlich, sich den entscheidenden Einfluss auf Form und Arbeit der deutschen Rotkreuz-Gesellschaft und darüber hinaus die Verfügungsgewalt über deren personelle und materielle Ressourcen zu sichern. Die Verfasserinnen zeichnen diffenziert und mit kritischem Blick den Weg des DRK in den NS-Staat und damit die Transformation eines vielschichtigen Wohlfahrtsverbandes in eine rein auf den militärischen Sanitätsdienst orientierte Organisation nach. Sie analysieren die Konflikte, die sich aus der Spannung zwischen dem Totalitätsanspruch des Regimes und dem Status des DRK als freiwillige Hilfsgesellschaft im Sinne der Genfer Konvention ergaben, und sie machen deutlich, dass der Grat, der das DRK von den menschenverachtenden Praktiken der nationalsozialistischen Herrschaft trennte, in einigen Bereichen sehr schmal war.

Literatur-FranseckyTanja von Fransecky: „Flucht von Juden aus Deportationszügen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden“, 389 Seiten, Metropol-Verlag Berlin 2014. – Hunderte jüdische Männer, Frauen und Kinder wagten den Sprung aus den Deportationszügen, die sie nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager bringen sollten. Allein in Frankreich, Belgien und den Niederlanden gab es über 750 Fluchten. Die Abwägung für oder gegen den gefährlichen Sprung aus dem fahrenden Zug warf für die Deportierten viele Fragen auf, etwa, ob sie nach dem Sprung mit Hilfe rechnen könnten oder ob die Zurückgebliebenen Sanktionen für die Flucht befürchten müssten. Die Studie, die auf Interviews und der Auswertung neuer Quellen beruht, beleuchtet ein bislang kaum beachtetes Kapitel jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Zudem präsentiert sie Erkenntnisse zur Tätergruppe der Schutzpolizeikommandos, die die Deportierten bewachten. Die Autorin, hat mit ihrer als Buch veröffentlichten Dissertation, „Neuland“ betreten. Denn über das Thema wurde bislang nicht oder kaum geforscht. Besonders berückend ist die Erkenntnis, dass Polizeibeamte, die die Transporte begleiteten, an Tötungen während der Deportation beteiligt waren. Einen flüchtenden Juden in den Kopf zu schießen, wurde in der Bundesrepublik bis in die 1970er-Jahre strafrechtlich nicht verfolgt. Das Beispiel des Bottroper Polizisten Kantim, der einen Juden erschossen hat, und nach dem Krieg wieder Polizeidienst versah.

Literatur-CcreglingenHartwig Behr und Horst F. Rupp: „Vom Leben und Sterben. Juden in Creglingen“, 278 Seiten, Verlag Königshausen & Neumann, 2. Auflage, Würzburg 2001. – Creglingen ist ein kleiner Ort an der Tauber, zwischen Rothenburg und Tauberbischofsheim gelegen. Über Jahrhunderte hinweg hatte das Dorf auch eine jüdische Gemeinde, deren Geschichte in dem Buch aufgearbeitet ist. Die Autoren, der Oberstudienrat Hartwig Behr aus Bad Mergentheim und der evangelische Religionspädagoge Prof. Dr. Horst F. Rupp von der Uni Würzburg,  schreiben über die ersten greifbaren Anfänge im 16. Jahrhundert bis hin zur Zeit des Nationalsozialismus. Mehrere Abschnitte des Buches sind dem 25. März 1933 gewidmet, denn an diesem Tag kam es den Autoren zufolge in Creglingen zum „wohl ersten systematischen Pogrom mit Todesopfern nach der so genannten Machtergreifung“ der Nazis in Deutschland: Zwölf Polizisten und 15 SA-Leute durchsuchten an diesem Samstag Vormittag die Häuser der jüdischen Einwohner nach Waffen. Da sich die meisten Betroffenen in der Synagoge aufhielten, ließ der SA-Führer Fritz Klein den Gottesdienst dort kurzerhand aufheben und einen Teil der Juden ins Rathaus bringen. Bei den Hausdurchsuchungen wurde nichts gefunden. Weil die SA nun vermutete, die Bewohner hätten ihre Waffen rechtzeitig versteckt, „vernahmen“ Klein und seine Leute die im Rathaus befindlichen Juden. Dabei wurden 16 Menschen mit Polizeigerten derart misshandelt, dass zwei der Verprügelten an den Folgen der „Vernehmung“ starben. Das nach dieser Tat angefertigte Polizeiprotokoll vom 2. April 1933 ist im Anhang des Buches dokumentiert. Was mit den Tätern geschah? Damit befassen sich Behr und Rupp im Kapitel „Der Blick auf die nationalsozialistischen Täter“. – Die Autoren Hartwig Behr studierte Geschichte und Germanistik in Hamburg und Tübingen. Seit 1971 Studienrat in Bad Mergentheim. Seit den achtziger Jahren lokal- und regionalgeschichtliche Forschungen zu den Themen Nationalsozialismus, Judentum. Horst F. Rupp, studierte Evangelische Theologie, Psychologie, Germanistik und Geschichte in Erlangen und Zürich. 1985 Promotion, 1993 Habilitation für Praktische Theologie an der Universität Frankfurt.

Literatur-Juden in Rothenburg 026Andrea M. Kluxen, Julia Krieger (Hg.): „Geschichte und Kultur der Juden in Rothenburg o. d. T.“, 184 Seiten, 34 s/w-Abb., erschienen in der Reihe „Franconia Judaica, Bd. 7, im Ergon-Verlag Würzburg 2012.  – Der Band versammelt die Ergebnisse einer Tagung, die am 18. November 2011 in Rothenburg ob der Tauber vom Bezirk Mittelfranken in Kooperation mit dem Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rothenburg e.V. sowie der Stadt Rothenburg o. d. T. veranstaltet wurde. In Rothenburg ist jüdisches Leben schon seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar. Mit knapp zehn Prozent stellten die jüdischen Bürger einen nicht geringen Anteil der städtischen Bevölkerung. Rund um den heutigen Kapellenplatz befand sich das erste jüdische Viertel. Im 13. und 14. Jahrhundert, als der berühmte Rabbi Meir ben Baruch hier wirkte, erlebte die jüdische Gemeinde ihre Blütezeit. Nach Pogromen und Pestverfolgungen im Jahre 1349 entstand im Norden Rothenburgs eine neue jüdische Siedlung. Bereits im 15. Jahrhundert führten immer stärkere Repressalien zu drastisch sich verschlechternden Lebensbedingungen der Juden, die 1520 – wie in allen Reichsstädten in der Frühneuzeit – mit ihrer Ausweisung endeten. Erst 1870 siedelten sich wieder Juden in der Stadt an, und es entstand ein vielfältiges jüdisches Kultur- und Wirtschaftsleben, das um 1910 eine Hochphase erreichte. Doch bald, bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, waren Juden in Rothenburg erneuter Diskriminierung ausgesetzt, so dass hier noch vor der Reichspogromnacht die letzten 17 Juden am 22. Oktober 1938 aus der Stadt vertrieben wurden. – Die Beiträge von ausgewiesenen Kennern der jüdischen Geschichte Rothenburgs thematisieren unterschiedlichste Aspekte von Geschichte und Kultur der Rothenburger Juden sowie ihre Bedeutung für Stadt und Umland. Darüber hinaus geben sie differenzierte Einblicke in die lokale und regionale jüdische Geschichte vom Mittelalter bis in die jüngere Vergangenheit.

Litertur-Judenfeindschaft StegemannWolf Stegemann: „Wer einen Juden tötet, dem werden die Sünden vergeben“, broschiert, 60 Seiten, Dorsten 2000. – Der Verfasser geht der Frage nach, worauf sich die Jahrhunderte lange Judenfeindschaft in Kirchen und christlicher Gesellschaft begründet. Ist vielleicht die Bibel falsch übersetzt? Anhand der Aussagen der jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide, Schalom Ben Chorin und Edna Brocke zur Bibelübersetzung kommt der Autor zu dem übereinstimmenden Schluss, dass Luthers Bibelübersetzung „uns bis heute stellenweise ein falsches Judenbild in der Religion vermittelt, das für grausame Judenverfolgungen als Rechtsfertigung diente“. Lapide wird zitiert, der sagte, dass etliche Bibelstellen absichtliche Veränderungen aufwiesen und der Wortlaut des Öfteren „Geglättet“ worden sei. Eine Schwäche der abendländischen theologischen Übersetzer sei, die Translationen „genauer“ machen zu wollen als das hebräische Original sei. Stegemann nennt und erläutert die kritischen Übersetzungsfehler: Macht euch die Erde untertan, Auge um Auge – Zahn um Zahn, das Kainsmal, Gott der Rache, wie schuf Gott die Welt? Sind Märtyrer von Gott verdammt? Kein Saulus wurde je zu Paulus. Das letzte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob die hebräische Bibel überhaupt übersetzbar ist. „Gewiss“, sagt Lapide, „doch nie darf eine Übersetzung als vollkommen, endgültig oder für alle Zeiten gesichert gelten; jedes Zeitalter wird seine eigene zu erarbeiten haben…“ (H. P.)

Literatur-Titel-PferrerDr. phil. Björn Mensing: „Pfarrer und Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern“, Verlag Rabenstein Bayreuth 1999. – Als die erste Auflage 1998 im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht als Band 26 der „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ erschienen war, stieß das Buch auf eine große Resonanz, auch über den engen wissenschaftlichen Bereich hinaus, was den Autor überraschte, wie er im Vorwort der 2. verbesserten Auflage, (Rabenstein-Verlag) schrieb. Neben vielen positiven Reaktionen wie Zusendung von Zeitzeugenberichten differenzierten Kommentaren wurde Björn Mensing auch mit anonymen Beschimpfung und Androhung rechtlicher Schritte und polemischen Seitenhieben auf seine Person bedacht. Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Der 36-jährige Autor fand für seine wissenschaftliche Vergangenheitsbewältigung zwar wohlwollendes Interesse bei der Kirchenleitung, stieß jedoch an der Basis zum Teil auf Unverständnis oder schroffe Ablehnung. Vor allem hochbetagte Pfarrer, Pfarrerswitwen und Gemeindeglieder mit eigenen Erfahrungen an das Dritte Reich reagierten höchst emotional.“ – Und in der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ schrieb Dr. Rainer Hering: „Die Arbeit bestätigt die Einschätzung Martin Broszats, dass zahlreiche bayerische Pfarrer Wegbereiter der Machtübertragung an die Nationalsozialisten waren, indem sie zur Stärkung der Integrationskraft des Nationalsozialismus beitrugen, andererseits aber auch als Wegbereiter partieller Resistenz gege4n den nationalsozialistischen Totalitätsanspruch auftraten. Mensing hat eine fundierte und für die kirchenhistorische Forschung zentrale Regionalstudie vorgelegt, die hoffentlich bald für andere Landeskirchen eine Fortsetzung findet.“ – Pfarrer Dr. Mensing, geboren 1962 in Lüneburg, war zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichungen Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an der Universität Bayreuth und Theologischer Referent im Evangelischen Bildungszentrum Bayreuth. Heute ist er Pfarrer an der Versöhnungskirche der Gedenkstätte Dachau.

Ariernachweis-BuchtitelManfred Gailus (Hrsg.): „Kirchliche Amtshilfe. Die Kirche und die Judenverfolgung im Dritten Reich“, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, 223 Seiten. – Anhand von Fallbeispielen zu ausgewählten Landeskirchen machen die Autoren deutlich, wie dieser „Kampf um das Kirchenbuch“ konkret aussah. Das ernüchternde Fazit: In nur wenigen Fällen haben Pfarrer die Herausgabe brisanter Informationen verweigert. Selbst die Gemeinden der Bekennenden Kirche, die grundsätzlich den Arierparagraphen ablehnte, haben einem protestantischen „Beamtenethos“ folgend, korrekte Angaben gemacht. Erst durch diese Kenntlichmachung war es den Nazis schließlich möglich, über die etwa 500 000 „Glaubensjuden“ hinaus Arier von Nichtariern zu scheiden. Zu ihnen zählten Christen jüdischer Herkunft ebenso wie „Mischlinge“. Zu Recht spricht der Herausgeber von einer „Christenverfolgung innerhalb der Kirche“. – Überzeugend werden von Gailus die engen Verflechtungen zwischen völkisch-nationalen Pfarrern und der Reichsstelle für Sippenforschung, Kurt Mayer, offen gelegt. Die biografische Skizze zu „Sippen-Mayer“, wie der Genealoge von SS-Kollegen genannt wurde, zeigt zudem das Entwicklungspotential eines aus einer pietistischen Pfarrerfamilie stammenden Historikers zu einem der gefürchtetsten NS-Rassenpolitiker. Die Beiträge handeln aber auch vom Ausbleiben der innerkichlichen Beschäftigung mit dem unbequemen Thema nach 1945. So konnte der Pfarrer Themel bis 1970 unbehelligt für das kirchliche Archivwesen wirken. Der kleine Sammelband versteht sich weniger als Überblick einer zu dieser Problematik erst seit etwa 15 Jahren intensiv betriebenen Forschung. Man kann die spannend zu lesenden Beiträge eher als Anregung für weitere, von den Autoren als dringend notwendig erachtete Studien verstehen. Hierin liegt zugleich der einzige Schwachpunkt des Buches: Es bietet nur eine kleine Auswahl, namhafte evangelische Landeskirchen wie die Württembergische fehlen. Und völlig ausgeklammert wurde die Katholische Kirche. Eine den „Deutschen Christen“ vergleichbare protestantisch-völkische Bewegung kannte sie zwar nicht. Bei der Ausstellung von Ariernachweisen dürfte sie indes kaum nachsichtiger gewesen sein (D. L.).

