Entnazifizierung (30): Wie der Polizeidienststellenleiter Hans Drossel seinen Dienst zwischen den Erwartungen der Partei, den Vorschriften, dem Recht und Unrecht verrichten konnte

Hans Drossel (r.), noch Polizeichef in Hersbruck; links daneben Bürgermeister Georg Sperber.

Von Wolf Stegemann

Als der zum Revier-Leutnant der Schutzpolizei und aus Altersgründen dann zum Revieroberleutnant beförderte Hans Drossel am 1. Juli 1941 von Hersbruck nach Rothenburg versetzt wurde, geschah dies aus einem politischen Zwang heraus. Denn er hatte es als Polizist gewagt, seine vorgesetzten Dienststellen auf eine Mordtat des in Hersbruck allmächtigen NSDAP-Kreisleiters und Bürgermeisters Sperber hinzuweisen. Dieser war darüber so erzürnt, dass er öffentlich sagte: „Entweder kostet es den Kopf von Drossel oder den meinigen!“ Es kostete den Kopf des Kreisleiters Sperber. Denn Ermittlungen ergaben, dass er sein eigenes Kind ermordet hatte, was ihn dann ins Zuchthaus brachte. Zudem hatte Drossel Strafverfahren gegen zwei enge Mitarbeiter des Kreisleiters eingeleitet, die ebenfalls zu Zuchthaus- bzw. Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die NSDAP konnte bei der Schwere einer solchen Straftat ihren Kreisleiter nicht halten, ließ aber ihren Unmut darüber an dem Polizisten Drossel aus, da er, Parteimitglied seit 1. Mai 1933, mit seiner Anzeige nicht im Sinne der Partei gehandelt hatte. Zuerst wollte die Partei ihn als Polizisten nach Polen versetzen. Das wiederum verhinderten Drossels Vorgesetzte und das Beamtenrecht.

Zu diesem Zeitpunkt war die Planstelle des Dienststellenleiters in Rothenburg frei, wohin Drossel dann versetzt wurde. Denn Rothenburg war in Parteikreisen als „parteihörig“ bekannt, wie aus den Aussagen in Entnazifizierungsaussagen hervorgeht. Die Rothenburger NSDAP wusste natürlich um die Gründe der Versetzung. In seinem Lebenslauf schrieb Drossel 1946: „Sowohl der vertretungsweise eingesetzt gewesene Kreisleiter Seitz aus Ansbach, als auch sein Nachfolger Höllfritsch ließen mir dies bei jeder Gelegenheit, wo ich verpflichtet war, dienstlich mit ihnen zu verkehren, merken.“ Wie sich dann Hans Drossel zwischen den Forderungen und Erwartungen der Partei, seinem Berufskodex, den er, wie er sagte, stets voranstellte und sich selbst als „gerechtigkeitssinnig“ ansah, ist beim Studium der Akten höchst unklar und widersprüchlich.
So wie sich Hans Drossel selbst gesehen hatte, konnten etliche Rothenburger dann doch nicht folgen. Etliche schilderten ihn in seinen Methoden brutal, als er beispielsweise einen wehrlosen alten Ukrainer namens Chomitzky, von Kollegen bereits festgehalten, an der Bronnenmühle erschoss. Wenige Tage später rückten die Amerikaner ein und alles ging erst einmal drunter und drüber. Bei den Ermittlungen zur Entnazifizierung im Herbst 1946 war der Chomitzky-Fall wohl in noch frischer Erinnerung und es lagen auch protokollierte Zeugenaussagen vor. Sie wurden weder im Entnazifizierungsverfahren berücksichtigt noch an die Justiz weitergegeben. Die Polizeiarbeit des Hans Drossel in Kriegszeiten als Schutzpolizist und NSDAP-Mitglied zwischen den Erwartungen der Partei und des Rechts, der Bevölkerung und der vielen Gefangenen, Deportierten und Ostarbeiter lassen ihn nicht so „geradlinig“ erscheinen, wie er sich selbst sah: Drossel: „Ich bemühte mich stets, ein gerechtes und menschliches Verhalten gegenüber der Bevölkerung in allen Dienstobliegenheiten von jedem Polizeibeamten zu verlangen.“ Dabei ging er selbst nicht immer mit gutem Beispiel voran, wie Zeugen aussagten.

