Wiedergutmachung (7): Einigungen zwischen Lehmann und Wildermann um das Haus Obere Schmiedgasse 18 sowie Wimpfheimer und Weiß um das Haus Untere Schmiedgasse 5

Familie Lehmann am Burgtor 1910

Familie Lehmann am Burgtor 1910

Von Wolf Stegemann

Die Wiedergutmachungsbehörde befasste sich 1946 auch mit dem Verkauf des Metzgerei-Anwesens des jüdischen Metzgers Moritz Lehmann in der Oberen Schmiedgasse 18 an den nichtjüdischen Metzger August Wildermann aus der Spitalgasse und dessen Bruder Georg, Gast- und Landwirt in Unteröstheim. Der Verkauf fand schon am 4. September 1933 statt und nicht in der zugespitzten Vertreibungsatmosphäre der Juden von 1938. Dennoch überprüfte die Wiedergutmachungsbehörde diesen Verkauf, weil er in der judenfeindlichen Zeit des Nationalsozialismus stattgefunden hatte. Durch eine eidesstattliche Erklärung von August Wildermann vom 9. April 1946 und Vorlage des Kaufvertrags von 1933 wurde das 220 Quadratmeter große Anwesen nebst Metzgereigerechtigkeit wieder außer Kontrolle der Wiedergutmachungsbehörde freigegeben, da es keine Rückerstattungsforderungen gab.

Haus und Laden von der Bank schon 1933 in den Zwangsverkauf getrieben

Metzgerei Lehmann (nach 1938: Wildermann)

Metzgerei Lehmann (nach 1938: Wildermann)

Allerdings geht aus dem Mietvertrag hervor, warum es zum  Verkauf der Metzgerei 1933 kam. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 kündigten Banken, die entweder bereits mit Nationalsozialisten geführt wurden oder die sich dem Nationalsozialismus andienen wollten, jüdischen Kaufleuten und Hausbesitzern Kredite und trieben sie dadurch in die Zwangsversteigerung. Es ist zu vermuten, dass so auch die Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in München so verfahren hat, denn sie war dafür bekannt. Der Besitz war mit einer 1.935 Goldmark Aufwertungshypothek der Münchner Hypotheken- und Wechselbank, mit 3.000 Goldmark Sicherungshöchstbetragshypothek und 10.000 Goldmark Briefgrundschuld bei der Volksbank Rothenburg sowie mit 2.000 Reichsmark Sicherungshöchstbetragshypothek eines Rothenburger Bürgers belastet. Auf Betreiben der Münchener Bank wurde am 11. Mai 1933 ein Zwangsversteigerungsverfahren beantragt, zu dem das Amtsgericht Rothenburg am 4. April 1933 durch Beschluss H 159/33 seine Zustimmung gegeben hatte. Daher verkauften die Eheleute Moritz und Sara Lehmann ihr Haus samt Metzgereigerechtigkeit, der Ladeneinrichtung, Metzgereihandwerkzeugen und Einrichtungen der Wurstküche für 23.000 Reichsmark an August Wildermann. Sie unterwarfen sich den Bestimmungen des Zwangsverkaufs. Vom Kaufpreis wurden alle Belastungen abgerechnet, so dass dem Ehepaar Lehmann ein Restbetrag von 4.065 Reichmark blieben.

Käufer räumte dem Vorbesitzer Wohnrecht ein

Der Käufer August Wildermann räumte vertraglich dem Ehepaar Lehmann in dem verkauften Anwesen Wohnrecht im 1. Stock bis zum 1. September 1936 für 25 Reichsmark monatlich ein. Sollte August Wildermann in dieser Zeit geheiratet haben, mussten die Lehmanns in den 2. Stock ausweichen und 20 Reichsmark Mietzins zahlen. Nach Ablauf des Wohnrechts für den Altbesitzer verlängerte August Wildermann dieses aus freien Stücken. „obgleich ich direkt oder indirekt darin angehalten wurde, ihnen das Wohnrecht offen oder unter Vorwand zu verweigern“.  Weiter berichtet August Wildermann in seiner eidesstattlichen Erklärung 1946:

„Die von Herrn und Frau Lehmann streng eingehaltenen rituellen Gebräuche wurden von meiner Frau und mir geachtet und die Ausübung derselben in jeder Form unterstützt. Nachdem Herr Lehmann die Metzgerei an mich übergeben hatte, belieferte ich die in Rothenburg ansässigen Juden auch weiterhin ungeachtet der allgemeinen Verbote und der daraus eventl. entstehenden Nachteile und Schwierigkeiten. …. Der Partei oder irgendeiner ihrer Gliederungen bin ich nicht beigetreten, noch habe ich die Ziele der Partei in irgendeiner Form unterstützt, oder mir nationalsozialistisches Gedankengut angeeignet. … Zur Beweisführung meiner eidesstattlichen Erklärung nenne ich folgende Zeugen: Herr Bürgermeister Hörner, Rothenburg, Frau Lina Ehrmann, München, Frau Anna Wildermann, geb. Herber, Rothenburg.“