LIT-Sprache unterm HakenkreuzProf. Horst Dieter Schlosser: „Sprache unterm Hakenkreuz – Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus“, 423 Seiten, Böhlau-Verlag, 2013, Euro 43,90. – Worte transportieren nicht nur Inhalte, sondern auch Werte und Überzeugungen. Sie können verschleiern, manipulieren und terrorisieren. Das zeigt der Philologe Horst Dieter Schlosser in seiner Analyse der nationalsozialistischen Sprache. – Samuel und David verschwanden mit einem Federstrich. 1934 änderte die Deutsche Reichspost das Buchstabieralphabet. Aus S wie Samuel wurde Siegfried, aus D wie David wurde Dora. Das scheinbar kleine Beispiel steht im Zusammenhang mit millionenfachem Mord. Auschwitz wurde früh verbal vorbereitet, das ist eine der zentralen Thesen in Horst Dieter Schlossers Monografie. Vernichtet, wer jüdische Namen auslöscht, auch jüdische Menschen? Schlosser neigt zum Nominalstil. Seine Analyse ist mühsam zu lesen.
Der Philologe Schlosser kommt ohne stilistische Eleganz aus. Er imponiert durch Fleiß und Akribie. Bis 2010 war er unter anderem für das Unwort des Jahres zuständig. Sein Buch sensibilisiert den Leser dafür, im Unwort-Nominierungs-Gestus NS-Vokabeln in der Sprache von heute aufzuspüren. Es zeigt aber vor allem, wie Überhöhtes, Brutales und brutal Beschönigendes unter dem Hakenkreuz Karriere machen konnte. Die Analyse beginnt in den frühen Jahren der NSDAP und endet mit dem letzten Tagesbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht.
Als eines der Lieblingsadjektive des frühen Hitler identifiziert Schlosser „rücksichtslos“. Das Das ging damals als rhetorisch unauffällig durch, wie auch der Vergleich von Menschen mit „Parasiten“ (übrigens keine Erfindung der Nazis). Die nationalsozialistische Sprache klang in den Ohren der Zeitgenossen vertraut und neu zugleich. Beschworen wurden ewige Werte wie Ehre, Heldenmut und Treue, zelebriert wurde aber auch der metallisch-moderne Klang technischer Allmachtsphantasien. „Gleichschaltung“ und „Ausschaltung“ sind dafür beredte Beispiele.
Wichtig für das Regime war die Sprachpraxis. Sprache sollte einerseits mobil machen, zunächst für die so genannte „nationale Erhebung“, dann für den „deutschen Freiheitskampf“, also den Krieg. Inflationär appelliert das Regime ans Volk. Du bist nichts, dein Volk ist alles, und fast alles wurde zum Volksgut erklärt: Volksgenossen, Volksempfänger, Volkswagen, Volksempfinden, Volkskörper, Volksgesundheit – und damit nicht alle alles merkten, sollte die Sprache nicht nur mobilisieren, sondern auch sedieren. Für den Terror fanden die Propagandisten des Regimes sanft klingende Vokabeln wie „Endlösung“ und „Sonderbehandlung“.
Stark ist das Buch besonders dann, wenn Schlosser solche semantischen Muster erkennt und die Mechanismen der Manipulation beschreibt. Schwach ist es dort, wo der Autor Ereignisse aufzählt, Daten aneinanderreiht und Interpretationen anderer referiert. Schlosser ist weder Historiker noch Soziologe. Er zeigt auf, wie die Sprache verändert wurde, warum aber die Deutschen “Heil Hitler” statt “Guten Tag” sagten, kann er nicht erklären. Er kann überzeugend nachweisen, wie tief sich der Antisemitismus in der deutschen Gefühlswelt des 19. und 20. Jahrhunderts eingenistet hatte, warum aber der Massenmord möglich wurde, lässt sich mit philologischen Mitteln allerdings nicht erschöpfend ergründen (nach Christiane Florin, Deutschlandfunk).

Literatut-Unbehauen-neue GrößeUlrich Herz: „Der Maler und Mensch Ernst Unbehauen“, 104 Seiten, hgg. vom Verein Alt-Rothenburg 2011. – Mit Ernst Unbehauen (Großonkel des Autors)  nimmt Ulrich Herz eine durchaus umstrittene Persönlichkeit des Rothenburger Kulturlebens im 20. Jahrhundert ins Visier, stehen neben seinen zahlreichen Verdiensten um das kulturelle Vorwärtskommen seiner Heimatstadt Rothenburg ob der Tauber doch auch gravierende Verfehlungen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu Buche. Ambivalent ist Unbehauen nicht zuletzt auch deshalb einzuschätzen, weil er sich immer im öffentlichen Raum bewegte, seine durchaus umstrittenen Positionen klar, in oft polarisierender Weise und bisweilen in aggressivem Tonfall vertrat, dabei allerdings stets auf das – vermeintliche – Wohl der Tauberstadt bedacht war (Klappentext). – Die selbstbewusste, lautstarke Art seines Auftretens und seine zahlreichen öffentlichen Auftritte, oft als Sprachrohr von örtlichen Vereinen, Gruppierungen oder als städtischer Repräsentant lassen hinter Unbehauens Biographie immer wieder die Geschichte Rothenburgs im 20. Jahrhundert aufleuchten und bieten manch überraschenden Einblick in ein bislang noch nicht genügend erforschtes Stück Rothenburger Zeitgeschichte. Bei aller Individualität dieser eigenwilligen Persönlichkeit zeigt sich jedoch auch, dass Ernst Unbehauens Biographie über weite Strecken durchaus repräsentativ für Lebenswege der damaligen Zeit im westlichen Mittelfranken war (Homepage Verein Alt-Rothenburg).

Literatur-Titel-Alija-DaliWolf Stegemann: „Alija – Die Wiedergeburt Israels“, Zyklus mit 25 Farblithografien von Salvador Dali, Texte und Gestaltung Wolf Stegemann, erschienen im Verlag des Vereins für jüdische Geschichte und Religion e. V. 1993, 68 Seiten, 25 großformatige Farbfotos, sechs S/W-Fotos, Broschur. – Der Zyklus verlockt zum Schauen und gibt gleichzeitig Rätsel auf, obwohl das Dargestellte auf den 25 Blättern klar erkennbar ist: die Flucht der Juden aus dem geschändeten Europa in das Land der Väter, das Finden der eigenen Identität und das Zusammengehen, Zusammenrücken, Zusammenarbeiten für die Realisierung des Traums. Des Traums, nach 2000 Jahren der Zerstreuung wieder im eigenen Land zu leben. Dali schuf den Zyklus zum 20-jährigen Bestehen Israels. Er wurde erstmals 1968 in New York gezeigt.

Literatur-Titel-Krieg in FrankenErnst Frühwald (Hg): „Der Zweite Weltkrieg in Franken. Nach den Wehrmachtsberichten vom 1. September 1939 bis 9. Mai 1945“, 144 Seiten, broschiert, Selbstverlag Dr. Frühwald in Sennfeld 1991. – Der Herausgeber veröffentlicht Franken betreffende Verlautbarungen der Wehrmachtsberichte in Auszügen, stellt aber auch Wehrmachtsberichte aus weit entfernten Fronten dazu. Somit erfährt der Leser, was an der U-Boot-Front am Nordkap geschah, während amerikanische Soldaten gerade den eigenen Wohnort beschossen und eingenommen haben. Es ist ein Buch, das einerseits fasziniert durch die sprachlich trockenen und militärisch knappen Verlautbarungen. Dadurch gewinnt das Buch an Authentizität. Andererseits mag der eine oder andere Leser eine Kommentierung wünschen, wenn der Wehrmachtsbericht allzu heldisch Kriegstaten darstellt oder Fragen aufwirft. Lediglich im Vorwort schreibt der Herausgeber aus eigener Erfahrung, der als 18-Jähriger zum Militär einberufen worden war und 1944 an vorderster Front eingesetzt war: „In den Wehrmachtsberichten wird vom heldenhaften Ringen und dem erbitterten Widerstand der tapferen deutschen Verteidiger ge­sprochen. Wir wollten keine Helden sein, wenn wir trotz der Bombenteppiche oder des Trommelfeuers des Feindes in unseren Stellungen ausharr­ten, oder wenn wir bei unseren ,schwungvollen Gegenangriffen’, wie in den Wehrmachtsberichten zu lesen ist, unseren wenigen Panzern zu folgen hatten, die noch einsatzfähig waren. Es war zunächst das eigene Leben, das jeder im mörderischen Feuer retten wollte. Als die feindlichen Armeen bereits Teile des Deutschen Reiches besetzt hatten, versuchten die Wehrmachtsberichte noch zu beweisen, dass der Siegeswille der Deutschen Wehrmacht unge­brochen sei.“ – Über Kämpfe in Rothenburg wird in diesem Buch nicht berichtet, wohl aber zeigt das Ortsregister (von Alzenau bis Würzburg) nahe Regionen auf wie Ansbach und Uffenheim.

Literatur-TItel-FremdarbeiterHerbert May (Hg.): „Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939-1945“, 334 Seiten, stark bebildert, broschiert, Verlag Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, 2008. – Etwa 200.000 bis 250.000 ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene haben zwischen 1939 und 1945 in Franken arbeiten müssen, darunter ein sehr großer Teil in der Landwirtschaft. Das Buch wirft Schlaglichter auf den Lebens- und Arbeitsalltag der Zwangsarbeiter auf den Bauernhöfen und auch auf den brutalen und gnadenlosen Repressionsapparat des NS-Regimes im Umgang mit den zwangsverpflichteten Ausländern. Doch auch die Nachkriegszeit ist ein Thema, als die Betroffenen in Lagern auf ihre Rückkehr in ihre Heimat warteten. Über 50 Zeitzeugen wurden ausführlich befragt, darunter auch ehemalige Zwangsarbeiter, die nach ihrer Befreiung in Franken geblieben sind und hier Familien gegründet haben. Im Zuge aufwändiger Quellenstudien wurde erstmals versucht, das quantitative Ausmaß des „Arbeitseinsatzes“ der Zwangsarbeiter wie auch der wegen „unerlaubter Beziehungen“ zu deutschen Frauen oder Bagatelldelikten vollzogenen Hinrichtungen von Zwangsarbeitern zu ermitteln –immer bezogen auf den fränkischen Raum. – Mit Rothenburger Befunden.

Literatur-schicksalbuch_2G. Harro Schaeff-Scheefen (Hg.) „Rothenburg ob der Tauber. Schicksal einer deutschen Landschaft“, Halbleinen, 108 Seiten, bebildert, Gebr. Holstein Verlag 1950. – Schon wenige Jahre nach dem Ende des Kriege veröffentlichte der Verlag die aufgeschriebenen Erinnerungen von Zeitgenossen über die Kriegsjahre, die Zerstörung der Stadt und der Dörfer, die Einnahme der Gemeinden durch Amerikaner, den Wiederaufbau der ersten Jahre und die Aufnahme der Flüchtlinge aus dem Osten und dem Sudetenland. Dr. Nerreter, Hans Wirsching, Willi Förster, Pfarrer Dannheimer (Scheinsdorf), Dr. Bayerhöfer haben die Beiträge verfasst, für deren Zustandekommen eine Vielzahl anderer helfend beteiligt waren. Der damalige Oberbürgermeister Friedrich Hörner schrieb im Vorwort: „Wir aber wollen nicht mehr zurück, sondern nur vorwärts sehen und geloben, nicht mit Arbeit und Opfern zu ruhen und zu rasten, bis die uns und unserer lieben Heimatstadt durch den Krieg, an dem wir alle nicht ganz unschuldig sind, geschlagenen Wunden zu unserer Ehre und zur Freude unserer Mitwelt  und unserer Aller Nachkommen wieder geheilt sind.“ – Anlässlich des 60. Jahrestages der Bombardierung der Stadt (2005) ist ein Nachdruck des Buches, erschienen im Rotabene Medienhaus Rothenburg, wieder erhältlich. Der Nachdruck des Buches enthält neben den Listen der Gefallenen und Vermissten aus Rothenburg und dem Umland zusätzlich ein Kapitel über den Wiederaufbau der Stadt.