1) Lebenslauf – von Hersbruck nach Rothenburg

Hans Drossel wurde als 11. Kind einer Gütlersfamilie in Stierhöfstetten/Kreis Hersbruck geboren. Bis zu seinem 15. Lebensjahr war er im Elternhaus und in der Landwirtschaft tätig. 1912 kam er zum Militär und wurde nach dem Ersten Weltkrieg entlassen, hatte 1918 geheiratet und zwei Kinder bekommen. Mit städtischen und staatlichen Darlehen baute er ein Wohnhaus in Hersbruck, das er bis zum Wegzug 1941 bewohnte. Seine Ehefrau war bereits 1937 verstorben und Drossel hat sich 1941 in Rothenburg  wiederverheiratet. Nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst 1919 fand er mit Hilfe der SPD beim Kommunalverband Hersbruck eine Anstellung als Hilfsschutzmann. 1933 trat er in die NSDAP ein und aus der Kirche aus, besuchte die Polizeihauptschule in Fürstenfeldbruck und wurde anschließend Dienststellenleiter und Polizeimeister in Hersbruck. (Foto: SA-Aufmarsch in Hersbruck 1934.) Nachdem durch seine Ermittlungen der NSDAP-Bürgermeister und Kreisleiter Sperber (sogen. „Sperber-Affäre“) des Mordes an seinem Sohn überführt werden konnte, wurde Drossel am 1. Juli 1941 nach Rothenburg ob der Tauber versetzt, wo er bereits am 24. April 1941 Henriette Adolph geheiratet hatte. Er blieb in Rothenburg Dienststellenleiter bis zum Einrücken der Amerikaner am 17. April 1945. Hans Drossel wir von den Amerikanern festgesetzt und 16 Wochen lang interniert, davon sechs Wochen unter freiem Himmel. Wieder frei und in seiner Wohnung Johannitergasse 9/I wohnend, bewarb er sich beim Landrat um Wiederaktivierung als Polizeibeamter. Über sich selbst schrieb er in dem Gesuch:

„In meiner 26-jährigen Dienstzeit als Polizeivollzugsbeamter habe ich niemals das Prinzip der Unparteilichkeit in allen meinen Dienstangelegenheiten verlassen, was mir besonders in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes große Schwierigkeiten und Verfolgungen eintrug…Ich nehme an, dass auch der jetzige Staat solchen charakterfesten Menschen braucht, weshalb ich die Bitte vorbringe, mich in den Aufbauprozess unseres Volkes als Beamter, wenn irgendwie möglich in meinem bisherigen Beruf, wieder verwenden zu wollen.“

Der Landrat, i. V. Wirsching, stellte den Antrag Drossels am 18. September 1945 „bis auf weiters zurück, da Drossel, der seit März 1933 [müsste heißen Mai 1933] Parteimitglied ist, z. Zt. keine Aussichten hat, als Beamter reaktiviert zu werden“. 1946 musste sich Drossel in Rothenburg der Entnazifizierung stellen. Im Laufe des Sommers vernahmen die Ermittler der Spruchkammer Zeugen und protokollierten deren Aussagen über das öffentliche Verhalten des Polizisten Hans Drossel, die sich nicht deckten mit den Aussagen Hans Drossels über sich selbst.

2) Die Ermittlung – Zeugenaussagen zu Protokoll gegeben

Leonhard Seidelmann: Drossel hat die Hauptschuld, dass ich ins KZ kam

Leonhard Seidelmann, von Beruf Tüncher, geboren 1907, wohnhaft in der Adam-Hörber-Straße 35 sagte aus, dass er 1943 in der Seifenfabrik beschäftigt war und im Sommer dieses Jahres zwei Tage von der Arbeit ferngeblieben war. Daraufhin wurde er von der Polizei festgenommen und ins Polizeigefängnis verbracht. Dort verblieb er monatelang bis Februar 1944. Während dieser Zeit versuchte sein Vorgesetzter in der Seifenfabrik, Moritz, ihn für die Arbeit in der Seifenfabrik freizubekommen. Im Protokoll der Zeugenvernehmung vom 30. Juli 1946 anlässlich der Entnazifizierung Drossels, schrieb Seidelmann: „Doch Herr Drossel gab mich nicht frei, er sagte ich müsse nach Dachau (Konzentrationslager). Im Februar 1944 wurde ich dann tatsächlich nach Dachau überführt, wo ich bis zum Einmarsch der Amerikaner war. Ich schiebe Drossel die Hauptschuld zu, dass ich ins KZ wandern musste.“ Seidelmann war bekannt als Trinker. 1936 war er in einer Trinkerheilstätte untergebracht. Offensichtlich genügte dies den Behörden, ihn als Asozialen ins KZ einzuweisen.

