Ausstellung zum Wiederaufbau der Stadt – Bestandsaufnahme nach fünf Jahren im Rahmen der „Rothenburger Heimattage 1950“ – Ein Rundgang im Rathaus und auf der Stadtmauer

Wiederaufbau der Mauer an der Röderschütt 1952

Wiederaufbau der Mauer an der Röderschütt 1952

W. St. – Die Vorbereitungen dazu dauerten viele Wochen. Dann war das Modell der Stadt fertig, das im Größenverhältnis 1:500 topografisch genau einen Überblick über die innere und äußere Stadt gab. Das Stukko-Modell bot einen Blick auf die Stadt, wie sie aus einer Höhe von rund 1300 Metern zu sehen wäre. Verantwortlich für den Bau des Modells war das städtische Bauamt unter Leitung des Stadtbaumeisters Rahn, das von dem Bildhauer Oertel künstlerisch beraten wurde. Das Projekt kostete, sozusagen in Eigenarbeit, 10.000 DM. Damals keine kleine Summe.

Zu sehen war die Ausstellung in einem großen Raum des wieder aufgebauten Rathauses, der nach dieser Ausstellung zum Ratssaal eingerichtet werden sollte. Die Renaissance-Stuckdecke dieses Saales wurde aus dem baufälligen Teil des Schlosses Archshofen herbeigeholt. Rund um das Model waren an den Wänden Pläne und Planskizzen von Gassen und Gebäuden, Straßen und Plätzen angebracht. Regierungsbaudirektor Florin steuerte seine Entwürfe von Straßenansichten bei. Großfotos von Richard Wagner zeigten Motive der Zerstörung der Stadt fünf Jahre zuvor und aus dem gleichen Blickwinkel die Fortschritte des Wiederaufbaus.

Willi Foersters Bilder „Verwundeten Rothenburg“ in einer Sonderschau

In einer Sonderschau „Verwundetes Rothenburg“ zeigte der Kunstmaler Willi Foerster Bilder etlicher Ansichten der Stadt, Kleinodien des Mittelalters, die unwiederbringlich verloren waren. Dazu der Berichterstatter des „Fränkischen Anzeigers“:

„Obwohl in verschiedenen Jahrzehnten entstanden, verraten die Bilder doch eine klare, ganz persönliche Handschrift. Wie viel Schönes, Reizvolles und Idyllisches hat doch der unselige 31. März 1945 sinnlos zerstört. Es liegt wie Trauer und Besinnlichkeit über diesem Raum.“

Da das Fotografieren der zerstörten Stadt in jener Zeit von der US-Militärregierung nach der Besetzung noch verboten war, malte Willi Foerster die Ruinen, der sich 1950 seiner Gefühle erinnerte:

„Oft musste ich beim Malen ergriffen innehalten. Dann fühlte ich, wie sich stille Tränen den Farben vermählten. – Nie hatte ich meine Heimat so geliebt, nie war mir ihr Antlitz so seelenvoll, so inbrünstig erschienen wie in diesen Tagen des Elends. – Aus den Tiefen der rauchgeschschwärzten Ruinen stieg ein Licht neuer Hoffnung.“

Die Tageszeitung kommentierte im Stil Foersters dessen Aussage:

„Diese Hoffnung hat nicht getrogen. Rothenburg, das verwundete Rothenburg, noch immer Rekonvaleszent, ist auf dem besten Wege zur Genesung. So wie es war, wird es nie mehr werden, aber manches, man muss es sagen, selbst auf die Gefahr hin pietätlos zu erscheinen, ist sogar wiedererstanden, schöner als es vorher war.“

Als „überzeugendes“ Beispiel wird die Röderbastei angeführt. Eröffnet wurde die Ausstellung während der „Rothenburger Heimattage“ durch den zweiten Bürgermeister Dr. Wünsch, der unter den Ehrengästen auch Vertreter der US-Militärregierung begrüßte. Oberregierungsrat Dr. Wirsching gab einen Überblick über die letzten fünf Jahre und betonte, „dass nicht äußere Hilfe, sondern die heiße, gläubige Liebe der Rothenburger zu ihrer Heimatstadt die Kräfte zu solch großartigen Leistungen aktivierte. Wenn die Namen der Lebenden schon längst vergessen sind, wird das Werk noch immer von ihrer Arbeit und Leistung künden, wie es bei so vielen Kulturbauten Rothenburgs der Fall ist.“

Gang auf der wiederhergestellten Stadtmauer zum Galgentor

Gespendetes Stück Stadtmauer

Gespendetes Stück Stadtmauer

Nach dem Rundgang durch die Ausstellung schloss sich der Rundgang durch Teile der Stadt an. Besichtigt wurde die restaurierte Stadtmauer zwischen Klingen- und Galgentor. Zu der Zeit waren bereits 600 Meter Stadtmauer durch Spenden auswärtiger Gönner wieder errichtet worden, was dem widerspricht, was der Rothenburger Oberregierungsrat in seiner Begrüßung sagte, dass nicht äußere Hilfe zum Wiederaufbau beigetragen hätte, was auch in anderen Fällen wie Zuschüsse des Staates usw. betrifft. Beim Rundgang wurde erläutert, dass demnächst der Teil vom Galgentor zum Rödertor erneuert werden soll, wozu das Volkswagenwerk in Wolfsburg bereits 20 Meter gestiftet hätte. Ein Meter Stadtmauererneuerung mit Spendertafel war für 59 DM zu haben. Spenden dafür kamen von Schauspielern, Filmgesellschaften, großen Gesellschaften in Deutschland und in Übersee, von Privatpersonen aus aller Welt – und auch aus Rothenburg.

Zum Thema Wiederaufbau siehe weiterführende Artikel:

Wiederaufbau der Stadt in den ersten fünf Jahren: „Deshalb wird Rothenburg wieder atmen und als Kulturstätte von menschlicher Größe und Schlichtheit zugleich künden!“

Wiederaufbau: Gekonnte Kopie des Mittelalters und perfektes Disneyland. Begeistert sind nicht nur Touristen, auch Gastwirte, Hoteliers und der Stadtkämmerer

Siehe zu diesem Ereignis folgende und erweiternde Artikel:

Dass man den jüdischen Bürgern ihre Heimat genommen hat, wurde  an den „Rothenburger Heimattagen 1950“ nicht erwähnt. – Noch bis in die 1970er-Jahre am althergebrachten Begriff festgehalten

Rothenburger Heimattage 1950: Ein Bierkrüge und Tanzbeine schwingendes aber auch nostalgisch-ernstes Ereignis. „Heimat ist Glück“ – Eine Momentaufnahme zu einem strapazierten Begriff

Weiterführende Artikel zum Thema Heimatvertriebene:

1950 stellten Ost- und Westpreußen, Ungarn und Wolhynier, Siebenbürger und Sudetendeutsche, Pommern und Balten, Ober- und Niederschlesier 35 Prozent aller Einwohner

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Quelle: Fränkischer Anzeiger vom 11. September 1950
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