Dwyer-BuchtitelWilliam M. Dwyer: „So long for Now. World War Memoir”, hgg. von Marge Dwyer, Xlibris Corp. 2009, geb. Ausgabe, 246 Seiten, in englischer Sprache. –   Im Zweiten Weltkrieg diente er als „Stars & Stripes“-Korrespondent in der 4. US-Infanterie-Division in Belgien, Luxemburg und Deutschland (oft zusammen mit „Collier“-Korrespondent Ernest Hemingway). Er war Mitglied einer Sechs-Mann-Parlamentärdelegation, die in Rothenburg ob der Tauber mit dem deutschen Stadtkommandanten erfolgreich das kampflose Einrücken der Amerikaner durch Abzug der deutschen Truppen verhandelten, damit die Stadt mit ihren mittelalterlichen Türmen und Mauern erhalten bleibt. Veranlasst wurde die durch den US-Minister John J. McCloy, der das mittelalterliche Ambiente Rothenburg kannte. Für diese Aktion wurde Dwyer mit dem Bronze Star ausgezeichnet. Trotz der geschilderten Kriegserlebnisse als Korrespondent mit Tod und Zerstörung ist es ein erfrischendes Buch, weil der Autor, Katholik mit irischer Abstammung, viele Erinnerungen an seine Heimat Trenton (USA), seine Kindheit am Delaware-River und seine Familien- und Liebesgeschichte mit einfließen und es auch nicht an Humor fehlen lässt. Der Autor hatte ein erfülltes Leben und seine amüsante und manchmal auch respektlose Sicht auf das Leben.

LIT-Kind versprich mir HuberFlorian Huber: „Kind, versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang er kleinen Leute 1945“, 303 Seiten, Schutzumschlag, Berlin Verlag im Piper Verlag, Berlin 2015. – Monatelang brandete 1945 eine Selbstmordwelle durch Deutschland, die Tausende, Frauen, Männer und Kinder, in den Untergang riss. In welchen Abgrund hatten die Menschen geblickt, dass sie angesichts der Befreiung vom Dritten Reich nur im Tod einen Ausweg sahen? Aus der Sicht derer, die das unfassbare Geschehen selbst miterlebt haben, erzählt der Historiker Florian Huber von dem größten Massenselbstmord der deutschen Geschichte und seiner Verdrängung durch die Überlebenden. Am 30. April 1945 schoss sich Adolf Hitler in Berlin eine Kugel in den Kopf. Zur selben Zeit strömten im Städtchen Demmin beim Einmarsch der Roten Armee hunderte Menschen in Flüsse und Wälder, um sich dort umzubringen. Ganze Familien wurden ausgelöscht, Eltern töteten ihre Kinder. Demmin ist nur ein Beispiel unter vielen: Eine Selbstmordepidemie ergriff tausende Menschen im ganzen Land. Basierend auf Tagebüchern, Briefen, Berichten und Erinnerungen erzählt dieses Buch erstmals vom Untergang der kleinen Leute. Die Massenselbstmorde von 1945 sind ein bis heute verdrängtes Kapitel der Zeitgeschichte, für die seelischen Wunden, die Überlebende und Angehörige davontrugen, interessierte sich jahrzehntelang niemand. Beidem, der Selbstmordwelle wie dem Schweigen, Verdrängen und Vergessen, lag dasselbe Motiv zugrunde, die Flucht vor dem Unerträglichen. Die tieferen Ursachen aber verbargen sich in der Innenwelt der Deutschen, die zwölf Jahre lang im emotionalen Ausnahmezustand gelebt hatten. Florian Huber entwickelt die Geschichte der Gemüts- und Gedankenwelt der Menschen im Dritten Reich im Wechsel von historischer Reportage und Mentalitätsstudie – ein fesselnder Blick auf die Gefühle der kleinen Leute, die in ihren Untergang marschierten.
Pressestimmen: „Lange wollte niemand die Geschichte des Untergangs dieser ,kleinen Leute’ erzählen. Florian Huber hat es nun getan – faktenreich, aber vor allem sehr anschaulich. Ein Blick in die zerstörten Seelen der Stunde Null“ (NDR „Kultur aktuell“). – „Aus Scham, das NS-Regime unterstützt zu haben, aus Angst vor Racheakten, aber auch aus Angst vor den heranrückenden Soldaten der Roten Armee haben sich Tausende Deutsche umgebracht. Allein in dem kleinen norddeutschen Städtchen Demmin waren es hunderte, die sich erschossen, erhängten, oder – oft gemeinsam mit ihren Kindern – ins Wasser gingen“ (WDR 3 „Resonanzen“). – „Als der Krieg verloren war, begingen Tausende von Deutschen Selbstmord. Bis heute ein Tabuthema. Nun ergründet der Publizist Florian Huber die Suizide in einer historischen Reportage und Mentalitätsstudie“ (ORF „Kulturmontag“).

Literatur-Titel-ZertörrungVerein Alt-Rothenburg (Hg.): „Rothenburg ob der Tauber 1945. Zerstörung und Kriegsende“, Einleitung von Thilo Pohle, broschiert, 120 Seiten, SW-Fotos und Farb-Aquarelle, Verlag des Vereins Alt-Rothenburg, 2004 (Neudruck, 2. Aufl., ursprünglich 1995 als Jahresgabe für Mitglieder herausgegeben). – Der Verein Alt-Rothenburg hat mit mehreren Veröffentlichungen sich dem Kriegsgeschehen und den damit verbundenen Schicksalen seiner Einwohner gewidmet. Das verdient Respekt, denn nach anfänglicher zeitnaher Publikation über die Bombardierung und den Wiederaufbau hat sich doch jahrzehntelang nichts Wesentliches getan. 20… erschien ein umfassendes Werk von Joshua Hagen über Rothenburg in der NS-Zeit und Daniel Bauers Dissertation zum gleichen Thema wird 2014 erscheinen.  Thilo Pohle beginnt seine Einleitung mit der Feststellung: „Wir stehen am Beginn einer umfangreicheren historischen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus“ und beendet sie mit erhobenem Zeigefinger, wenn er schreibt: „Allzu schnelle Schuldzuweisungen sind – ein halbes Jahrhundert danach – nicht sehr hilfreich. Gerade die Zeit des Nationalsozialismus verlangt von uns, dass wir uns vor Pauschalurteilen hüten. Sonst wird –ehe wir uns versehen – aus einem Täter ein Opfer und aus einem Opfer ein Täter. Nur wenn wir genau hinsehen, entdecken wir auch in dieser, so gefährlichen Zeit Menschen, die uns durch ihren Mut, ihre Zivilcourage und Gradlinigkeit ein Vorbild sein könnten, auch in Rothenburg.“ – Wer allerdings in Rothenburg solche Vorbilder sucht, mag vergeblich suchen. In dem kleinen aber feinen Band findet der Leser umfassende Informationen über die Zerstörung der Stadt am 31. März 1945 und das Kriegsende in Rothenburg am 17. April.  Sehr schön ist der Teil mit farbiger Bebilderung der Ruinen historischer Gebäude, die der Maler Willi Foerster in den Krieg- und Nachkriegsjahren (1944-1948) in Aquarellen festgehalten hat.

LIteratut-LauterbachHanns Jürgen Berger / Tobias Lauterbach: „Rothenburg ob der Tauber – Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg“, TB, 2 Bände, 733 Seiten, Verlag des Vereins Alt-Rothenburg, 2009.  – Rothenburg galt vor dem Zweiten Weltkrieg als ein mittelalterliches Juwel unter den deutschen Städten. Ein amerikanischer Luftangriff am 31. März 1945, der große Teile der Altstadt in Schutt und Asche legte, hätte das Ende des Rothenburg-Mythos bedeuten können. Man hätte die Stadt auch anders, moderner aufbauen können… Berger und Lauterbach ist es zu verdanken, dass sie im Rahmen ihre Masters-Arbeit die Rothenburger Verhältnisse nach 1945, die durchaus kontroversen Zielsetzungen des Wiederaufbaus, die Rolle kommunaler und staatlicher Institutionen und nicht zuletzt den entscheidenden Anteil des den Rothenburgern hilfreichen und zugleich vom Staat „verordneten“ Architekten … Florin aus den Quellen sauber erforscht und gut lesbar dargestellt haben. Mit (dieser) Arbeit … wird der Rothenburger Wiederaufbau erstmals wissenschaftlich solide und mit einem umfangreichen Katalog- bzw. Bildteil, der ja auch der Beginn eines „Rothenburger Häuserbuchs“ ist, aufgearbeitet… (Bernhard Mall, aus dem Vorwort des Buches).

Literatur-Bosl-AlthausUte Althaus: „NS-Offizier war ich nicht. Die Tochter forscht nach“, kartoniert, 300 Seiten, Haland & Wirt im Psychosozialverlag Gießen, 2006. – Es ist das Buch über den Lufwaffenoberst und Kampfkommandant Dr. Ernst Meyer, der 1945 in Ansbach den Studenten Robert Lippert eigenhändig erhängte, obwohl die Amerikaner schon in Sichtweite standen. Lippert wollte, dass Ansbach kampflos übergeben wird. Nach dem Krieg wurde Meyer zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Tochter hat über ihren Vater dieses Buch geschrieben. Die eigene Mitläufer- und Mittäterschaft wurde von den meisten Anhängern und Nutznießern des Nationalsozialismus nach dem Krieg geleugnet: niemand hatte etwas mit diesem mörderischen System zu tun gehabt – ein Mythos, der sich bis heute in vielen Familien hält. Anhand von Zeitdokumenten rekonstruiert Ute Althaus die Geschichte ihres Vaters, eines intelligenten jungen Universitätsassistenten aus einer angesehenen Professorenfamilie. Sie findet heraus, dass ihr Vater in der nationalsozialistischen Bewegung die Chance sah, seinem autoritären Elternhaus zu entfliehen und als Mitglied der „Herrenrasse“ jemand zu sein. In der hierarchischen Partei war seine Individualität jedoch genauso wenig gefragt wie in seiner Familie, dafür wurde ihm für diese Selbstaufgabe Erfolg und Macht versprochen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 28. August 2006: „Für persönlich und symptomatisch zugleich hält Ursula Frey Ute Althaus’ Buch über ihren Vater. Kein Wunder, ist die Autorin doch nicht nur Tochter eines NS-Verbrechers, sondern auch Psychologin. Das Nachforschen in der Vergangenheit des Vaters geschieht „mit wissenschaftlicher Akribie“, der Hass des Vaters, der ihn zum Mörder macht, wird, so teilt die Rezensentin mit, (klassisch freudianisch) mit einer verkorksten Kindheit erklärt. Dass es Althaus um eine sachliche Schuldanalyse zu tun ist und nicht etwa um eine familiäre Abrechnung, rechnet Frey der Autorin hoch an, um so mehr, als sie das Buch trotzdem „packend“ und „verständlich“ geschrieben findet. Die abgedruckten Briefe der Eltern scheinen dem Ganzen zudem eine Authentizität zu verleihen, die das Symptomatische des Falls sichtbar macht. Frey jedenfalls hat es derart aufgerüttelt dass sie sich noch mehr tiefenpsychologische Familienforschung wünscht. Roland Kaufhold in „Newsletter Politische Psychologie“: „Die biographische Studie in der eigenen Familie zeigt, wie ein junger Universitätsassistent aus einer angesehenen Professorenfamilie durch Mitmachen in der NS-Bewegung eine Möglichkeit ergriff, sich dem autoritären Elternhaus zu entziehen und als Mitglied der ,Herrenrasse’ persönliche Geltung zu beanspruchen. Die Partei forderte für hierarchische und ideologische Unterwerfung ebenfalls den Verzicht auf Individualität, bot dafür jedoch Aussichten auf Erfolg und Macht…“