Karl Sperling: Er schrie, dass er Lust hätte, mich … zu erschießen!

Im Sommer 1944 war der Mechaniker Karl Sperling, geboren 1902 in Niklasdorf-Sudentenland, als Soldat einer Landesschutzeinheit in Fürth zum Arbeitseinsatz in der Baywa nach Rothenburg abkommandiert worden. Einquartiert war er im Hause von Frau Giel am Grüner Markt in der Wohnung von Frau Mayerhöfer.
Am 16. August 1944 ging Karl Sperling nach Feierabend wie gewohnt zum Abendessen in den Gasthof „Zum Greifen“ und von dort nach Hause. Die Hausbesitzerin Giel schaute aus dem Fenster ihre Wohnung im Erdgeschoss. Es war ein warmer Sommerabend und es kam zu einem Gespräch zwischen ihm und Frau Giel, in dessen Verlauf sich Karl Sperling „heftigst über den Krieg“ ausließ. „Auch sagte ich, dass es schade sei, dass die Generale den Hitler nicht erschossen hätten, da wäre dann doch endlich Ruhe gewesen, da doch alles so sinnlos sei.“ So und ähnlich äußerte sich Sperling gegenüber der Zuhörerin, bis seine Wohnungsgeberin, Frau Meyerhöfer, von der Arbeit kam und beide gemeinsam die Treppe hinauf in die Wohnung gingen. Frau Meyerhöfer hatte wohl einige Worte aufgeschnappt und warnte beim Hinaufgehen Karl Sperling, gegenüber Frau Giel vorsichtig zu sein mit Äußerungen, wenn es um Politik ginge.
Genau acht Tage nach diesem Gespräch mit Frau Giel holte ein Polizist Karl Sperling von seiner Arbeitsstelle ab und brachte ihn auf die Polizeiwache, wo er von Hans Drossel über seine staatsfeindlichen Äußerungen befragt wurde. Karl Sperling im Zeugenprotokoll vom 27. August 1946: Dem Polizeileutnant „in der Vernehmung behilflich war ein großer starker Mann, ein Sturmbannführer. Der Polizeileutnant [Drossel] beschimpfte mich im Laufe der Vernehmung, die von halb 9 morgens bis halb 12 Uhr mittags dauerte, immer wieder fürchterlich. Unter anderem schrie er mich an, dass er Lust hätte mich auf der Stelle zu erschießen. Wiederholt stellte er mir die Frage: ,Sie haben sich gegenüber der Frau Giel so und so geäußert. Tun sie doch nicht so, es sind noch mehrere Zeugen da’.“
Die Vernehmungsmethoden brachten Sperling dann so weit, dass er seinen Widerstand aufgab. Er hatte das Gefühl, dass sowieso schon alles feststand, was mit ihm passieren würde. So war es dann auch. Er wurde in das Amtsgerichtsgefängnis Rothenburg, dann in Untersuchungshaft zu seinem Truppenteil nach Fürth und nach vier Wochen nach Berlin in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Tegel gebracht.
In Berlin wurde ihm der Kriegsgerichtsprozess gemacht. Der Staatsanwalt beantragte die Todesstrafe. Hans Sperling hatte Glück. Denn das Gericht stimmte dem Antrag seines Rechtsanwalts zu, dass die Zeugin Giel aus Rothenburg ob der Tauber vor einer endgültigen Entscheidung erst einmal gehört werden müsse. Die Verhandlung wurde bis zur Ankunft der Zeugin vertagt. Zu einem endgültigen Urteil kam es nicht mehr, denn die Russen waren inzwischen bis Stettin vorgedrungen. Es wurde eine Bewährungseinheit der Wehrmacht zusammengesetzt unter dem Kommando des zum Tode verurteilten Majors Ostemann. Der 6. Kompanie gehörte auch Hans Sperling an. Das Kommando wurde in die Festung Torgau verlegt und von dort in Richtung Leipzig in Marsch gesetzt. Von seinem Kriegsgerichtsprozess hörte Sperling nichts mehr. Wie gesagt: ein Glücksfall.

