Der Autor schrieb diese Schilderung vor 1950, zu einer Zeit also, als er an den Ereignisse noch nah dran war. Daher wirkt sein Bericht, in der Sprache jener Zeit geschrieben, auch sehr emotional. Der Authentizität wegen haben wir das so gelassen, unwesentlich gekürzt und einige Wörter der neuen Rechtschreibung angepasst. Hans Wirsching (geb. 1877) war Stadtamtmann in Rothenburg, der in den vorhergegangenen Jahren die nationalsozialistischen Gesetze und Verordnungen durchsetzte und zuletzt die Stadtverwaltung leitete. Er starb 1955 nachdem ihn die Amerikaner seines Nachkriegsamtes als Bürgermeister und dann als Landrat wegen falscher Angaben in seinem Fragebogen wieder seines Amtes enthoben hatten. Diese Schilderung ist mit freundlicher Genehmigung dem Buch „Rothenburg ob der Tauber – Schicksal einer deutschen Landschaft“ entnommen, das 1950 im Gebr. Holstein Verlag erschienen ist.
Von Hans Wirsching (†)
Zu Ende ging die stille Woche, es war Karfreitag, und man schrieb den 31. März 1945. Schwer lagen Angst und Sorge auf der Stadt und ihren Menschen. Man fühlte das Ende dieses wahnsinnigen Krieges herannahen. Wie ein Alb lastete es auf jeder Brust, und doch wagte niemand sich die Last dadurch zu erleichtern, dass er sich mit anderen Menschen aussprach. Man fürchtete schon das Wort und erschrak bei dem Gedanken: Was wird kommen. […] An einen deutschen Sieg glaubte niemand mehr. So sehr man das Ende fürchtete, ebenso sehr sehnte man es herbei. Man glaubte den offiziellen Meldungen und Berichten nicht mehr, man glaubte auch nicht mehr an die angekündigte Waffe, die den Sieg bringen sollte.
Vom Hörensagen, heimlich von Ohr zu Ohr geraunt, wusste man, dass die Amerikaner bei Mergentheim stehen und westlich von uns schon bei Crailsheim vorgestoßen sind. Als sie dort starken Widerstand fanden, haben sie sich zurückgezogen. Nordöstlich sind sie durch das Maintal vorgegangen und suchen, das Aischtal entlang nach Nürnberg zu kommen, sie lassen uns liegen, und wir kommen in die Zange. So urteilen die Strategen der Heimat. Man wusste von den schrecklichen Fliegerangriffen auf die Städte Nürnberg, Schweinfurt und vor allem auf Würzburg. In den Nächten war der Himmel von fernen Feuersbrünsten erhellt, die ihren Ausgang von Würzburg, Heilbronn, Pforzheim und anderen Städten nahmen. Das zermürbte die Bevölkerung seelisch vollständig. […]
Hoffentlich wird Rothenburg nicht bombardiert
Fast jeden Tag und jede Nacht, oft mehrmals, wurde Fliegeralarm gegeben. In riesigen geschlossenen Formationen zogen Flugzeuge über Land und Stadt, ohne von deutschen Fliegern oder sonstigen Abwehrmaßnahmen behindert zu sein. Die Eisenbahnzüge auf den Strecken Würzburg-Ansbach und Steinach-Neustadt/Aisch wurden wiederholt im Tiefflug angegriffen und mit Maschinengewehren beschossen. Es gab Tote und Verletzte, bei Mörlbach allein 26 Tote. Bei jedem Fliegeralarm zitterten Frauen und Kinder, aber auch die Herzen der Männer klopfen rascher, die fast alle bei der Feuerwehr, dem Roten Kreuz, der Technischen Nothilfe oder im zivilen Luftschutz eingesetzt waren. Trost war immer noch der eine Gedanke: Vielleicht wird Rothenburg, diese als Kleinod deutscher Vergangenheit in der ganzen Welt bekannte Stadt, doch verschont, zumal sie weder strategische Bedeutung hat, noch Garnison ist oder kriegswichtige Betriebe hinter ihren mittelalterlichen Mauern birgt.