Literatur-Gestapo-Terror-TitelEric A. Johnson: „Der nationalsozialistische Terror. Gestapo, Juden und gewöhnliche Deutsche“, aus dem Englischen von Udo Rennert, 637 Seiten, Siedler Verlag Terror, Berlin 2000. – Terror stand im Zentrum der nationalsozialistischen Diktatur. Ohne Terror, so die landläufige Meinung, hätte das Regime sich nicht halten können. Die Angst vor der Gestapo habe die Bevölkerung diszipliniert. Diese Sicht lässt sich nicht länger halten, meint der Historiker Eric A. Johnson. In seiner gut recherchierten Untersuchung über die Gestapo zieht er ganz neue Schlüsse. Die Nationalsozialisten herrschten nicht durch Terror, und der Terror hat das Leben der meisten Deutschen nicht berührt. Der Terrorapparat, der von der Parteiführung in Berlin in Gang gesetzt wurde, arbeitete vielmehr „selektiv“. Er richtete sich fast ausnahmslos gegen Juden und andere, die dezidiert als „unerwünscht“ oder als Feinde des Regimes betrachtet wurden: Kommunisten, Sozialisten, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Geistliche, Roma und Sinti, Behinderte und „Gewohnheitsverbrecher“. Die Gestapo war mitnichten omnipräsent, sondern eine relativ kleine Organisation mit wenigen Mitarbeitern und Spitzeln. Dass sie trotzdem so effektiv war, lag an der Kooperation und freiwilligen Mitwirkung weiter Kreise der gewöhnlichen Bevölkerung, die kaum oder gar nicht unter dem nationalsozialistischem Terror zu leiden hatten. Im Gegenteil. Diese kontrollierten sich selbst. Gestützt auf mehr als 1.100 Fälle aus Gestapo- und Justizakten in uns um Köln sowie zahlreiche Interviews mit Tätern, Opfern und anderen Zeitzeugen, beleuchtet Johnson die Struktur des Terrorapparats und das Spektrum der Opfer, schildert die Täter und ihre Taktiken. Die beunruhigenden Fragen, die er dabei aufwirft, zielen direkt auf den Kern der Debatte, die seit Goldhagen die Gemüter erregt: In welchem Maß und aus welchen Motiven wurden gewöhnliche Deutsche schuldig an den Verbrechen, die andere für sie, nein: mit ihnen begingen? Der Autor ist Professor für Geschichte an der Central Michigan University und Mitglied des Princeton University’s Institute für Advanced Study.

Literatur-Gestapo-TitelRobert Gellately: „Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933-1945“, aus dem Englischen von Karl und heidi Nicolai, 323 Seiten, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 1993. –Der Name „Gestapo“ steht gleichbedeutend für Staatsterror und Unterdrückung. Die Geheime Staatspolizei des „Dritten Reiches“ erwarb sich in kürzester Zeit den Ruf von Rücksichtslosigkeit und Brutalität, und ihre Effizienz, wenn es darum ging, „Volksfeinde“ aller Art zu verfolgen und die NS-Ideologie in der Praxis durchzusetzen, verbreitete zwischen 1933 und 1945 überall in Deutschland Furch und Schrecken. Robert Gellately zeigt erstmals (1993), mit welchen Mitteln Himmlers und Heydrichs Geheimpolizei tatsächlich arbeitete und wie sie mit Beihilfe zahlloser deutscher „Volksgenossen“ auch zum Erfolg kam. Er zeigt dies am besonders sensiblem Beispiel der Rassenpolitik: am der Verfolgung der deutschen Juden und an der Überwachung der während des Kriegs ins Deutsche Reich verschleppten polnischen Zwangsarbeiter. Anhand vieler konkreter Schicksale demonstriert der Autor, wie die Staatsmacht bis tief in die Privatsphäre der Bürger, bis in ihr Familien- und Sexualleben hinein vorzudringen vermochte. Und er zeigt die Folgen für die Opfer. Vornehmlich beschreibt er die lokale Organisation der Gestapo und Polizei in Würzburg und Unterfranken, dortige antisemitische Aktionen, „Rassenschande“ und „Judenfreundschaft“ in den Akten der Würzburger Gestapo sowie Denunziationen in Unterfranken. – Robert Gellately, geboren 1943 in Neufundland, ist Inhaber der Professur für die Geschichte des Holocaust am Center for Holocaust Studies, Clark University, USA.

Literatur-Gestapo-Taschenbuch-TitelJochen von Lang unter Mitwirkung von Claus Sybill: „Die Gestapo. Instrument des Terrors“, Heyne-Taschenbuch, München 1990. – In diesem sorgfältig recherchierten Werk deckt der Autor die Struktur dieser geheimen Organisation auf und beschreibt ihre Verbrechen an den recht- und schutzlosen Opfern. Der Leitspruch „Führer befiel, wir folgen“ galt in keiner Formation der NSDAP zwingender als in der SS. Sie wiederum beherrschte mit ihrer Ideologie programmatisch die Gestapo. Damit war für Gestapo-Beamte das Nachdenken über den Sinn ihres Tuns überflüssig. Wäre es dem Führer Adolf Hitler oder auch Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS, eingefallen, die Glatzköpfigen oder die Plattfüßigen als Staatsfeinde zu verfolgen, so überspitzt der Mitautor Claus Sybill im Vorwort, hätten die Schergen auch diese mit „unerbittlicher Härte“ gnadenlos gejagt, wie der Jargon es vorschrieb. Sich mit den Opfern zu beschäftigen und von ihren Leiden und Schicksalen zu erzählen schien dem Autor nicht minder wichtig wie die Darstellung der Schergen. Aus dem Vorwort: „Es mag sein, dass dieses Konzept von einigen aus der Gilde der Zeitgeschichte als unwissenschaftlich abgelehnt wird, wie dies dem Autor gelegentlich schon vorgeworfen wurde, weil er in seinen Büchern soweit wie möglich auf Quellenhinweise, Fußnoten und andere Auseinandersetzungen mit Meinungen von Fachkollegen verzichtet. Seine Bücher sollen, darum der Verzicht, lesbar bleiben für alle, die sich über das dunkelste Kapitel deutsche Geschichte informieren wollen.“ Im Anhang dieses lesenswerten Buches sind Angaben zur Quellenlage und Quellen dargestellt sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis.

Literatur-Roma-TitelRomani Rose / Walter Weiss: „Sinti und Roma im Dritten Reich – Das Programm der Vernichtung durch Arbeit“, Taschenbuch, herausgegeben vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, 201 Seiten, Lamuv Verlag, Göttingen 1991. – Zur planmäßigen Durchführung des nationalsozialistischen Völkermords aus Gründen der „Rasse“ an den Sinti und Roma im besetzten Europa gehörte das Programm der „Vernichtung durch Arbeit“. Der für den Völkermord am jüdischen Volk verwendete Begriff der Einmaligkeit trifft genauso für diesen Holocaust an den Sinti und Roma zu. Als Sklavenarbeiter wurden sie Opfer dieses Vernich­tungsprogramms in den Konzentrationslagern Mauthausen, Buchenwald, Flossenbürg, Natzweiler und Groß-Rosen sowie in SS-Unternehmen und in den Rü­stungsbetrieben von Siemens, Daimler-Benz, AEG, Heinkel, Messerschmitt, BMW, VW, IG Farben, Steyr-Daimler-Puch und anderen. Sinti und Roma wurden bereits im Jahr 1938 nach den ersten umfangreichen Deportationen zum Aufbau von Konzentrationslagern und nasch Himmlers so genannten „Festschreibungserlass“ im Jahr 1939 zur Sklavenarbeit von täglich 12 bis 15 Stunden herangezogen. Die Verpflegung war völlig unzureichend. Sie führte nach wenigen Wochen zur Unterernährung, Krankheit und Entkräftung und zum sicheren Tod. Hinzu kamen tausende von Sklavenarbeitern, die von der SS bei der Arbeit misshandelt, erschlagen, erhängt und erschossen wurden. Nach  dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden  Sinti und Roma  systematisch um ihre berechtigten Entschädigungs- und Wiedergutmachungsansprüche betrogen. Die jahrzehntelange Verdrängung des planmäßigen Völkermords hat bis heute eine rechtliche und soziale Benachteiligung zur Folge. Diese bislang verdrängten Verbrechen sind hier erstmals (1991) umfassend mit Dokumenten und Aussagen von überle­benden Sinti und Roma dargestellt.

LIT-LagerbordellRobert Sommer: „Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern“, 445 Seiten, Schöningh Paderborn 2009 (2. Auflage). – Dies ist die erste Gesamtdarstellung eines Themas, das bislang weitgehend im Verborgenen geblieben ist: die Zwangsprostitution im Lagersystem der SS. Die Forschung hat das wie mit einem Tabu belegte Thema der sexuellen Gewalt im KZ bis heute meist ausgeklammert. Robert Sommer hat für seine Arbeit in allen relevanten Archiven recherchiert, er hat sogar Interviews mit Überlebenden führen können. Sein grundlegendes Buch zeichnet das Bild einer bisher unbekannten Realität des Schreckens. Auf Befehl Himmlers wurden ab 1942 in den größten Konzentrationslagern, u. a. in Dachau und Auschwitz, in Mauthausen und Buchenwald, in Mittelbau-Dora und Sachsenhausen, Bordelle für Häftlinge eingerichtet. Der Bordellbesuch war als Anreiz zur Steigerung der Arbeitsleistung der in das System der Kriegswirtschaft eingebetteten Arbeitssklaven in den Lagern gedacht. Die „Prämie“ blieb allerdings ausschließlich „arischen“ Häftlingen vorbehalten. Für die Bordelle rekrutierte die SS weibliche Häftlinge aus Ravensbrück und Auschwitz-Birkenau, meist mit falschen Versprechungen oder unter Zwang. Die umfassende Darstellung beschreibt detailliert die Gründe für die Einrichtung der Lagerbordelle, ihre Funktion im System der Konzentrationslager, die Organisation des Bordellbetriebs, die Reaktionen der Häftlingsgesellschaft auf die „Sonderbauten“ – so die offizielle Bezeichnung der Bordelle –, die Lebensbedingungen und die Überlebensstrategien der Frauen, die Motive der Bordellbesucher sowie den Ablauf ihrer Besuche. Darüber hinaus stellt der Autor die Lagerbordelle in den Kontext der Erscheinungsformen und der Bedeutung von Sexualität im KZ.

Literatur-Beitz-Schmalhausen-TitelDr. jur. Bernd Schmalhausen: „Berthold Beitz im Dritten Reich. Mensch in unmenschlicher Zeit“, 110 Seiten, bebildert, Verlag Pomp, Essen 1991. –Im Juli 1941 kommt der damals 27 Jahre alte Berthold Beitz als Kaufmännischer Leiter einer Mineralölfirma in die nordgalizische Stadt Boryslaw. Beitz wird Zeuge der dort anlaufenden nationalsozialistischen Judenvernichtung. Ohne zu zögern, stellt er sich diesem Ausrottungsprogramm entgegen. Es gelingt ihm, mehrere Hundert Juden in buchstäblich letzter Minute aus den für das Vernichtungslager Belzec bestimmten Todeszügen zu befreien, indem er sie als angeblich unentbehrliche Fachkräfte von der SS herausverlangt. Unter größter persönlicher Gefahr versorgen Berthold Beitz und seine Ehefrau Ilse die jüdischen Menschen heimlich mit Lebensmitteln. Gerettete Juden, die nach 1945 in den USA lebten, haben ihm deswegen den Ehrentitel „Wallenberg of Boryslaw“ verliehen. In der Tat gibt es Parallelen zwischen dem schwedischen Diplomaten, dessen Spur sich in den sowjetischen Lagern verlor und dem ungarische Juden in Budapest ein Denkmal gesetzt haben. Zahlreiche Juden rettet er durch Ausstellung falscher Arbeitsbescheinigungen vor dem sicheren Tod, andere versteckt er in seinem Privathaus. Wegen dieser mutigen menschlichen Haltung gegenüber den verfolgten Menschen erhielt der 1953 zum Generalbevollmächtigten des Krupp-Konzerns avancierte Berthold Beitz in Israel und Polen höchste Auszeichnungen. – Dr. Bernd Schmalhausen (Jahrgang 1949) war bis zur Pensionierung Staatsanwalt in Essen und hat sich durch zahlreiche Veröffentlichungen zum Nationalsozialismus einen Namen als Justizhistoriker gemacht.