Martin Betscher: „Da schrie mich Drossel an: Ich werde Sie bestrafen!“

1944 wurde in Rothenburg eine sogenannte Stadtwacht aufgestellt, die über bestimmte Anlagen in der Stadt wie Elektrizitätswerk oder Magazinen wachen und auch Gefangene bei Arbeiten bewachen sollten. Die dazu einberufenen Männer waren schon älter und brauchten keinen Frontdienst mehr leisten. Im Jahr 1944 bekam der 65 Jahre alte Martin Betscher die Vorladung, sich im Kaisersaal des Rathauses zur Vereidigung der Stadtwacht einzufinden. Martin Betscher ging nicht hin, weil er sich für solche Aufgaben zu alt fühlte. Daraufhin wurde er zweimal von Polizeibeamten in der Wohnung aufgesucht und aufgefordert, zum Dienst in der Stadtwacht zu erscheinen. Als er auch diesen Aufforderungen nicht nachkam, erhielt er einen Bescheid des Polizeileutnants Drossel, sich bei ihm auf der Polizeiwache einzufinden. Martin Bescher ging nun hin. Dazu Betscher im Ermittlungsprotokoll zur Entnazifizierung Drossels vom 5. August 1946:

„Es folgte eine heftige Auseinandersetzung. Ich sagte zu Drossel: Bei der Stadtwacht wird auch exerziert! Da rumpelte Drossel auf und schrie: ,Jawohl, das wird dort gemacht!’ Daraufhin sagte ich zu Drossel, das brauche ich nicht mehr, das kann ich schon, ich habe 8 Jahre Militärzeit, davon 5 Jahre Weltkrieg 1914–18 hinter mir und die es nicht können, die sollen es lernen, und im Übrigen bin ich schon 65 Jahre alt.“

Weiter erklärte Betscher, dass er bei der Stadtwacht keinen Dienst machen könne, da er bereits beim Werkluftschutz bei der Firma Heinrichmeier und Wünsch eingeteilt sei und dort bei jedem Alarm des Nachts oft zwei- bis dreimal anzutreten hätte. „Da schrie mich Drossel an: ‚Wenn die Polizei Sie ruft, haben Sie da zu sein! Ich werde Sie bestrafen!‘“ Martin Betscher entgegnete dem aufgebrachten Polizeileutnant, dass er machen könne, was er wolle. Daraufhin bekam Betscher einen Strafbescheid in Höhe von 10 Reichmark zugeschickt, den Betscher bezahlte. Eine Woche später wurde er zur Nachtwache bei den Gefangenen im Stadion eingesetzt. „Um weiteren Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen“, so Betscher, „versah ich diesen Dienst.“

Fritz Klingler: Drossel schlug mit einem Pfahl auf den Gefangen ein!

Als im Heckenacker die Behelfsheime gebaut wurden, waren als Arbeitskräfte strafgefangene Ostarbeiter im Einsatz. Eine solche Gruppe aus zehn bis fünfzehn Mann unterstand dem städtischen Arbeiter Fritz Klingler, damals 53 Jahre alt. Dieser war Zeuge einer brutalen Behandlung eines Ostarbeiters durch den Revierleutnant Drossel.
Im Herbst 1944 wurden die Gräben für die Wasserleitungen der Baracken im Heckenacker ausgehoben. Die Kleidung der Ostarbeiter, die das machen mussten, war in einem höchst zerlumpten Zustand, „so dass das Mitleid einzelner Frauen der Siedlung erregten und diesen einige abgelegte Kleidungsstücke heimlich zusteckten.“ Fritz Klingler sah darüber hinweg. Nicht aber der Polizeileutnant Hans Drossel. Klingler gab am 29. Juli 1946 zu Protokoll:

„Eines Tages war wieder einer zum .Schnurren’ weggegangen und kam gerade mit einer Hose unter dem Arm daher, als Leutnant Drossel dazukam. Dieser riss sofort einen Pfahl aus der Erde und schlug damit auf den Gefangenen ein. Daraufhin stellte er mich zur Rede, dass ich in Zukunft unter keinen Umständen mehr dulden dürfte, dass einer von der Arbeit oder von der Kolonne wegläuft, andernfalls es für mich schlimme Folgen haben würde. – Bemerken möchte ich noch, dass der betreffende Ostarbeiter an den folgenden Tagen nicht mehr zur Arbeit kam.“

Warum er nicht mehr zur Arbeit kam, darüber gibt es keine Informationen. Allerdings wissen wir heute, dass strafgefangene Ostarbeiter bei geringsten Anlässen auch erschossen oder erschlagen wurden.

Fritz Ohr: „Er behandelte mich bei der Vernehmung brutal!“

An einem Sonntag im Juli 1941 ging der Rothenburger Schmiedemeister Fritz Ohr nach Detwang zur Kirche. Vor der Kirche unterhielt er sich mit Bekannten „über den Krieg und anderes“. Im Laufe des Gesprächs bezeichnete er den NS-Propagandaminister Goebbels als „einen Lumpen“ und andere in Berlin als Spitzbuben. Dieses Gespräch blieb der Polizei nicht verborgen. Einer von denen, die zuhörten, musste ihn denunziert haben. Denn einige Zeit danach wurde er von dem Polizeileutnant Drossel festgenommen. „Er behandelte mich bei der Vernehmung brutal und nicht als Leutnant und Vorgesetzter der hiesigen Polizei würdig.“ Hans Drossel übergab den Schmiedemeister der Gestapo. Er wurde zu vier Wochen Gefängnis verurteilt, saß davon acht Tage im Überführungsgefängnis Rothenburg, dann wurde die Gefängnisstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt.

Bronnenmühle: Drossel erschoss den wehrlosen Nikolaus Chomitzky

Ein Vorfall am 11. April 1945, wenige Tage vor dem Einrücken der Amerikaner, erschoss Polizeioberleutnant Drossel in der Bronnenmühle (Foto) einen wehrlosen und bereits festgenommenen ukrainischen Deportierten. Dieser von der Spruchkammer 1946 ermittelte Vorfall wurde allerdings nicht deren zweiseitige Klageschrift vom 24. September 1946 (Az. 929/Ro/D) gegen Drossel aufgenommen, obgleich es dazu vier Zeugenaussagen und einen amtlichen Bericht gab. Es gab auch nach 1945 keine Strafanzeige wie es auch keine Begründung gab, warum dieser Vorfall dem Polizeileutnant nicht angelastet wurde. Offensichtlich wurde diese Tötung als normale Polizeiarbeit angesehen, so, wie sie Drossel selbst beurteilte und seine beteiligten Kollegen ebenfalls.

Drossel schrie: „Lass ihn los!“ und erschoss ihn dann mit der M. P.

Willibald Braun, Ex-Polizist und nach 1945 Gastwirt am Grüner Markt 10 in Rothenburg, gab aus seiner Erinnerung am 31. Juli 1946 zu Protokoll, dass die Polizei damals telefonisch informiert wurde, dass sich in der Bronnenmühle ein Komplott gebildet hätte, um beim Heranrücken der Amerikaner Plünderungen auszuführen. Woher der Anruf kam, wusste Braun nicht, denn er kam erst kurze Zeit nach dem Anruf in die Wache. Revierleutnant Drossel bestimmte ihn sowie die Polizeibeamten Schröder und Weiss, der Sache nachzugehen. Drossel selbst übernahm die Leitung. Braun gab zu Protokoll:

„Unterweg an der Kurzen Steige wurden von uns bereits zwei Franzosen (Deportierte) angehalten, die konnten sich aber ausweisen und wir ließen sie laufen. Als wir unten von der Kurzen Steig den Weg zur Bronnenmühle eingebogen waren, kamen uns zwei Männer entgegengelaufen. Auf Anruf von Schröder lief der eine davon, während der andere Schröder angriff und dessen Taschenlampe entreißen wollte. Ich lief zuerst dem andern nach und erwischte ihn auch noch und hielt ihn in Schach. Als ich sah, dass sich Schröder des Angreifers nicht erwehren konnte, wollte ich ihm zu Hilfe eilen, was natürlich der andere ausnützte und bei der Dunkelheit entfloh. Unterdessen schrie Drossel zu Schröder und Weiss, welche sich mit dem Angreifer balgten: ,Lasst ihn los!’, worauf ihn Drossel mit der M.P. niederschoss. Während dieses Vorgangs merkte ich noch, dass in der Dunkelheit einige Personen die Treppe zur Kurzen Steige hinausliefen, so dass ich selbst der Ansicht war, dass es sich um ein Komplott handelte. Ich muss deshalb aussagen, dass Drossel seine Polizeigewalt nicht überschritten hat.“

Soweit die Aussage des beteiligten Polizisten Willibald Braun. Der Niedergeschossene war Ukrainer und hieß Nikolaus Chomitzky (auch Chomiky), geboren 1912. Er wohnte mit seiner Frau an der Kurze Steige 7a. Die amtliche Todesursache lautete: „Maschinengewehrschuss durch die rechte Brust.“

Es gibt keine Belege für ein angebliches Komplott in Bronnenmühle

Gedenktafel der ermordeten Zwangsdeportierten auf dem Rothenburger Friedhof

Bei Überprüfung aller vorhandenen Akten konnte nicht festgestellt werden, dass unter den Bewohnern der Bronnenmühle ein Komplott mit Plünderungen geplant war. Vielmehr hatte an jenem Tag, es war ein Sonntag, die ukrainischen Deportierten, die in der Bronnenmühle wohnten, ein Fest gefeiert und sich gefreut, da ihnen die anrückenden Amerikaner die Freiheit brächten. Darüber berichtet der deutsche Schreiner Georg Eisenmann, der in der Bronnenmühle wohnte im Protokoll vom 31. Juli 1946. Er berichtet, dass unter den Ukrainern einen Man namens Pschjama (sic! wohl nicht die richtige Schreibweise) war, mit dem es einen heftigen Streit gegeben hatte. Den Pschjama „war entweder Mitglied oder Anhänger der NSDAP und empörte sich darüber, dass sich die anderen über das Heranrücken der Amerikaner freuten“. Über den Vorfall selbst konnte Eisenmann nichts aussagen, doch erfuhr er von Hauptwachtmeister Schröder, dass Chomitzky auf Anruf nicht angehalten habe, sondern Widerstand leistete. Weiter heißt es im Protokoll:

„Als ihn Schröder und Weiss bereits überwältigt hatten, schrie Drossel: ,Lasst ihn los!’ Worauf ihn Drossel mit einem Schuss erledigte. Auf die Frage von Eisenmann an Schröder am andern Morgen, wie es mit dem Sarg stehe, den Frau Chomitzky bestellte, entgegnete dieser: ,Dieser Lump braucht keinen Sarg, der ist bereits verscharrt!’ Wegen des Ausdrucks Lump befragt, erklärte Schröder, es hat ihm so gebührt, wegen des Widerstandes, den er leistete bei der Verhaftung.“

Nikolaus Chomitzkys Witwe nannte zwei Volksdeutsche als Informanten

Chomitzky war also verheiratet und seine Frau lebte mit ihm an der Bronnenmühle. Ihr voller Name: Pelagija Chomicka. Sie gab am 31. Juli 1946 zu Protokoll, dass sie die Frau des von dem Polizeibeamten Drossel erschossene Chomitzky sei und gab an, dass zwei Volksdeutsche am 1. April 1945 bei der NSDAP-Kreisleitung eine Meldung gemacht hatten, deren Inhalt ihr aber nicht bekannt war. Sie gab zu Protokoll:

 „Kurze Zeit darauf erschien in der Bronnenmühle die Polizeibeamten Drossel, Schröder, Weiss und Braun, um einer Sache nachzugehen. Dabei muss es zu einem Handgemenge mit den Betreffenden gekommen sein, bei dem der Betroffene von den Polizeibeamten Drossel erschossen wurde.“

Weiter konnte die Witwe Chomitzkys aussagen, dass die anderen beteiligten Ukrainer nicht mehr in Rothenburg waren, sondern sich in einem Ausländerlager in Ulm befänden. Einer von ihnen, namens Kock, wohnte noch in Rothenburg. Die Adresse war ihr unbekannt. Weiter konnte die Witwe nichts sagen, weil sie bei dem Vorfall nicht anwesend war.

