Konflikte der evangelischen Pfarrer mit den Nationalsozialisten gehörten zum Alltag (II) – Rothenburger Landgemeinden

Vorbemerkung. Diesem Artikel liegt die Facharbeit des Schülers am  Reichsstadtgymnasium David Vogt zugrunde, die hier zusammengefasst, gekürzt und deswegen in weiten Teilen von der Redaktion umformuliert wurde, um den Lesefluss zu erhalten. Ebenfalls der besseren Lesbarkeit wegen ist die Facharbeit hier in einen Artikel über Rothenburg-Stadt und einen Rothenburg-Land geteilt dargestellt. David Vogts Arbeit entstand in der Kollegstufe 2004/06 im Leistungskurs Geschichte und heißt „Evangelisch motivierter Widerstand im Evangelisch-Lutherischen Dekanat Rothenburg o. d. T. während des Dritten Reiches“. Kursleiter war StD Klaus Weisensee. – Die Konflikte zwischen dem evangelischen Pfarrern und ihren Gemeinden mit den örtlichen Parteifunktionären sind mehr spontan aus dem Alltag entstanden: Religionsunterricht, Jugendarbeit, Zugehörigkeit von Gläubigen der Kirche und der SA und derartige andere Dinge. Mit schärferen persönlichen Sanktionen gegen Pfarrer vorzugehen, blieben meist im Versuch stecken. Es blieb bei Drohungen und der allgemeinen Bedrohung.

Kirche in Neusitz heute

Kirche in Neusitz heute

SA-Truppführer scheiterte in Neusitz mit seinem Appell

Der Neusitzer Pfarrer Gustav Kramer berichtet  am 13. Juli 1935 in einem Schreiben an  Oberkirchenrat Schieder in Nürnberg: „Hat der für Neusitz und Schweinsdorf zuständige Truppführer der SA tags zuvor beim Appell seines Trupps bekannt gegeben, dass aus der SA hinaus müsse,  […] wer der Bekenntniskirche angehöre.“ Es gab also Gemeindeglieder, die  zugleich eine Bindung zur SA und zur Kirche hatten. Interessant ist hier die Tatsache, dass die religiöse Bindung offenbar die stärkere war, denn es heißt in den Schreiben weiter: „Daraufhin sind […] auch 6 Schweinsdorfer Burschen [aus der SA] abgetreten, die der Bekenntnisgemeinschaft Schweinsdorf angehören.“ Als der SA-Truppführer sah, dass sein Schweinsdorfer SA-Trupp schrumpfte, machte er seine oben erwähnte Bekanntmachung rückgängig.

Von ähnlichen Vorgängen berichtete am 10. Mai 1935 Pfarrer Gottlieb Deininger aus Steinach an der Ens dem Dekanat Rothenburg am 10. Mai 1935: „Vor ca. 14 Tagen war in Habelsee Versammlung der Pg. Dabei sprach auch der stellvertretende Kreisbauernführer Junker von Elwingshofen. Als er ’Pfaffen’ sagte, wurde er von Kirchenvorstand Hertlein (Endsee) zurechtgewiesen.“

In Neusitz wurde der Kirche mit der SS gedroht

Als in einer Parteiversammlung der Ortsbauernführer in Neusitz Beschwerde darüber geführt wurde, dass bei den Bauern zu wenig Spenden für das Winterhilfswerk (WHW) zusammen kamen, schrieen etliche laut im Saal, dass daran die Pfarrer schuld seien. Der Neusitzer Pfarrer Kramer erfuhr dies von seinem „Gewährsmann“ und schrieb an den Dekan, was dieser ihm sonst noch berichtete:

„Bei dieser Gelegenheit wurde ein Vortrag gehalten, in dem verlangt wurde, dass in jeder Gemeinde etliche Mann der SS beiträten, die als Stoßtrupp zu dienen hätten. Es wurde nicht gesagt, in welcher Richtung dieser Stoßtrupp zu wirken habe. Mein Gewährsmann meinte aber, dass es sich jedenfalls um einen Stoßtrupp gegen Kirche und Christentum handeln würde.“

Pfarrer Kramer hielt die Anfeindungen nicht mehr aus: Versetzungsgesuch

Das Agieren der Partei gegen die Kirchen in der Stadt und in den Landgemeinden verdichtete sich. Am 12. November 1937 notierte Pfarrer Kramer; dass ihm vertraulich gemeldet wurde,   Gendarmen würden die Bürgermeister der Dörfer besuchen, um diese nach dem Wert des Kirchenbesitzes im jeweiligen Ort zu fragen. „In Neusitz sind bei der Trennung von Kirche und Schule verschiedene Grundstücke in den Besitz der Kirchenstiftung übertragen worden. Soll das alles wieder verloren gehen?“ Wie der Pfarrer unter dieser stark nationalsozialistischen Dorfgemeinde litt, zeigt sein Versetzungsgesuch.