Literatur-Beitz-TitelJoachim Käppner: „Berthold Beitz. Die Biographie“, mit einem Vorwort von Altkanzler Helmut Schmidt, 622 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2010. – Berthold Beitz (gestorben 2013) hat Zeitgeschichte geschrieben. An der Spitze des Krupp-Konzerns war er über Jahrzehnte einer der einflussreichsten Männer der deutschen Wirtschaft, für den soziale Verantwortung stets im Mittelpunkt stand. Seit den fünfziger Jahren machte er Krupp wieder zu einem weltweit anerkannten Unternehmen. Beitz’ Leben ist geprägt von mutigem, entschiedenem und oft einsamem Handeln, ein Handeln, wie es nur eine große innere Freiheit möglich macht. Gleich zu Beginn seiner Karriere zeigt Beitz wahren Heldenmut: Als Direktor der „Karpathen-Öl“ stellt sich der damals junge Familienvater im besetzten Polen SS-Einheiten in den Weg, die 1942 jüdische Zwangsarbeiter in die Konzentrationslager verschleppen wollen. Beitz deklarierte die Verzweifelten als „kriegswichtige Arbeitskräfte“ und rettete so Hunderten Juden das Leben. Berthold Beitz hat nicht nur den Krupp-Konzern umgewandelt und deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben, sondern ist vor allem eine der größten Persönlichkeiten unserer Zeit. Der Historiker Joachim Käppner hat eine Biografie über Beitz geschrieben, in der das Leben und Wirken Berthold Beitz’ umfangreich und äußerst lesenswert aufarbeitet ist. „Mit jeder Seite taucht der Leser tiefer ein in das Buch; es ist unmöglich, sich vom imposanten Lebenslauf des Krupp-Generalbevollmächtigten nicht fesseln zu lassen. Im Hintergrund läuft dabei stets ein Film zur deutschen Wirtschaftsgeschichte mit: das tragische Ende der Unternehmerdynastie Krupp, der Wiederaufbau der Montanindustrie, die Durchsetzung der Mitbestimmung, die Krisen von Kohle und Stahl sowie die politische Entwicklung der alten Bundesrepublik. Konrad Adenauer etwa mochte Beitz nicht, weil der mitten im Kalten Krieg geschäftliche Kontakte in den Ostblock knüpfte. Gegen große Anfeindungen unterstützt Beitz später Willy Brandts Ostpolitik – auch zum Nutzen seines Unternehmens. Früh schloss Beitz zudem ein Abkommen mit der Jewish Claims Conference und wurde damit zum Wegbereiter der Zwangsarbeiterentschädigung. Man kann diesen Lebensbericht als spannende Biografie lesen.

LIteratur-TitelPropagandaOtto Thomae: „Die Propaganda-Maschinerie. Bildende Kunst und Öffentlichkeitsarbeit im Dritten Reich“, TB, 579 Seiten, Gebr. Mann studio-Reihe, Berlin 1978. – Der Autor untersucht die Propagandamethoden des Dritten Reichs am Beispiel der bildenden Kunst. Er stellt ihre Strangulierung und Reglementierung durch die Lenkungsarbeit des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und anderen Ministerien sowie die davon beeinflusste Presseberichterstattung dar. In jahrelangem Quellenstudium wurden die bisher vernachlässigten Akten durchforscht, in denen sich unverstellt nationalsozialistische Propagandaziele nachweisen lassen. In ihnen spiegelt sich das reibungslose Funktionieren des Herrschaftsapparats trotz seiner vielen Widersprüche. Die Propaganda-Maschinerie zeigt ihr wahres Gesicht! Erhaltene Pressesammlungen im Bundesarchiv und auch in anderen Instituten belegen die Presselenkung und beweisen den hohen politischen Stellenwert, den das Dritte Reich der kulturellen Produktion gab. Ihre Verwertbarkeit wurde stark von der jeweiligen politischen Entwicklung („Stimmungslage“) beeinflusst und hatte als Aushängeschild für das Ausland besondere Bedeutung. Die Akteure auf der NS-Kunstszene – Künstler, Journalisten, Funktionäre – werden dokumentarische erfasst und ihrer Bedeutung entsprechend in den politisch-propagandistischen Verwertungszusammenhang gestellt. Dies leitet allerdings keine Verharmlosung damaliger Werke und Taten ein, sondern zeigt vielmehr deren Missbrauch auf und belegt ihre beliebige Verfügbarkeit.

Literatut--KershawIan Kershaw: „Das Ende. Kampf bis in den Untergang – NS-Deutschland 1944/45“, 704 Seiten, Deutsche Verlags-Anstalt 2011 (4. Aufl.). – Das Dritte Reich kämpfte nicht nur bis zum bitteren Ende, bis zur totalen Niederlage, es funktionierte auch bis zum Schluss. Bis die Rote Armee vor den Pforten der Reichskanzlei stand, wurde die öffentliche Ordnung in Deutschland, das täglich ein Stück mehr unter alliierte Besatzung geriet, weitgehend aufrechterhalten. Löhne wurden bezahlt und die Verwaltung lief weiter, wenngleich unter großen Schwierigkeiten. Die Gründe dafür, warum Hitlers Deutschland militärisch zusammenbrach, sind bekannt, die Frage, wie und warum das Dritte Reich bis zum Schluss funktionierte, ist dagegen bis heute nicht beantwortet. Zentral bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie das Regime bis zum Ende durchhalten konnte, so der renommierte NS-Historiker Ian Kershaw, ist Hitlers Art der charismatischen Herrschaft. – Ein Kapitel wird dem Studenten Robert Limpert gewidmet, den ein Standgericht in Ansbach wegen Sabotage in den letzten Stunden bevor die Amerikaner einrückten aufgehängt haben, keine SS, sondern ein Luftwaffenoberst eigenhändig.

Literatut-Bosl-JerusalemPeter Herde / Benjamin Keder: „A Bavarian Historian Reinvent Himself: Karl Bosl and the Third Reich“, 162 Seiten, in englischer Sprache, Jerusalem Hebrew University, Grefen-Books 2011. – Der prominente Historiker Karl Bosl, der während des Zweiten Weltkriegs Gymnasiallehrer in Ansbach war, hatte nach dem Krieg behauptet, dass er kritisch zu den Nazis stand und in einer kleinen Gruppe aktiv Widerstand geleistet habe. Eines der Mitglieder dieser Gruppe, Robert Limpert, wurde wenige Stunden vor Einmarsch der Amerikaner in Ansbach vom Wehrmachtskampfkommandanten eigenhändig aufgehängt, weil er ein Kabel der bereits abrückenden Wehrmacht durchgeschnitten hatte. Die vorliegende Studie, die auf einer großen Anzahl von unveröffentlichten offiziellen und privaten Dokumenten beruht, belegt, dass Karl Bosls Einlassungen nicht stimmten und zeigt die vielfältigen Verbindungen des Gymnasiallehrers zum Nazi-Regime. Noch Ende 1944 hielt Bosl in Ansbach einen „mitreißenden Durchhalte-Vortrag“ vor der Nazi-Führung Ansbach, in dem er den Kampf für die den Nationalsozialismus und die Erhaltung von Hitlers Großdeutschem Reiches pries. Ein halbes Jahr später verurteilte er am Grab des ermordeten Studenten den Nationalsozialismus. Die Dokumente belegen auch, wie es Bosl gelang, bei seiner Entnazifizierung die Spruchkammer Ansbach zu überzeugen, dass er sein Leben im Widerstand gegen die Nazis riskiert hatte. Dabei log er vor, dass die Widerstandtaten des ermordeten Studenten Limpert er vollbracht hätte. In einer ausgezeichneten Detektivarbeit liefern Benjamin Kedar und Peter Herde in diesem Buch einen faszinierenden und forensischen Abriss der Geschichte des Karl Bosl, der zu einem der prominentesten Historiker Bayerns der Nachkriegszeit geworden ist.

Literatur-Titel-BrettheimJürgen Bertram: „Das Drama von Brettheim. Eine Dorfgeschichte am Ende des Zweiten Weltkriegs“, 181 Seiten, Fischer TB Frankfurt 2005. – Im ländlich-bäuerlichen Idyll der deutschen Provinz spielt sich in den letzten Kriegstagen ein Drama ab, das den Wahn­sinn des NS-Regimes verdeutlicht: Am 7. April 1945 marschieren vier schwer bewaffnete Hit­lerjungen, die gegen die herannahenden Amerikaner kämpfen sollen, in Brettheim ein. Einige couragierte Bürger entwaff­nen die Kindersoldaten, damit ihr Dorf nicht im sinnlosen Kampf zerstört wird. Doch ihr entschlossenes Eingreifen hat verhängnisvolle Folgen: Die SS verurteilt drei Dorfbewohner zum Tode. Wenige Tage später verhindern die deutschen Be­fehlshaber die kampflose Übergabe des Dorfes an die Amerikaner. Statt den ersehnten Frieden zu bekommen, verwandelt sich Brettheim durch die Bombardierung amerikanischer Truppen in ein Inferno. – Das Buch zeigt nicht nur die Spannungen innerhalb der Dorfgemeinschaft in diesen letzten Kriegstagen auf, sondern auch die vom Untergang geprägte radikale Stimmung einer SS-Gruppe, deren Offiziere in den Prozessen nach der Kapitu­lation weitgehend ungeschoren davonkamen. Am Beispiel Brettheim wird der juristische, moralische und politische Umgang mit der nationalsozialistischen Vergan­genheit im Nachkriegsdeutschland ebenso deutlich wie das Bemühen einer kleinen Gemeinde, sich vom Trauma der Ver­gangenheit zu befreien. Der Autor hat die Brettheimer dabei beobachtet, wie sie sich ihrer Vergangenheit stellen. Sei­ne Einschätzung: Dieses Dorf in Hohenlohe könnte der deut­schen Provinz als Vorbild dienen. – Jürgen Bertram, Jahrgang 1940, war Mitarbeiter der Deut­schen Presseagentur, des „Spiegel“, des Fernsehmagazins „Panorama“ und als Auslandskorrespondent 13 Jahre für die ARD in Asien. Er hat erfolgreiche Sachbücher zu Politik, Kul­tur und Medien veröffentlicht.

Merkl_GenSimon_Cover_3. Aufl.inddFranz Josef Merkl: „General Simon. Lebensgeschichten eines SS-Führers. Erkundungen zu Gewalt und Karriere, Kriminalität und Justiz, Legenden und öffentlichen Auseinandersetzungen“, Wiener-Verlag Augsburg 2010, 600 Seiten. – Die in fast allen Lebensgeschichten Simons unübersehbar enge Verbindung von exzessiver, oft krimineller Gewalt mit gleichzeitigem Statusgewinn legt eine Orientierung an der neuen Täterforschung nahe Simons enge Kooperation mit der Wehrmacht und das spätere Eintreten ranghoher Offiziere für ihn ermöglichten zudem einen Blick auf das gar nicht so schlechte Verhältnis zwischen Wehmacht und Waffen-SS. Der Umgang der Nachkriegsjustiz mit ihm zeigt die vergangenheitspolitische Milde der jungen Bundesrepublik. Max Simons schärfster Gegner wurde die deutsche Öffentlichkeit, die den Mord an ihren Brettheimer Landsleuten geahndet sehen, aber von seiner Rolle im KZ-System und während des Krieges nichts wissen wollten. Trotzdem brachte der Streit um Simons deutsche Opfer die Diskussion um die „unbewältigte Vergangenheit“ wesentlich voran. Max Simon wurde Mitte der 1950er-Jahre zwar angeklagt, aber freigesprochen. Erstarb 1961 während der Revisionsverhandlung. Harald Zigan in „Hohenloher……“: „Es gab gnadenlose Befehlshaber vom Schlage eines Max Simon: Hohenlohe hatte das entsetzliche Pech, dass dieser Massenmörder in Uniform als Chef des XIII. SS-Armeekorps seine kurze, aber blutige Schreckensherrschaft im Land zwischen Tauber und Jagst errichtete. Dr. Franz Josef Merkl aus Augsburg hat die Vita dieses Mannes exzellent recherchiert (…)  Mit gerade mal 5.000 Soldaten und einer Handvoll Panzer glaubte der SS-Generalleutnant, an der „Hauptkampflinie Jagst“ die haushoch überlegene US-Armee aufhalten zu können.“ – Mit RothenburgerBefunden.

