Schule im NS-Regime III: Eliteschulen zur Indoktrinierung der Jugend für den Krieg: „Nationalpolitische Erziehungsanstalten“ und „Adolf-Hitler-Schulen“

Militärischer und sportlicher Drill auf den Nationalpolitischen ERziehungsanstalten

Militärischer und sportlicher Drill auf den Nationalpolitischen Erziehungsanstalten

Von Wolf Stegemann

Die Idee zur Gründung der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA, im nichtoffiziellen Sprachgebrauch „Napola“) beanspruchten sowohl Hitler wie auch Reichserziehungsminister Rust für sich. Sie geht jedoch mit Gewissheit auf Rust zurück. Folglich waren die NPEA auch zunächst dem preußischen Kultusministerium unterstellt, das 1934 eine eigene „Landesverwaltung der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ gründete.

1919 waren die preußischen Kadettenanstalten als „Brutstätten des Militarismus“ verboten, aber die als „Staatliche Bildungsanstalten“ weitergeführt worden. Einige von ihnen – Köslin, Plön und Potsdam – unterstellte sich der spätere Bildungsminister Rust schon im März 1933 direkt und verfügte die Uniformierung von Lehrern und Schülern. Die Schulen waren schulgeldpflichtig und der Besuch erst ab 1943 kostenlos. Die SS hatte großen Einfluss auf diese Schulen. Die Schüler  im Alter von 10 bis 18 Jahren hießen „Jungmannen“ und waren in „Hundertschaften“ gegliedert. Es gab eine fliegerische Ausbildung, Wehrsport (Reiten, Motorsport, Waffen- und Geländeausbildung). Entsprechend wurde bei der Aufnahme auf gute körperliche Verfassung geachtet, wofür Prüfer des „Rasse- und Siedlungshauptamtes“ sorgten. Ansonsten richteten sich die Lehrpläne nach denen der Oberschulen. Mit dem Abschlusszeugnis erlangten sie die Hochschulreife. Die Jungmannen sollten so zu „politischen Soldaten“ Hitlers erzogen werden, die später dann Führungsaufgaben in allen Bereichen von Staat und Gesellschaft übernehmen konnten. In der Praxis aber landeten die meisten bei der Wehrmacht und Waffen-SS, wohin sie in den ersten Kriegsjahren entlassen wurden.

Die SS hatte großen Einfluss auf die NS-Eliteschulen NPEA

Training für den Krieg

Training für den Krieg

Die Entwicklung der NPEA verlief in vielen Punkten parallel zu der des Hitler-Staates. Nach ihrer Gründung erhofften sich zunächst verschiedene Kreise, die Anstalten für ihre Zwecke benutzen zu können. Die Wehrmacht sah in ihnen als Nachfolgeeinrichtungen der Kadettenanstalten Ausbildungsstätten für den Offiziersnachwuchs. HJ, SA und SS versuchten, Einfluss auf die NPEA zu erlangen, um wiederum ihren Führernachwuchs zu bilden. In der Anfangszeit hatte die SA den größten Einfluss, was sich darin zeigte, dass SA-Führer sowohl in der Leitung der Inspektion der NPEA als auch in den einzelnen Anstalten überwogen. Nach der Ermordung Rahms am 30. Juni 1934 schied die SA als Konkurrent um die NPEA aus und die SS dominierte die Erziehungsanstalten. 1943 wurde sogar erwogen, die Leitung der NPEA völlig dem Reichserziehungsministerium zu entziehen und Himmler zum Chef ihrer Verwaltung zu machen. Diese Pläne scheiterten aber unter anderem, weil andere konkurrierende Kräfte (in der Hauptsache die Wehrmacht) um die NPEA warben. So wurden 1942 fünf NPEA zu Marineanstalten erklärt. Außerdem verfügte die Wehrmacht über eine Anzahl von Freistellen an den Anstalten, die den Söhnen aktiver Offiziere vorbehalten waren. Es war der erklärte Wunsch des „Führers“, dass der Offiziersnachwuchs mehr und mehr aus den NPEA kommt.
Bis 1938 stieg die Zahl der NPEA auf 21 an. In die Zeit der nationalsozialistischen Expansion im Zweiten Weltkrieg fiel auch die Absicht zur Ausweitung der NPEA. Ende 1940 bestand der Plan, sie innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 100 zu erhöhen. Es wurden dann allerdings 1944 gab es 35 NPEA, davon eine für Mädchen, mit insgesamt rund 6.500 Schülern, die zu dieser Zeit aber schon durch Einsatz als Flakhelfer oder als Lagermannschaftsführer in der Kinderlandverschickung kaum noch Unterricht erhielten.