Mit Kriegsgeräuschen und angstvoller Erwartung begann die Karwoche
Im Frühjahr 1945 hörte man mehr und mehr das Näherrücken der Front. Bei westlichem Wind vernahm man das Rollen der Geschütze, das Bellen der Maschinengewehre, das Krachen der Panzerabwehrwaffen. Am Gründonnerstag wurde bekannt, dass der General Weißenberger von Nürnberg hier Quartier genommen und seinen Kommandostand in Rothenburg errichtet habe. Nun wussten alle, dass es bitterer Ernst werden würde, und mit banger Sorge wurde die vom Kreisleiter ausgegebene Parole verbreitet: „Die Stadt Rothenburg wird bis zum letzten Mann verteidigt. Der Volkssturm in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und der Waffen-SS wird die Stadt halten.“ Miesmacher und Feiglinge sollen umgelegt werden, erzählte man.
Tausende Brandbomben prasselten auf die Häuser der Stadt
Der Karfreitag verlief in vollkommener Ruhe. Aber am darauf folgenden Samstag, dem 31. März 1945, früh 10.30 Uhr, heulten überall in der Stadt die Sirenen. Höchste Luftgefahr verkündeten die schrecklichen Stimmen. Kurz darauf kam eine Staffel von 16 Flugzeugen aus der Richtung Würzburg. Sie überflogen zunächst noch ziemlich hoch die Stadt und folgten der Bahnlinie nach Steinach a. Ens. Plötzlich drehten sie um, lösten sich aus der geschlossenen Formation, gingen tiefer, und öffneten, als sie nordöstlich die Stadt erreichten, ihre Bombenklappen. Zu Tausenden prasselten nun die Brandbomben, so genannte Stabbrandbomben, auf Rothenburg. Dazwischen fielen einige Sprengbomben, wie man vermuten muss, auf besondere Ziele. Maschinengewehre knatterten aus den Flugzeugen auf Menschen, die sich auf der Straße aufhielten. Eine besonders schwere Sprengbombe fiel auf den Tauberabhang gerade unter dem Hause Burggasse 15, in dem man augenscheinlich den Kampfstand des Generals suchte. Ein tiefer Trichter zeigt die Schwere der Bombe.
Nach dem Abwurf herrscht zunächst in der Stadt die Stille maßlosen Entsetzens, es war einen Augenblick still wie auf einem nächtlichen Friedhof. Dann aber sprühen meterhohe Flammen zischend aus den Brandkörpern, auf dem Marktplatz, auf den Gassen, in den Höfen und Gärten, zumeist in der oberen Stadt. Zu vielen Hunderten haben sie dort die Dächer der Häuser durchschlagen und beginnen nun ihr grausiges Werk der Vernichtung.
Zweimal überflogen die Flugzeuge die Stadt und ließen Feuer und Verderben auf sie regnen. Bald schlugen Rauch und Flammen aus den getroffenen Gebäuden, Viele Hausbesitzer, die bei dem Alarm in die Keller gegangen waren, wissen noch gar nicht, dass über ihren Köpfen das eigene Haus brennt. Wieder andere steigen in die Hausböden und bekämpfen dort, wie es ihnen gelehrt worden war, mit Löscheimern, Feuerlöschgeräten und Sand die lodernden Brände.
Dichter Rauch lag über der Stadt
Nach kaum einer halben Stunde liegt die ganze Stadt in so dichten Rauch gehüllt, dass das Tageslicht verdunkelt war. Zum Teil sind die Brände nicht mehr zu löschen, ein Teil der Bomben muss Phosphor enthalten haben. Die meisten Menschen, die in den Häusern zu löschen versuchten, sahen bald die Aussichtslosigkeit ihres Bemühens ein und gaben den Kampf gegen das Feuer auf, um wenigstens ihr Leben zu retten. Nur wenige davon denken an die früheren Anweisungen ihre wertvolleren in Koffern, Körben oder Kisten verpackten Sachen mitzunehmen. Der organisierte häusliche Luftschutz ist zusammengebrochen.
Bei ganz leichter westlicher Luftströmung entwickelt sich ein fürchterlicher Feuersturm in nordöstlicher Richtung, Männer, Frauen und Kinder fliehen entsetzt aus den engen Gassen in das freie Gelände vor der Stadt. Einige schleppen Luftschutzkoffer, andere tragen Wäsche und Kleider auf den Armen, wieder andere besitzen nur mehr das, was sie zu dieser Stunde auf dem Leibe tragen.