Literatur-VolkssturmbataillonHanns Baron Freytag von Loringhoven: „Das letzte Aufgebot des Teufels. Dramatischer Einsatz des Volkssturmbataillons 7/108 Franken“, 160 Seiten, Selbstverlag des Autors, o. O. (Ansbach), o. J. (1965). – Der Titel dieser Kriegserinnerung an die letzten Monate vor dem Ende des NS-Regimes sowie die Schilderungen der Endkämpfe gegen die Sowjets an der Oder bei Frankfurt sind voller Emotionalität und aus dem eigenen Erleben des Autors geschrieben. Er war als Hauptmann Adjutant des Bataillonsführers. Was er als solcher persönlich erlebte und bewertete vermischt er allzu sehr mit Fakten. Allerdings bestechen die Texte durch ihre Authentizität und machen das Buch wichtig. Letztendlich kämpften sich die von der NSDAP aufgestellten und überwachten Volkssturmmänner an der Oder und den Seelower Höhen ab, hatten stets Verdruss nicht nur mit den übermächtigen Russen, sondern auch mit den übergeordneten SS- oder Wehrmachtsstäben ausgeliefert waren. Zum Volkssturmbataillon Franken gehörten Studienräte, alternde Erste-Weltkrieg-Teilnehmer, Kranke und Behinderte sowie bislang vom Kriegsdienst verschonte Parteibonzen. Diese Männer dachten an nichts anderes, als zu ihren Familien zurückzukehren, die den Luftangriffen der Westalliierten in Franken ausgesetzt waren. Einer von ihnen, der Rothenburger Johann Rößler, packte seinen Rucksack und machte sich unerlaubt auf den Weg nach Hause. In Rothenburg angekommen, beteiligte er sich an Schanzarbeiten, bis ihn seine Desertion einholte und er auf dem Rothenburger Friedhof von der SS erschossen wurde. Neben der Emotionalität des Autors, der seine Texte als Ansprache an seine Kameraden verfasste, ist auch seine Überschwänglichkeit für Wehrmacht und ihren Kampf im Stil der Superlative herauszulesen.

Literatur-Titel-Lexikon WeltkriegReinhard Bart / Friedemann Bedürftig: „Taschenlexikon Zweiter Weltkrieg“, 461 Seiten, mit 29 Karten, Serie Pieper München 2000. – Das Taschenbuch dokumentiert – ge­meinsam mit seinem politischen Gegenstück, dem „Taschen­lexikon Drittes Reich“ von Friedemann Bedürftig – die deutschen Schicksalsjahre 1933 bis 1945. Es weist den Weg zu rascher, präziser und umfassender Information, der von der Fülle der Fachpublikationen überwuchert ist. Schlachten, Waffen, Operationen, Tatorte von Kriegsverbrechen, Heer­führer und Schauplätze bilden die Stichwörter für fakten­dichte Überblicke und gebündelte Antworten auf Fragen zu Details und zu den großen Zusammenhängen. Die auf gute Lesbarkeit bedachten Beiträge schlüsseln das komplexe Ge­schehen der größten militärischen Auseinandersetzung der Weltgeschichte auf und machen die entscheidenden Daten darüber leicht zugänglich. – Reinhard Barth, geboren 1943 in Hamburg, studierte Ge­schichte, Germanistik und Philosophie. Er betreute zahlrei­che historische Werke und verfasst Beiträge für historische Zeitschriften und Lexika. Er lebt als freier Autor in Hamburg und schrieb das „Taschenlexikon Kreuzzüge“. – Friedemann Bedürftig, geboren 1940 in Breslau, studierte Ge­schichte und Germanistik und arbeitete als Lexikonredak­teur, Verlagslektor und Journalist. Unter anderem Autor der modern konzipierten Nachschlagewerke „Taschenlexikon Karl V.“, „Taschenlexikon Dreißigjähriger Krieg“, „Taschen­lexikon Goethe“, „Ta­schenlexikon Deutschland nach 1945“ und „Das Lexikon. Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg“. Er lebt als freier Autor in Hamburg.

Literatur-Flakhlefer414_04556_130570_xxlMalte Herwig: „Die Flakhelfer“, gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 320 Seiten, DVA Sachbuch 2014. – Flakhelfer waren Jugendliche vor allem der Jahrgänge 1926 bis 1928, die in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs noch eingezogen wurden, um die Niederlage NS-Deutschlands weiter hinauszuzögern. Manch ein führender Kopf der Bundesrepublik Deutschland, der dieser Generation angehört, wurde in jungen Jahren als NSDAP-Mitglied geführt. Viele haben das verschwiegen oder vergessen, verleugnet oder verdrängt. Malte Herwig hat die 1945 auf abenteuerliche Weise gerettete Mitgliederkartei der Nazi-Partei gründlich gesichtet und ist auf viele bekannte Namen gestoßen. Herwig, früher Spiegel-Redakteur, heute bei der Süddeutschen Zeitung, erzählt die Geschichte einer schuldlos schuldigen Verstrickung mit der NS-Vergangenheit, in der so bedeutende Persönlichkeiten wie Horst Ehmke, Erhard Eppler, Irving Fetscher, Hans-Dietrich Genscher, Günter Grass, Hans Werner Henze, Walter Jens, Siegfried Lenz, Erich Loest, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann, Dieter Wellershoff und andere besonders engagierte Demokraten eine zentrale Rolle spielen. Dabei entsteht das aufregende Bild einer von Widersprüchen zerrissenen Generation. – Dr. Malte Herwig ist Autor der Online-Dokumentation „Dorsten unterm Hakenkreuz“.

Literatur-Titelseite-WehrmachtWolf Stegemann: „Mythos Wehrmacht“, Vortrag als Broschüre herausgegeben vom Staatlichen Institut für Kriegsdokumentation Amsterdam, Niederlande, 2002, 12 Seiten. – Hitlers Krieg gilt bis heute als der Krieg schlechthin, als Krieg aller Kriege, Er wird zusammen mit dem Judenmord als ein welthistorisches Großereignis wahrgenommen, das eine Art Zeitenwende markiert. – Eine ganze Generation ist durch den Krieg und seine Folgen nachhaltig geprägt worden. Die Wahrnehmungen, Erlebnisse und Erfahrungen der verschiedenen Schicksalsgruppen haben sich allerdings nicht zu einem gemeinsamen, gar realistisch-kritischen Bild vom Krieg und von der Wehrmacht zusammengefügt. Das Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht beispielsweise erzählt eine ganz andere Geschichte als Millionen Kriegsbriefe der Wehrmachtssoldaten.

Literatur-Deserteure-194x300Wolfram Wette (Hg.): „Deserteure der Wehrmacht. Feiglinge – Opfer – Hoffnungsträger? Dokumentation eines Meinungswandels.“ TB 360 Seiten, Klartext Essen 1995. – Die Kernfrage lautet: Kann man den Hitlerschen Unrechtsstaat, den Massenmord an den europäischen Juden und die verbrecherischen Kriege verdammen, was heute bekanntlich Konsens ist, und gleichzeitig denen, die sich diesen Verbrechen entzogen haben, den Deserteuren, den Respekt versagen? Oder müssen wir endlich gemeinsam zu der Ansicht gelangen, dass damals jede Form von Verweigerung eine moralisch gebotene, achtenswerte Haltung darstellte? Dieses Buch gibt dem Leser die Möglichkeit, die einzelnen Etappen dieses Meinungswechsels nachzuvollziehen. Auch Dorstener hatten sich als Deserteure dem Krieg verweigert. Und 1945 war das Dorstener Gefängnis mit Deserteuren überbelegt, von denen etliche nach der großen Bombardierung im März 1945 von SS-Einheiten erschossen wurden.

Literatur-Eisener KreuzFranz Kurowski: „Verleugnete Vaterschaft. Wehrmachtsoffiziere schufen die Bundeswehr“, gebunden, 384 Seiten, Pour le Mérite-Verlag 2000. – Rund 40.000 Offiziere und Unteroffiziere der ehemaligen Wehrmacht dienten in der Bundeswehr, 711 von ihnen waren Inhaber des Ritterkreuzes. Die NATO schätzte sich „glücklich, solche Soldaten in ihren Reihen zu wissen“. Heute versucht die Bundeswehr, jegliche traditionelle Bindung an die Wehrmacht zu stoppen und zu verhindern. Dieses Buch zeigt nur schwach den Widerspruch zwischen der Aufbauleistung der Ritterkreuzträger für die Bundeswehr und deren Ablehnung durch die Bundeswehr. Das Buch ist alles in allem lediglich für militärgeschichtlich interessierte Leser zu empfehlen. Kurowski schildert anfangs kurz und knapp die Entstehung der Bundeswehr und deren Integration in die Nato. Anschließend gibt er in Kurzform die Lebensläufe etlicher ehemaliger Wehrmachtssoldaten wieder, welche anschließend ihren Dienst in der Bundeswehr verrichteten. Und das war’s auch schon, was man über den Inhalt sagen kann. Wer hier eine Analyse der Auseinandersetzung der Bundeswehr mit der Tradition der deutschen Wehrmacht und allgemein der deutschen Militärgeschichte sucht, wird enttäuscht.

Literatur-Titel Krieggefangene-TitelBryan M. Rigg: „Hitlers jüdische Soldaten“, Schöningh Verlag, Paderborn 2003, 457 Seiten, 119 Fotos, 38 Euro. – Der US-Historiker Bryan M. Rigg kam bei einer Untersuchung zu einem überraschenden Ergebnis: Demnach haben rund 150.000 Soldaten jüdischer Abstammung während der Nazi-Herrschaft in der Wehrmacht gedient – entweder mit falschen Papieren oder mit einer Sondererlaubnis Adolf Hitlers. Für sein Buch „Hitlers jüdische Soldaten“ sammelte Rigg Fakten, um zu begreifen, welche Motive Deutsche jüdischer Herkunft hatten, die Uniform eines Regimes zu tragen, das ihre Familienangehörigen im KZ ermorden ließ. Vier Jahre recherchierte Rigg die individuellen Schicksale von über 400 ehemaligen jüdischen Soldaten während des Zweiten Weltkrieges, interviewte sie oder ihre Verwandten. – „Was mich besonders schockierte, war, dass Hitler persönlich Tausende von hochrangigen Offizieren für ,deutschblütig’ erklärte,“ sagte Rigg im TV-„Kulturweltspiegel“. Bei der Luftwaffe beispielsweise hätten es einige jüdische Soldaten sogar bis in Spitzenpositionen geschafft: So sei Generalfeldmarschall Erhard Milch, Sohn eines jüdischen Vaters, auf Betreiben Görings von Hitler „arisiert“ worden. „Milchs jüdische Abstammung war allgemein bekannt. Für die jüdischen Soldaten war das eine große Hoffnung. Sie sagten: So lange ein Halbjude Generalfeldmarschall sein kann, gibt es auch für uns noch Hoffnung.“ Der Historiker beschreibt die absurde Situation vieler jüdischer Soldaten, für die der Dienst in der Wehrmacht die Rettung vor der Gaskammer bedeutete.

Literastur-Brigade-193x300Howard Blum: „Ihr Leben in unserer Hand. Die Geschichte der Jüdischen Brigade im Zweiten Weltkrieg“, Econ Verlag, München 2002; 350 Seiten; 22 Euro. – An Rosch Haschana 1944 gab das britische Kriegsministerium über die BBC folgende Erklärung bekannt: „Die Regierung Seiner Majestät hat die Aufstellung einer Jüdischen Brigade beschlossen, die an den aktiven Operationen teilnehmen soll.“ Fünftausend Juden aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina sollten nicht mehr wie bisher als Handlanger britischer Einheiten irgendwo in der Etappe versauern, sondern in einer eigenen Brigade mit eigenem Uniformabzeichen – dem gelben Davidstern – gegen Hitlers Wehrmacht zu Felde ziehen dürfen. „Jüdische Plattfußbrigade“, spottete die Nazi-Propaganda, die aus der Aufstellung ein Indiz dafür machte, dass es um Großbritannien wohl schon ziemlich übel bestellt sein musste. Doch die „Jüdische Plattfußbrigade” bewies Verve und ein hohes Maß an soldatischem Geschick. An verschiedenen Frontabschnitten in Italien kamen die jungen Soldaten aus Palästina zum Einsatz, machten den Durchbruch der alliierten Truppen manchmal erst möglich und verschafften sich rasch Respekt.
Es blieb aber nicht nur beim regulären Kampf. Wie der amerikanische Publizist Howard Blum in seinem Buch zeigt, entwickelte die Jüdische Brigade eine ganz besondere Eigendynamik: Mit dem Bekanntwerden der Dimensionen der Schoa nach Kriegsende, beschlossen einzelne Mitglieder der Brigade, sich persönlich an den Mördern zu rächen. Jeder von ihnen hatte Angehörige in Europa verloren, oftmals war die ganze Familie ausgelöscht. Auf eigene Faust spürten die jüdischen Soldaten in den Sommermonaten des Jahres 1945 untergetauchte SS-Leute und KZ-Wächter auf und exekutierten sie. Zwischen zweihundert und dreihundert Nazis wurden so von ihnen ins Jenseits befördert.
Aber es wurden nicht nur spektakuläre Racheaktionen ausgeführt. Kaum trafen die Soldaten auf die Überlebenden der Schoa, begannen sie, generalstabsmäßig deren Alija zu organisieren. Ihr Status als Angehörige der britischen Streitkräfte und das Chaos der ersten Nachkriegsmonate in Europa erlaubte es den Angehörigen der Jüdischen Brigade relativ ungehindert, Fluchtrouten zu planen und Transportmittel zu beschaffen. Über zehntausend Juden ermöglichten sie auf abenteuerliche Weise, Europa Richtung Palästina zu verlassen. Darüber hinaus entwickelten die Soldaten eine ungeheure Kreativität, wenn es darum ging, die Briten um Waffen und Munition zu erleichtern und das Beutegut für den Untergrundkampf nach Palästina zu schmuggeln. Die militärischen Erfahrungen der jüdischen Soldaten halfen auch mit, das Überleben des 1948 ausgerufenen Staates Israel zu sichern. Um Ben Gurion zu zitieren: „Es ist fraglich, ob die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte ohne die Offiziere und Soldaten der Jüdischen Brigade in so kurzer Zeit und unter derart widrigen Umständen hätten aufgestellt werden können.“
Howard Blum hat für sein Buch viele ehemalige Soldaten der Jüdischen Brigade befragt und tonnenweise Archivmaterial gesichtet. Keine schlechte Fleißarbeit. Doch bei dem Versuch, die bewegenden Einzelbiografien der Kämpfer von damals mit den historischen Fakten stilistisch zu verweben, scheitert der Autor auf ganzer Linie. Das Resultat ist ein pathetische Züge tragendes Dokudrama mit gelegentlichen Anklängen an einen zionistischen Heimatroman: „Unter der sengenden Sonne Palästinas, verwurzelt in fruchtbarer Erde, wollte er ein neues Zuhause errichten.“ Solche Sätze finden sich zuhauf in diesem Buch. Schade.