Die Adolf-Hitler-Schulen hatten parteiintern keinen guten Ruf

Napola Schulpforta 1940: Boxunterricht; Foto: Bildarchiv Preuß. Kulturbesitz

Napola Schulpforta 1940: Boxunterricht; Foto: Bildarchiv Preuß. Kulturbesitz

Die Gründung der Adolf-Hitler-Schulen (abgekürzt AHS) erfolgte 1937 durch Reichsjugendführer Baldur von Schirach und dem Leiter der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley als reine Parteischulen unter Umgehung des Zuständigkeitsbereiches von Reichserziehungsminister Rust. Dieser wehrte sich gegen diese Nichtbeachtung, wurde aber von Ley, der sich des Rückhalts bei Hitler sicher war, lapidar zurückgewiesen.
Die Lehrpläne der Adolf-Hitler-Schulen wurden von Ley und Schirach in Zusammenarbeit mit HJ und NSDAP erstellt, die allgemein üblichen Schulbücher durch von der Lehrerschaft selbst erarbeitete Texte ersetzt. Zunächst wurden die Schulen von der Deutsche Arbeitsfront (DAF) finanziert; ab 1941 übernahm die NSDAP die Finanzierung. Der Besuch der Adolf-Hitler-Schulen war kostenlos. Trotz dieses finanziellen Anreizes kamen aus den einzelnen Gauen in manchen Fällen weniger Schüler an die AHS als geplant, zumal vielfach die von der HJ vorgeschlagenen Jungen als ungeeignet zurückgewiesen werden mussten. Die Berufung der Schüler – welcher der HJ-Jungbannführer zustimmen musste – und der Lehrer war an das Einverständnis des Gauleiters gebunden. Die Schulaufsicht hatte einen „Kommandeur“ aus der Reichsjugendführung. Zur Sicherung des Erziehernachwuchses wurde 1938 in Sonthofen eine Erzieherakademie gegründet. Damit lösten sich die AHS völlig vom staatlichen Schulsystem ab.

Pimpf Schaumann: Die Anmeldung zur Hitler-Schule verschwand

Der Rothenburger HJ-Pimpf Schaumann aus der Teuschleinstraße wurde 1940 von der Reichjugendführung der Hitlerjugend in Berlin für die Aufnahme in die Adolf-Hitler-Schule dem Gau-Personalamt in Nürnberg zur weiteren Veranlassung vorgeschlagen. Von dort kam keine Rückmeldung. Also fragte die Reichsjugendführung am 20. August 1940 an, warum der Rothenburger Pimpf abgelehnt worden sei. Das Gaupersonalamt schrieb daraufhin an die Kreisleitung der NSDAP in Rothenburg, dass der Fall dieses Pimpfes unbekannt sei und die Kreisleitung berichten möge, wie sich das verhalte. Die Kreisleitung berichtete am 16. September an die Gauleitung Franken, dass auch in Rothenburg nichts bekannt sei. Auch habe der Bannführer 308 Rothenburg, Eierstock, keine Unterlagen in den Akten. Inzwischen mahnte Berlin eine Antwort von Nürnberg an. Das Gaupersonalamt der NSDAP schrieb schließlich am 1. Oktober, dass der Pimpf Schaumann „weder von der Hitlerjugend noch vom Hoheitsträger für die engere Wahl der Aufnahme in die Adolf-Hitler-Schulen in Vorschlag gebracht wurde“. Damit fiel der kleine Pimpf Schaumann durch das Netz.

Statt Zeugnisse gab es eine „Leistungswoche“ mit Wettkämpfen

Adolf-Hitler-Schule in Enzberg

Adolf-Hitler-Schule in Enzberg

Die bei der Aufnahme 14-jährigen Schüler erhielten in den sechsklassigen Hitler-Schulen keine Zeugnisse oder Noten, sondern mussten in einer „Leistungswoche“ ihre Klassen- und Schulleistungen in Wettkampfform darlegen. Absolventen der AHS erhielten nach fünf Jahren ein „Diplom“, das zum Hochschulstudium berechtigte. Neu in der Erziehungsform war der Gedanke der Selbstgestaltung des Unterrichts durch die Schüler. Als Ausdruck dieses neuen Lehrer-Schüler-Verhältnisses gruppierten sich die Arbeitstische im offenen Viereck um den Platz des Lehrers. Körperliche Ausbildung und „Charaktererziehung“ dominierten auch an den Adolf-Hitler-Schulen, deren Schüler zu vielen Diensten in Parteidienststellen, bei der Erntehilfe, in der Kinderlandverschickung und im Bergwerk eingesetzt wurden. Nach dem Historiker Weiß, sei die geistige Ausbildung schlecht und die Schulen insgesamt seien selbst in Parteikreisen berüchtigt gewesen. Die Adolf-Hitler-Schulen sollten durch permanente Auslese ein Funktionärskorps schaffen, dem sich dann automatisch gute Karrieremöglichkeiten in Partei und Staat eröffneten. Die erfolgreichsten Schüler sollten nach Ableistung von Arbeits- und Wehrdienst in die NS-Ordensburgen aufgenommen und danach in die geplante „Hohe Schule der NSDAP“ berufen werden.

Siehe auch andere Artikel zum Thema Schule und Erziehung:

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Quellen: Friedemann Bedürftig „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon“, Pieper 2002. –  „Informationen zur Zeitgeschichte“, Kiel 1994. – Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber.
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