Feuer und Rauch liegen in und über der Stadt. Der Himmel ist nicht mehr sichtbar, kaum sieht man einige Schritte weit, das Atmen macht Beschwerden. Die ganze obere Stadt von der Hirtengasse bis zum Marktplatz, Rödergasse, Hafengasse, Rosengasse, Pfeifersgässchen, Stollengasse, Pfarrgasse, Alter Stadtgraben, Wenggasse, Neugasse bis zur Spitalgasse stehen in Flammen. Das Alte Gymnasium am Kirchplatz, der Renaissancebau des Rathauses und die Löwenapotheke am Marktplatz brennen.
Die Befehlsstelle bei Luftangriffen befindet sich in einem neu angelegten Bunker vor dem Klingentor. Hier sind anwesend der Kreisleiter, der stellvertretende Kommandant der Feuerwehr, der Führer des Roten-Kreuz-Einsatzes, der Führer der Technischen Nothilfe, der Kreisarzt und der Nachrichtentrupp. Hier weiß man noch nichts von dem Luftangriff auf die Stadt. Kurz nach 11 Uhr kommt die erste Meldung: „Kleinfeuer in der Spitalgasse”. Diese Meldung ist falsch. Erst nach zwei bis drei Minuten wird gemeldet: „Großfeuer; Gymnasium, Rathaus, Löwenapotheke und obere Stadt brennen!”
Brandbekämpfung wird im alten Rathaus organisiert
Nun wird der Brandbekämpfungsangriff eingeleitet. Der Befehlsstand wird in das Alte Rathaus verlegt. Dort sitzen nun der Kommandant der Feuerwehr, sein Stellvertreter, sein Adjutant, der Führer des Roten-Kreuz-Einsatzes, ein Vertreter der Ortspolizei und später der mit dem Kraftwagen gekommene Kreisfeuerwehrführer. Die zur Verfügung stehenden Löschmaschinen werden zum Angriff eingesetzt. […] Wasser war überall genügend vorhanden, so dass die Maschinen sofort arbeiten konnten. […] Leider unterließen einige Wehren, die auf der Straße von Uffenheim her kamen und nicht in die Stadt konnten, weil die oberen Zufahrtswege durch Feuer nicht passierbar waren, ihre Anwesenheitsmeldung. So standen sie ohne Einsatz vor dem Galgentor, während es direkt vor ihnen hellauf brannte.
Im Verlaufe der Löscharbeit wurde von den auswärtigen Wehren aus den an der Tauber eingerichteten Saugstellen durch die hierfür gebauten Leitungen Wasser in die vorgesehenen Stellen geschafft. Ein großer Notstand bei der hiesigen Feuerwehr war der Leutemangel. Kurze Zeit vorher hatte man der Wehr eine Anzahl alter ausgebildeter Wehrmänner für den Volkssturm abgenommen. Ein kleiner Teil der Wehrmänner konnte nicht eingesetzt werden, weil ihre eigenen Anwesen brannten. Doch muss mit Anerkennung auch festgestellt werden, dass die Feuerwehrmänner, die bei dem Alarm auf ihren Meldeplätzen antraten, ihren Einsatz nicht verließen, sondern ihre Pflicht erfüllten, trotzdem sie wussten oder erfuhren, dass ihre eigenen Häuser in Flammen stehen und ihnen das Schicksal ihrer im Hause verbliebenen Angehörigen nicht bekannt war. Ihre Namen sind: Kaufmann Karl Keitel und Sattlermeister Karl Wehrwein.
Nach einiger Zeit musste die Feuerwehrleitung erkennen, dass einzelne Anwesen nicht mehr zu retten waren. Sie änderte daher den Plan. Das Feuer wurde eingekreist um es auf den Brandkomplex zu beschränken.