„Wenn ich nur endlich wüsste ob ich Memmingerberg bekomme oder nicht. […] Auf jeden Fall halte ich diesen Zustand hier und in Schweinsdorf auf die Dauer nicht aus. In Schweinsdorf arbeitet der Lehrer wie wahnsinnig gegen mich und hier dreht mir der Kirchenpfleger den Strick. Wahrlich, ein ideales Dasein! Da muss die Haft ein wahres Labsal dagegen sein.“

Kirche in Schweinsdorf heute

Kirche in Schweinsdorf heute

Schweinsdorfer Lehrer agierte gegen den Pfarrer

Auch der Schweinsdorfer Lehrer Schmidt war Nationalsozialist. Er sagte zu seinen Schulkindern, worüber sich Pfarrer Kramer, am 12. November 1937 beklagte:

„Sie sollten sich lieber ins Bett legen und schlafen als den Gottesdienst am Freitag Abend besuchen … Die  Kirche sei undankbar und habe doch dem Führer zu verdanken, dass sie noch lebe … In Schweinsdorf vergeht bald keine Woche vorüber, ohne dass die Kinder in der angegebenen Weise beeinflusst werden.“

Habelseer Pfarrer hatte Probleme mit dem Religionsunterricht

Pfarrer Wilhelm Dannheimer (gest. 1975)

Pfarrer Wilhelm Dannheimer (gest. 1975)

Die Ausfälle einzelner Lehrer gegen die Kirche waren nur der Anfang. Beispielsweise schrieb der Habelseer Pfarrer Wilhelm Dannheimer am 17. November 1938 an das Dekanat, dass ihn die Lehrer Frankfurter und Schmidt (nicht der besagte Schmidt aus Schweinsdorf) mündlich in Kenntnis setzen, „dass sie in Versammlungen der NSLB [Nationalsozialistischer Lehrer Bund] zu Uffenheim und Rothenburg o.d.T. unter Drohung der Dienstentlassung aufgefordert wurden, sofort den bisher von ihnen erteilten Religionsunterricht einzustellen.“ Dannheimer beklagte:

„Das Pfarramt hat die Überzeugung, dass beide Lehrer von sich aus durchaus bereit und geeignet wären, den Religionsunterricht im Sinne unseres Bekenntnisses weiterhin zu führen, wenn ihnen die Freiheit dazu gelassen würde.“

Dekanat: keine Verherrlichung der Juden, die Jesus töteten

Pfarrer Kramer aus Neusitz berichtete am 17. November 1938 dem Dekanat über ein Schreiben des Schweinsdorfer Oberlehrers Schmidt:

„Anläßlich der Vorgänge der letzten Woche / Ermordung eines Vertreters des Deutschtums /[gemeint Ernst vom Rat in der Dt. Botschaft in Paris durch Hershel Grynszpan, wodurch das Pogrom gegen die Juden ausgelöst wurde] hat sich gezeigt, wie schwer es sich miteinander vereinen lässt, einerseits im Geschichtsunterricht mit berechtigter Empörung die jüdische Gehässigkeit gegen alles Deutsche und die jüdische Verderbtheit zu kennzeichnen und dann in der Religionsstunde von dem jüdischen Volke als von dem Volke zu sprechen, in dem sich auch für uns das Heil vorbereitet hat. Diese Unvereinbarkeit hat die Lehrerschaft schon längst veranlasst, zu beantragen, die Geschichte des jüdischen Volkes / als des Volkes des Heils / aus dem Religionsunterricht auszuscheiden. Da die Kirche diesem Antrage aber nicht stattgab und voraussichtlich auch in Zukunft nicht entsprechen will, hat die Volksschullehrerschaft in Gesamtheit beschlossen, den Religionsunterricht der Kirche bzw. der Geistlichkeit zur Verfügung zu stellen und die Regierung um Entbindung von der Pflicht zur Erteilung des Religionsunterrichtes zu ersuchen.“

Das Dekanat Rothenburg verfasste daraufhin am 18. November ein Dokument, in dem beklagt wird, dass „es so dargestellt wird, als ob der evang. Religionsunterricht eine Verherrlichung des Judentums sei“. Unrühmlicherweise verteidigte auch der Rothenburger Dekan Jelden sich mit der These: „Die Kirche denkt nicht daran, ein Volkstum zu verherrlichen, das ihren Herrn getötet hat.“

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Quellen: Pfarrarchiv St. Jakob Gemeinde Rothenburg o.d.T., Ordnungsnummer 2.2.2.11, detaillierte Angaben im Text
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