Literatur-Kriegsgefangene-TitelRüdiger Overmans: „Soldaten hinter Stacheldraht. Deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs“, Propyläen 2000, 288 S., bebildert. – Im Mittelpunkt steht das Schicksal von mehr als elf Millionen deutschen Kriegsgefangenen. Fünf Zeitzeugen mit exemplarischen Schicksalen führen an die Orte der Gefangennahme – von Stalingrad über Nordafrika bis zur Westfront –, schildern das unterschiedliche Los in sowjetischem, britischem oder französischem Gewahrsam. Ihre Zeugnisse machen deutlich, wie sehr das Thema Kriegsgefangenschaft unsere Nachkriegsgesellschaft geprägt hat.

LIT-Kriegsheimkehrer-GolterrmannProf. Dr. Svenja Goltermann: „Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg“, 608 Seiten, Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2009, Euro 29,95. – Svenja Goltermann geht der Frage nach, was die Gewalterfahrungen des Zweiten Weltkriegs für deutsche Soldaten und ihre Familien nach dem Krieg bedeuteten. Ein Beitrag zur Debatte um das Selbstverständnis der Deutschen und ihre Rolle als Täter und Opfer im Zweiten Weltkrieg. In der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (14. Januar 2010) bespricht der in Jena lehrende Historiker Norbert Frei diese Studie zur Traumatisierung deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg, den besonders der Ansatz dieser „preisgekrönten Habilitationsschrift“ beeindruckt hat, Wissenschaftsgeschichte und Zeitgeschichte zusammenzuführen. Die Freiburger Historikerin habe zu diesem Zweck Krankenakten ehemaliger Soldaten in den Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel ausgewertet, und auch minutiös die Gutachterpraxis der 50er-Jahre aufgearbeitet. Trotzdem kann ihm das Buch kein überzeugendes Panorama einer traumatisierten Nachkriegsgesellschaft liefern, vermittelt es nicht einmal ein wirkliches Bild der Gewalterfahrung im Krieg, sondern nur eine “beunruhigende Ahnung” seiner Folgen für die Gesellschaft. Auch vermag Frei die These der Untersuchung nicht zu überzeugen, dass es die „Sagbarkeitsregeln“ der frühen Jahre der Bundesrepublik gewesen seien, die eine angemessene öffentliche Erörterung des Soldatenleids verhindert hätten. Durch diesen Zusammenhang sieht Frei auch den „trüben Kontext“ der lauthals gestellten Forderungen der politischen Nazi-Kaste nach Rehabilitierung völlig ausgeblendet. – Nicht leicht zu lesen, aber von aktueller sowie anhaltender Bedeutung. So beurteilt Hans Ehlert die Studie in er „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (21. Juni 2010). Bemerkenswert findet Ehlert nicht nur die breite Quellenbasis der Arbeit (psychiatrische Fachliteratur, unbekannte Patientenakten aus Bethel). Sondern ebenso die doppelte Perspektivik, die zum einen die Todesnähe, mit der die Soldaten zu tun hatten, und ihre Schwierigkeiten im Nachkriegsdeutschland einsichtig macht. Und zum anderen zeigt, wie die (Wehr-)Psychiatrie sowie die Medien damit umgingen (Stichwort: Rentenneurose). Für Ehlert eine „vorzügliche“ Arbeit, die mit ihren militär- und medizingeschichtlichen Fragestellungen weit über die Heimkehrerproblematik hinausweist.

Literatur-Lexikon bedürftigFriedemann Bedürftig: „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon“, Piper 2002, 573 Seiten. –Wer sich schnell, präzise und umfassend über die Jahre 1933 bis 1945 informieren will, findet mit diesem Lexikon eines der gründlichsten Nachschlagewerke über das „Dritte Reich“. Mit seinen über 1.500 Stichwörtern, ohne historisch-wissenschaftlichen Fachjargon und nicht im üblichen Lexikon-Deutsch, sondern vielmehr in leicht zugänglicher Darstellung werden Zusammenhänge aufgezeigt: Ob Hitlerjugend oder NSKK, ob „Operation Barbarossa“ oder 20. Juli, alle wichtigen Begriffe werden verständlich abgehandelt. Gut geeignet für Schule und Studium, für Publizisten und Wissenschaftler und alle, die sich für diese wichtige Epoche der deutschen Geschichte interessieren.

Literatur-DP-Camp-BurgbernheimJim G. Tobias: „Vorübergehende Heimat im Land der Täter – Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949“, 288 Seiten, 74 Abb., 2002. – In der unmittelbaren Nachkriegszeit lebten in Franken rund 16.000 jüdische Displaced Persons (DPs) und warteten auf eine Auswanderungsmöglichkeit nach Palästina oder Übersee. In den 28 Camps, darunter zwei Kinderlager und 18 landwirtschaftliche Kollektivfarmen, kam es zu einer Wiedergeburt des osteuropäischen Judentums. – Während die Juden in den Kibbuzim eine landwirtschaftliche Ausbildung erhielten, entstanden in den Camps geistige Zentren, in denen sich die jüdische Kultur zu einer neuen Blüte entwickelte. In den Bischofsstädten Bamberg und Eichstätt entstanden Jeshiwot (religiöse Hochschulen); die Überlebenden der Shoa etablierten eine jüdische Fußball-Liga im „Rayon Franken“ und gründeten sogar eine eigene Zeitung. Dieses Kapitel der fränkischen Nachkriegsgeschichte ist im öffentlichen Bewusstsein nahezu unbekannt. Auf der Grundlage langjähriger Forschungen in nationalen und internationalen Archiven, sowie Zeitzeugenbefragungen gelang es dem Autor, die Lebenssituation und -wirklichkeit der jüdischen DPs in Franken zu rekonstruieren. – Der Autor (geb. 1953) lebt in Bayern und produzierte mit der Medienwerkstatt Franken zahlreiche TV-Dokumentationen zu den Themenbereichen Nationalsozialismus, Emigration und jüdische Geschichte nach 1945. Der Journalist und Filmemacher ist Mitarbeiter des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er ist Co-Autor von „Nakam – Jüdische Rache an NS-Tätern“ (Hamburg 2000) und schreibt u. a. für die jüdische Zeitung „Aufbau“ in New York und die „Nürnberger Nachrichten“.

Flucht-Vertreibung„Flucht und Vertreibung. Europa zwischen 1939 und 1948“, Bild- und Textband mit einer Einleitung von Arno Surminski; 279 Seiten, Verlag Ellert & Richter Hamburg 2004, 24,90 Euro. – Flucht und Vertreibung, Verschleppung und Zwangsarbeit – davon waren infolge des Zweiten Weltkriegs Millionen Menschen in Ost- und Mitteldeutschland betroffen. Heute tritt das Thema wieder verstärkt in den Blick der deutschen Öffentlichkeit. Diese setzt sich zwei Generationen nach den unmittelbar Betroffenen auf neue Weise mit der jüngeren Geschichte auseinander. Der Band „Flucht und Vertreibung“ vereint Beiträge von Zeitzeugen und Nachgeborenen, von Historikern und Schriftstellern zu einem umfassenden Überblick über aktuelle Debatten und Erkenntnisse aus vielfältiger Perspektive. Es werden sowohl die Vorgeschichte als auch die Spätfolgen von Flucht, Vertreibung, Verschleppung und Zwangsarbeit berücksichtigt, Ereignisse ebenso wie „Erinnerungspolitik“. Ein Glossar und informatives Kartenmaterial vervollständigen den mit zahlreichen historischen Fotos bebilderten Band. Prof. Dr. Uwe Rabe von der Uni Münster u. a. zu dem Buch: „Die Foto- und Textdokumente sind wichtige Zeitzeugnisse, die so vorher noch nicht veröffentlicht worden waren. Mit einer einheitlichen Bildunterschriftredaktion hätte man ihren Verwendungssinn – die Botschaft – stärker herausarbeiten müssen.“

Literatur-Titelseite-Fluchtweg-Buch SteinacherGerald Steinacher: „Nazis auf der Flucht. Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen“, gebunden, 378 Seiten, Studien Verlag Innsbruck-Wien-Bozen 2008. – Zahlreiche NS-Kriegsverbrecher, unter ihnen Josef Mengele, Adolf Eichmann und Erich Priebke, entzogen sich der drohenden Strafverfolgung nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes durch Flucht nach Übersee. Als Fluchthelfer dienten vor allem internationale Organisationen wie das Rote Kreuz, das vielen ehemaligen Nationalsozialisten neue Identitäten beschaffte. Aber auch hohe kirchliche Kreise und der Vatikan spielten eine entscheidende Rolle bei der Flucht von Kriegsverbrechern nach Südamerika oder in arabische Staaten, indem sie falsche Papiere ausstellten. Präzise zeichnet Gerald Steinacher in dieser Habilitationsarbeit die Fluchtwege von NS-Tätern nach, insbesondere die von den US-amerikanischen Geheimdiensten als „Rattenlinie“ bezeichnete Fluchtroute über Südtirol nach Rom oder Genua und von dort weiter nach Übersee. Er hinterfragt die Beteiligung der katholischen, aber auch der evangelischen Kirche sowie humanitärer Organisationen und beschreibt die vielfältigen Beziehungsgeflechte, auf die ehemalige Nationalsozialisten auf ihrer Flucht zurückgreifen konnten.

Literatur-Trizone-TitelWalter Henkels: „Alltag in Trizonesien. Fünf Jahre nach der Stunde Null“, Bastei Lübbe 1988, 269 Seiten. – Mit Witz, Pfiff und Ironie beleuchtet der Autor die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Bundesrepublik noch aus drei Zonen der Westmächte bestand und der Schwarzmarkt oftmals der einzige Umschlagplatz für Waren aller Art war. In seiner unnachahmlichen Art lässt er die Ängste und Hoffnungen der Bewohner „Trizoniens“ Revue passieren. Mit Schwarzweiß-Fotos. – Walter Henkels war einer der ersten deutschen Journalisten, die nach dem Ende des „Dritten Reichs“ wieder zur Feder greifen durften. Er gilt als „einer der geistvollsten und witzigsten Beobachter der Bonner Szene“ (DIE ZEIT), der es wie kein Zweiter verstand, seinen Lesern Politisches und Zeitgeschichtliches auf amüsante Weise zu vermitteln. Im Zweiten Weltkrieg war er Kriegsberichter und Angehöriger der „Propagandakompanie“ der Waffen-SS. Von 1946 bis 1949 war er Korrespondent des „Spiegel“, von 1946 an mehrere Jahre Reporter der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Von 1949 bis 1977 war er Bonner Korrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Henkels war Mitbegründer und in den 50er-Jahren Vorstand der Bundespressekonferenz und des Deutschen Presseclubs. Von Walter Henkels erschienen bis zu seinem Tod 35 Bücher in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren.