Am Rathaus konnte der gotische Turm gerettet werden
Tief zu bedauern ist, dass der Renaissancebau des Rathauses nicht gerettet werden konnte. Hierfür trifft die Feuerwehr jedoch keine Schuld. Zunächst standen im Dachboden des Rathauses nur zwei Mann zur Verfügung, um den Brand zu löschen. Der Hausmeister war beim Volkssturm, das Büropersonal befand sich mit zwei Ausnahmen in den Luftschutzräumen außerhalb des Rathauses. Diese zwei Männer konnten die bis zum zweiten Boden durchgeschlagenen Brandbomben – es waren vier Brandstellen – nicht löschen. Die sofort verständigte Feuerwehr setzte das große Kampfgerät ein, doch versagte hier die Saugleitung, ebenso die Schlauchlage des Hydranten-Einsatzes, weil der Druck bis zum Dachboden nicht ausreichte. Nach 25 Minuten gaben die eingesetzten Leitungen Wasser und die Wehr arbeitete sich vom Treppenturm aus zur Feuerbekämpfung vor. Aber nach einigen Minuten waren diese Leitungen auf ausdrücklichen Befehl des Kreisleiters zu einer anderen Brandstelle abgezogen worden. Es kam zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen dem stellvertretenden Feuerwehrkommandanten und dem Kreisleiter, aber ohne Erfolg. Das Rathaus brennt weiter. Das Feuer ist schon in den Böden zum 2. Stockwerk durchgebrochen und findet in den Aktenbeständen der Registratur reichlich Nahrung. Kein Mensch kann den zweiten Stock mehr betreten und man sucht nun aus den Räumen des ersten Stockwerks zu bergen, was man kann. Allein es fehlt an Helfern. Doch können noch Akten, Pläne und Büromaschinen herausgebracht werden.
Da der Treppenturm im Dach brennt, die Glocke dort schmilzt und brennende Sparren herabfallen, kann nur die hintere Treppe in das Innere des Rathauses benützt werden. Da bricht das Feuer in den ersten Stock durch und zerstört innen noch den südlichen Trakt. Dann bilden die gewölbten Steindecken über dem Erdgeschoß einen dauernden Schutz. Doch brennt der Verbindungsbau zwischen dem alten und neuen Rathaus noch und dadurch sind auch der Kaisersaal und der Turm in höchster Gefahr.
Die Turmwächter sind schon vom Turm abgezogen, sie konnten noch über dem Zwischenbau absteigen, vergaßen jedoch, die eiserne Türe, welche den Turm gegen die Böden abschließt, zuzumachen. Da kommt Hilfe. Zwei beherzte Männer steigen über die Stahlleiter in den Dachboden des alten Rathauses und schließen die Eisentüre zum Turm. Nun ist der Turm gesichert. Sie decken von hier aus das Feuer gegen den alten Bau zu ab und der älteste gotische Teil des Rathauses ist gerettet.
Ein Feuerwehrmann starb durch Herzschlag
Der 31. März 1945 geht zu Ende. Die Nacht senkt sich herab. Über der Stadt liegt eine rot glühende Rauchwolke. Ein tosendes Flammenmeer sind die brennenden Gassen. Allmählich kann ein Großteil der auswärtigen Feuerwehren abziehen, doch qualmt und brennt es noch überall. Da und dort sind Gefahrenherde, immer wieder flammt das Feuer stärker auf und die Feuerwehr muss eingreifen. Bis zum Ostermontag (2. April 1945) abends steht die hiesige Feuerwehr noch im Einsatz, Tag und Nacht, unterstützt von einem Trupp des Feuerwehr-Regiments Zirndorf. Ständige Wachen müssen bis 15. April 1945 gestellt werden. Außer leichten Verletzungen und Verbrennungen, die sich einzelne Männer der Feuerwehr zuzogen und die sofort von Männern des Roten Kreuzes verbunden wurden, kamen noch einige Rauchvergiftungen vor, die ohne ernste Folgen blieben. Leider ist dagegen ein Mann der Freiwilligen Feuerwehr Dinkelsbühl infolge der Anstrengungen und Aufregungen einem Herzschlag erlegen.
Obdachlos gewordene Menschen kamen bei Verwandten unter
Bei dem Einsatz verdienten sich alle Feuerwehren Dank und Anerkennung. Besondere Anerkennung jedoch verdient der Einsatzstab der Rothenburger Feuerwehr mit dem Einsatzleiter Fritz Huhn und dessen Adjutanten Georg Weihbrecht. Ihnen stand beratend der frühere Kommandant der hiesigen Feuerwehr, Alfons Ohmayer, zur Seite, obwohl er wusste, dass sein eigenes Haus in der Rödergasse abbrannte. Das Rote Kreuz griff bei den Bergungsarbeiten ein, brachte Kranke, alte Leute und Kinder in Sicherheit, legte Notverbände an und leistete bei ohnmächtig Gewordenen die erste Hilfe. Die Helfer sind ungerufen überall da eingesprungen, wo die Not war und wo sie helfen konnten, selbst unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit.