Ehepaar Lehmann im Todeslager Izbica ermordet 

Moritz Lehmann, geboren am 3. November 1879 in Windsheim, war mit Sarah verheiratet. Das Ehepaar hatte fünf Kinder. Am 22. Oktober 1938 wurden die Lehmanns aus Rothenburg gewaltsam vertrieben und zogen nach Fürth in Bayern. Beide wurden im April 1942 von Fürth nach Crasnycin (Krasnystaw) in Polen deportiert. Von 1940 bis 1942 befand sich dort ein Ghetto für 4.000 Juden in den Stadtgrenzen, die Insassen wurden später in das KZ Izbica verschleppt. Beide wurden dort am 24. April 1942 ermordet. – Seine Frau Sarah geborene Sonn wurde am 16. Dezember 1880 in Züntersbach geboren. Das Paar heiratete 1906 und bekam fünf Kinder: Das Erstgeborene, ein Mädchen namens Zilli (14. Januar 1908 bis 5. Juni 1911) verstarb an Diphterie. Der zweite Sohn Martin, geboren am 10. Januar 1909, wanderte aus und ergriff ebenfalls den Metzgerberuf. Er starb 1986 oder 1990 in New York. Die dritte Tochter, Bertha, geb. am 16. August 1914, heiratete 1942 Dr. Siegbert Katz. Ihre Kinder Mark Katz (geb. 1944), London, und Sara Katz-Shachar (geb. 1947), Toronto, haben Rothenburg vor einigen Jahren besucht und im Gymnasium und im Rathaus berichtet.

Eine weitere Tochter der Familie Lehmann, Chlothilde Weißmann, geboren am 4. Januar 1917, verstarb vor wenigen Jahren in Stuttgart. Aufgrund der Erfahrungen, die sie in Rothenburg erlitten hatte, wollte sie den Kontakt zu ihrer Geburtsstadt nicht mehr aufnehmen. Das fünfte Kind der Lehmanns, Siegfried, geboren am 11. März 1920, kam 1937 nach Enschede (Westerborg), wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und dort am 31. März 1944 ermordet.

Josef Wimpfheimer beließ dem Ehepaar Weiß das Haus

Untere Schmiedgasse 5 heute

Untere Schmiedgasse 5 heute

Das Anwesen Untere Schmiedgasse Nr. 5 umfasste ein Wohnhaus, einen Laden, ein bewohnbares Rückgebäude, ein Waschhaus mit Schutzdach sowie einen Garten und einen 40 Quadratmeter großen Hofraum. Es gehörte bis 1938 dem jüdischen Kaufmann Josef Wimpfheimer, der nach dem Krieg in New York 31, 601 West, 136th Street lebte. Josef Wimpfheimer wurde 1879 in Rothenburg geboren. Er und seine Frau Emilie, geborene Feuchtwanger, betrieben eine Textilhandlung. Das Ehepaar wurde am 22. Oktober aus Rothenburg vertrieben. Die Wiedergutmachungsbehörde stellte 1946 das Anwesen wegen Rückerstattung unter Treuhandschaft. Bis dahin hatte das Haus durch Weiterverkäufe mehrere Besitzer, weshalb eine Endberechnung des Rückerstattungswertes mit Zins- und Hypothekenberechnungen, Tilgungszinsen hier kaum verständlich dargestellt werden kann.

Malermeister Hufnagel verkaufte das Haus 1940 weiter

Josef Wimpfheimer verkaufte am 31. Mai 1938 das Anwesen an den Malermeister Max Hufnagel und dessen Ehefrau Frieda, geborene Langenbuch, in Rothenburg (Hofbronnengasse 5) für 36.000 Reichsmark mit Übernahme der Aufwertungshypotheken- und Darlehenshypothekenforderungen verschiedener Banken. Die Hufnagels veräußerten das Anwesen 1940 weiter an das die Kunsthändler-Eheleute Fritz und Martha Weiss, geborene Wittmann,  in der Oberen Schmiedgasse 23 für 40.000 Reichsmark. Der Kaufvertrag wurde bei dem Notar Ludwig Joetze (Kapellenplatz 7) beurkundet.

Über die Rückerstattung gab es schon am 7. September 1951 vor der Wiedergutmachungsbehörde für Ober- und Mittelfranken einen Vergleich (Az.: IIIa 2152 Fall 1 und 2) zwischen Josef Wimpfheimer und den Eheleuten Weiß über die Rückerstattung. Die Parteien einigten sich darauf, dass das Anwesen weiterhin im Besitz der Eheleute Weiß bleibt, und diese eine Nachzahlung von 4.000 DM zusammen mit einer noch festzulegenden Summe entgangener Mietzinsen zu leisten hatten. Der Vertrag wurde am 2. Oktober rechtskräftig und das der Rückerstattungsvermerk  sowie Sperrvermerke im Grundbuch nach Zahlung der ersten 4.000 DM gelöscht.

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Quellen: Lehmann ./. Wildermann: Staatsarchiv Nürnberg, Bestand BLVW ASt Nürnberg, Nr 379. – Wimpfheimer ./. Hufnagel/Weiß, wie vor, Nr. 595. – Informationen von Familie Katz.

 

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