Literatur-Titel-PresseHans Habe: „Im Jahre Null. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Presse“, TB, 145 Seiten zzgl. Anhang, Verlag Kurt Desch, München 1966. – In einer Artikelserie, die in der „Zürcher „Weltwoche“ ein enormes Echo fand, hat Hans Habe die Geschichte der deutschen Presse im Jahre Null erstmals erzählt. Für die Buchausgabe hat er den Bericht um nahezu das Doppelte erweitert. Wie in Hans Habes in alle Kultursprachen übersetztem Besteller „Der Tod in Texas“ handelt es auch bei diesem Buch um eine Kombination: Der Reporter schreit mit den besten Mitteln des Romanciers, und der Romancier gestaltet Ereignisse, die er selbst erlebt und mitgestaltet hat. Die Entstehung der deutschen Presse der Nachkriegszeit gehört zu den erregendesten Kapiteln der Zeitgeschichte. Hans Habe war als US-Major und Presseoffizier von den Amerikanern mit dem Aufbau der deutschen Presse in der amerikanischen Besatzungszone betraut. Die amerikanische „Heeresgruppenpresse“ und die „Neue Zeitung“ sollten bald „die solide Grundlage für eine freie deutsche Presse“ bilden. Der Bericht Habes über die Demokratisierung des Journalismus ist frei von allen Ressentiments und besetzt mit der „Tugend des Humors“, der nicht zuletzt seine Quelle in einer souveränen Distanz zu diesem zeitgeschichtlichen Thema hat. Von einem Abwehrlager in den USA, das nicht einmal den Generalen bekannt war, über einen ebenso geheimen Sender in Luxemburg, über eine stille Villa in Bad Nauheim, wo Europas größter Zeitungskonzern residierte, über halb oder ganz zerstörte Druckereien in Köln, Frankfurt, Essen, Braunschweig, München und Heidelberg, über Episoden mit Filmstars in Uniform und Sträflingen an Rotationsmaschinen führt der Bericht Hans Habes zurück in die Stunde Null, die es bekannt nicht gegeben hat, der Begriff allerdings für Ende und Neuanfang 1945 steht.

Literatur-Ato,bombeFriedemann Bedürftig: „Als Hitler die Atombombe baute. Lügen und Irrtümer über das Dritte Reich“, 256 Seiten, Piper 2003, ISBN 3-492-04443-3, € 17,90. – Legenden, Mythen, Wahrheiten, Halbwahrheiten über den Nationalsozialismus gibt es in großer Zahl und beachtlichen Varianten. Baute Hitler wirklich an der Atombombe? Mit dieser und anderen Legenden beschäftigt sich der in Hamburg lebende Autor Friedemann Bedürftig. Die Themenauswahl ist vielseitig und geht von der NS-Agrarpolitik über die Judenverfolgung bis zum Boulevard. „Hitler und die Frauen“, „War der ,Führer’ schwul?“ usw. Überraschend ist der Aufbau des Buches. Im Stile eines Lexikon – der Autor arbeite als Lexikonredakteur – werden die Lügen und Irrtümer entlarvt. Die einzelnen Artikel haben einen knappen Umfang von bis zu drei Seiten. Hilfreich sind die zu jedem Thema angegebenen Literaturhinweise zur Vertiefung. Zu den Stärken des „Lexikons“ gehört unzweifelhaft auch die aufgenommene Etymologie von Wörtern, die zwar Jeder zu kennen glaubt und mit bestimmten Assoziationen belegt, deren grundständige Bedeutung allzu häufig aber in höchst subjektiven Individualinterpretationen untergeht. „Holocaust“ (vom griechischen „Brandopfer“, „Ganzopfer“) gehört ebenso dazu, wie „Shoa“ (Vernichtung).
Friedemann Bedürftig schreibt in seiner Vorbemerkung, dass er dankbar für Hinweise auf Lücken wäre. Über die Legende, dass Hitlers Nickname „Wolf“ Namensgeber für eine der größten Autoproduktionsstätte der Welt, Wolfsburg, sein soll, schreibt Bedürftig nichts. (Vgl. Hans-Jörg Wohlfromm, Deckname Wolf, edition q, 2001.) – Im Kanon tausender Bücher, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben, ist dieses Buch sicherlich eines der Besseren, das insbesondere zur Wirkungsgeschichte dieser Zeit einen Standard gesetzt hat und dabei noch flüssig zu lesen ist.

Literatur Historikerstreit Pieper TitelProfessoren und Journalisten: „Historikerstreit: Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung“, Piper Verlag München/Zürich 1987, 397 Seiten, Paperback. – Seit Jahren hat kein historisches Thema die Öffentlichkeit so stark beschäftigt wie die jüngste Kontroverse über die frage der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Die vorliegende Dokumentation versammelt die bedeutendsten Beiträge und liefert so ein repräsentatives, alle Aspekte berücksichtigendes Bild dieser wichtigen Debatte. Das Buch bringt die Beiträge der damals am „Historikerstreit“ beteiligten Geschichtswissenschaftler und Journalisten. Inhalt (Auswahl): Ernst Nolte: Zwischen Geschichtslegende und Revisionismus? Vergangenheit, die nicht vergehen will; Leserbrief an „DIE ZEIT“, 1. August 1986; Die Sache auf den Kopf gestellt; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 6. Dezember 1986. – Michael Stürmer: Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 16. August 1986; Geschichte in geschichtslosem Land; Was Geschichte wiegt. – Christian  Meier: Verurteilen und Verstehen; Eröffnungsrede zur 36. Versammlung deutscher Historiker in Trier, 8. Oktober 1986. – Jürgen Habermas: Eine Art Schadensabwicklung; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 11. August 1986; Vom öffentlichen Gebrauch der Historie. – Klaus Hildebrand: Das Zeitalter der Tyrannen; Wer dem Abgrund entrinnen will, muss ihn aufs Genaueste ausloten. – Joachim Fest: Die geschuldete Erinnerung; Die geschuldete Erinnerung. – Eberhard Jäckel: Die elende Praxis der Untersteller. – Hans Mommsen: Suche nach der „verlorenen Geschichte“?; Neues Geschichtsbewusstsein und Reaktivierung des Nationalsozialismus. – Martin Broszat: Wo sich die Geister scheiden. – Rudolf Augstein: Die neue Auschwitz-Lüge. – Thomas Nipperdey: Unter der Herrschaft des Verdachts. – Imanuel Geiss: Leserbrief an „DER SPIEGEL“, 20. Oktober 1986: Zum Historiker-Streit. – Andreas Hillgruber: Für die Forschung gibt es kein Frageverbot; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 29. November 1986. – Heinrich August Winkler: Auf ewig in Hitlers Schatten? – Christian Meier: Kein Schlusswort. – Kurt Sontheimer: Maskenbildner schminken eine neue Identität. – Anmerkungen zum „Historikerstreit“ in der Rückbesinnung schrieben zudem Jürgen Habermas, Ernst Nolte, Joachim Fest, Andreas Hillgruber und Michael Stürmer.

Literatur-Meier-BuchtitelHorst Meier: „Protestfreie Zone? Variationen über Bürgerrechte und Politik“, Berliner Wissenschafts-Verlag 2012, 332 Seiten. – Die endlosen NPD-Verbots-Diskussionen und das Debakel in Karlsruhe glossiert der Verfasser mit Ingrimm und Verachtung – völlig zu Recht! Zwischen den Wortführern der beiden Seiten, die in unserer öffentlichen Diskussion den Ton angeben, besteht ein Unterschied nur darin, dass die einen der NPD endlich „das Handwerk gelegt“ wissen wollen, während die anderen das Risiko für zu groß erklären, der V-Männer wegen vor Gericht erneut zu scheitern: elende Taktik!  Worum es bei der Frage eines Parteiverbots im Verfassungsstaat substanziell und politisch geht, wissen beide Seiten nicht, und es interessiert sie auch nicht im Geringsten, wie der Autor gleich in mehreren brillanten Beiträgen zeigt. Horst Meier dürfte sich als links-liberal, dem Herkommen nach als links verstehen. Und nun streitet er vehement für die Meinungsfreiheit der „Rechten“ – offenbar nicht, weil er diese besonders schätzt, sondern es ohne deren Freiheit einer eisernen sozialen Logik zufolge bald gar keine mehr gibt. „Protestfreie Zonen“ –  abgesehen von den klassischen Bannmeilen – können in der Demokratie also nirgends geduldet werden. Deshalb sei eben dieser Titel schlussendlich zur Lektüre wärmstens empfohlen. Wer in Freiheit leben möchte, sollte bereit sein, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Das klingt nicht spektakulär. Doch man muss nur fragen, ob Hassprediger Meinungsfreiheit oder Rechtsradikale Versammlungsfreiheit genießen, ob mutmaßliche Terroristen mit einem „Feindstrafrecht“ überzogen, ja gefoltert werden dürfen oder ob die NPD verboten werden soll – und findet sich unversehens im politischen Handgemenge. Die vierundvierzig Essays dieses Bandes versuchen, aktuellen Streitfragen auf den Grund zu gehen. Sie argumentieren fachlich informiert, doch nicht im Jargon des Experten. Sie wenden sich an ein rechtspolitisch interessiertes Publikum, dessen Neugier größer ist als das Bedürfnis nach Bestätigung der eigenen Ansichten. Dass Bürgerrechte der Politik Grenzen setzen, die nicht zur Disposition stehen, ist eine in diesen Essays vielfach variierte These. Die öffentliche Debatte aller über alles soll ungehemmt, robust und weit offen sein. Freiheit und Gleichheit müssen radikal gedacht und verteidigt werden – selbst wenn dies den „falschen“ Leuten nützt. Bürgerrechte, die nach Maßgabe einer Staatsräson oder mit Gesinnungsabschlag „gewährt“ werden, sind keine.  Homepage des Autors: www.horst-meier-autor.de. Dr. jur. Horst Meier ist Autor der Online-Dokumentation „Rothenburg unterm Hakenkreuz“.

Literatur-Titel-Funktionäre-TitelMichael Schwartz „Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundesverbandes der Vertriebenen und das Dritte Reich“, 594 Seiten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2012, 69,80 Euro. – Die Frage nach der „braunen Vergangenheit“ führender deutscher Vertriebenenpolitiker wird seit langem diskutiert. Bereits in den 1960er-Jahren mussten zwei Bundesvertriebenenminister – Theodor Oberländer und Hans Krüger – wegen NS-Vorwürfen zurücktreten. Krüger war zugleich der erste Präsident des 1957/58 gegründeten „Bundes der Vertriebenen“. In jüngster Zeit ist das Verhalten der gesamten dreizehnköpfigen ersten Führung des BdV im „Dritten Reich“ zum Thema geworden. Michael Schwartz gibt in seiner Studie – entstanden im Auftrag des Bundesministerium des Innern – eine differenzierte Einordnung der ersten Führungsriege des BdV zwischen NS-Belastung und NS-Gegnerschaft und beleuchtet damit zugleich den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre. Es ist die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das Präsidium des BdV und seine NS-Vergangenheit.

Literatur-Titel Dorsten HakenkreuzWolf Stegemann (Hg.): „Dorsten unterm Hakenkreuz“. Unter diesem Haupttitel erschienen unter Mitwirkung der „Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz“ vier Bände: „Die jüdische Gemeinde“ (1983),  Kirche zwischen Anpassung und Widerstand“ (1984), Der gleichgeschaltete Alltag“ (1985), „Dorsten nach der Stunde Null – 1945 bis 1950 – Die Jahre danach“ (1986). Diese vier Bände umfassen insgesamt 758 mit 580 Fotos und Dokumenten. Neben dem Herausgeber arbeiteten 62 Autoren und Autorinnen mit, darunter Prof. Hans Mommsen, Dr. Angelika Jakobi-Bettin, Dr. Arnold Bettin, Tisa Gräfin von der Schulenburg, Dirk Hartwich, Maja Lendzian, Rudolf Plümpe, Bernd D. Pütz, Willi Risthaus, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Michael Steentjes, Brigitte Stegemann-Czurda, Dr. Gerd Willamowski u. a. – „Diese  Geschichtsschreibung bringt Tatsachen ans Licht, die gemeinhin vergessen, gelegentlich sogar unter den Teppich gekehrt werden. Sie schmerzt und macht betroffen. Aber nur so ist ein neuer Anfang für mehr Menschlichkeit möglich …“ (Recklinghäuser Zeitung“. – „Die Arbeit trägt wesentlich dazu bei, dass die Ereignisse während des Dritten Reiches im Bereich Dorsten erfasst und damit gerade der jungen Generation nahe gebracht werden können. Für die bevorstehenden Arbeiten wünsche ich weiterhin Erfolg“ (Karl Carstens, Bundespräsident, Bonn).

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