Die Tausende obdachlos gewordener Menschen laufen in den unteren, vom Feuer nicht betroffenen Stadtteilen oder in der Vorstadt plan- und ziellos umher. Sie können das Schreckliche, Ungeheuerliche noch nicht fassen, was sich in wenigen Stunden am Tage vor dem Osterfest ereignet hat. Von Verwandten und Bekannten werden sie aufgenommen, einige Familien finden in benachbarten Dörfern Unterkunft. Nun kamen die bangen Fragen nach dem einen oder anderen Familienmitglied, das man aus den Augen verloren hatte, nach Verwandten und Bekannten. Schon wusste man, dass einzelne Männer, Frauen und Kinder, ja ganze Familien nicht mehr aus den brennenden Häusern herausgekommen sind. Aber erst nach Tagen, in einigen Fällen erst nach Wochen, konnte beim Wegräumen des Brandschuttes Gewissheit über die Toten gewonnen werden. Meist war der Tod durch Ersticken oder durch Verbrennen eingetreten. Teilweise fand man nur noch Reste von großen Knochen und vom Schädel. 39 Tote, darunter 12 Männer, 18 Frauen und 9 Kinder, hatte die Katastrophe des Ostersamstags 1945 gefordert.
Ausgebrannte Kraftwagen und Pferdekadaver in den Straßen
Am Ostersonntag – niemand hatte in dieser Nacht geschlafen – ging hell und klar die Sonne auf. Allein sie konnte aus dem Trümmerfeld der Stadt keine Osterstimmung hervorzaubern. Ihre Strahlen vermochten die Rauchdecke über der todwunden Stadt nicht zu durchdringen. Keine Glocken riefen die Gläubigen zum Auferstehungsfest, alle Menschen waren noch von dem Entsetzen über das riesengroße Unglück wie gelähmt.
Straßen und Gassen liegen voll von Brandtrümmern, Kleidern und Möbeln, die ins Freie geworfen, nicht mehr weggebracht werden konnten. Ausgebrannte Kraftwagen stehen umher, Kadaver von Pferden und Kleinvieh liegen da. Ein grausiges Bild furchtbarster Zerstörung am Tag der Auferstehung des Herrn! Erst nach und nach finden sich die Menschen dieser Stadt, wie aus einem schweren Traum erwachend, wieder in das Leben zurück.
Die Not wurde sichtbar
306 Wohnhäuser sind gänzlich, 52 Wohnhäuser teilweise zerstört. 741 Familien sind obdachlos geworden. 46 Scheunen, Ställe und Nebengebäude, zwei Fabriken sind ganz oder teilweise abgebrannt. Sechs öffentliche Gebäude, neun Türme oder Torhäuser und 750 Meter der mittelalterlichen Stadtmauer sind zerstört. Stadtverwaltung und Wohlfahrtsorganisationen suchen nach Möglichkeit die ungeheure Not zu lindern. Im Evangelischen Vereinshaus, im früheren Zehlersgut und in der Luitpoldschule wird gekocht und das Essen kostenlos an die Abgebrannten abgegeben, auch die Hotels und die nicht betroffenen Gasthöfe helfen, Hunger und Notdurft zu stillen. Doch neue Sorgen und Gefahren drohen. Die Front nähert sich mehr und mehr der Stadt und man fragt sich: Was wird noch über uns kommen?
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Zur Frage der Bombardierung deutscher Städte:
W. St. – Angesichts der immer wieder diskutierten Frage nach dem Warum der Bombardierung deutscher Städte scheint hier ein kurzer Rückblick angebracht: In Deutschland und England gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg Befürworter des Luftkriegs gegen städtische Zentren. In England bereits in den zwanziger Jahren, denn die Royal Air Force verfügte schon damals über eine Bomber-Anweisung, deren Vorstellungen über einen solchen Krieg allerdings vom Chef des Empire-Generalstabs 1928 aus völkerrechtlichen Gründen abgelehnt wurden. Von 1940 an setzten sich mit Zustimmung Churchills die strategischen Konzepte der Royal Air Force durch. Um dieselbe Zeit, im Juni 1940, befürwortete der Chef des Wehrmachtführungsstabes, General Alfred Jodl, Terrorangriffe. Der Luftwaffen-Generalstabschef Hans Jeschonnek schlug im September 1940 vor, gezielt Wohngebiete zu bombardieren. Die Wehrmacht besaß allerdings keine strategische Bomberflotte. Sie hat daher den Terrorluftkrieg nicht in ein kriegsentscheidendes strategisches Konzept umsetzen können.