Johann Kern empörte sich über das Verhalten der Polizei

Und noch ein Rothenburger konnte über den Fall Drossel-Chomitzky Auskunft geben. Johann Kern, Schuhmachermeister am Kirchplatz 6, gab am 31. Juli 1946 zu Protokoll:

„Chomitzky war bei mir vom Februar bis zum 11. April 1944 beschäftigt. Er war in dieser Zeit ein treuer und fleißiger Arbeiter. Die letzten Wochen machte er Heimarbeit für mich, weil er kränklich war. Am 11. April, abends um 8 Uhr, lieferte Chomitzky wieder fertige Arbeit ab, worauf ich ihn auszahlte. Dann ging er wieder mit neuer Arbeit nach Hause. Am andern Morgen kam Frau Chomitzky in meine Wohnung und erzählte mir, was geschehen war. Ihr Mann sei nach Hause gekommen und habe nicht in die Wohnung gekonnt, da sie weggegangen war, um bei Friedle in Detwang Bier zu holen. Wahrscheinlich wollte ihr Mann sie abholen, wurde dabei von den Polizeibeamten angerufen, lief aber weiter und wurde von der Polizei festgehalten und erschossen.“

Johann Kern hat diesen Vorfall „in empörender Weise“ im Gasthaus zum Marktplatz geschildert, und dabei gesagt, dass „es eine Schande sei, einen so schwächlichen Menschen, wie Chomitzky einer war, von drei Beamten nicht abführen zu lassen, sondern gleich zu erschießen“.

3) Bericht des Ermittlers vom 3. August 1946

Drossel trat am 1.Mai 1933 angeblich unter Zwang seiner vorgesetzten Behörde in die Partei ein. Beim NSFK war er als Fluglehrer im Rang eines Obertruppführers aufgestellt. Ein weiteres Amt war Ortsgruppenwart beim Reichsbund Deutscher Beamter.

„Belastendes: Das folgende Belastungsmaterial ist so vielseitig, dass es schwer ist. wie weit seine Befugnisse und seine Verantwortlichkeit als Polizeischef (sic!) gingen, ist es ebenso schwer zu sagen, ob er in manchen Fällen als Oberleutnant der Sicherheitspolizei oder als Nationalsozialist gehandelt hat. Dabei geht auch die Meinung der Bevölkerung nach zwei Seiten. Fest steht, dass er seine Machtbefugnisse bis zu Neige ausgenützt hat, in Fällen, in denen es nicht nötig gewesen wäre. Allein das lässt erkennen, dass er ein williges Werkzeug der Naziführung war. Deshalb wird er auch von vielen Rothenburgern als guter Nationalsozialist geschildert. Das Maß seiner Belastung ist aus dem beigehefteten Belastungsmaterial zu ersehen.
Entlastendes: Das beigeheftete Entlastungsmaterial von Drossel rührt noch von seiner Tätigkeit in Hersbruck her. Von Seiten seiner ihm damals unterstehenden Polizisten wird Drossel als vorbildlicher Vorgesetzter geschildert. Der sich zu jedem anständig und kameradschaftlich benahm. Von anderen Seiten wird behauptet, er wäre ein objektiver und gewissenhafter Polizeischef (sic!) gewesen, der im Gegensatz zur Nazirechtsauffassung stand.“
Bemerkungen: Über die in Rothenburg verbreitende Gerüchte, denen zufolge Drossel verschiedene Male ausländische Gefangene misshandelt haben soll, konnte noch folgendes ermittelt werden: Martin Gross, geb. 1883, der als Aufsicht bei den ausländischen Gefangenen im Stadion aufgestellt war, sagt folgendes aus: Drossel gab einem Gefangenen den Auftrag, für Ordnung usw. innerhalb der Unterkunft zu sorgen. Diesen Anordnungen fügten sich einige Gefangene nicht. Dies wurde nun den zur Aufsichteingeteilten Mitgefangenen bei Drossel gemeldet, Daraufhin ließ Drossel durch einige von ihm dazu bestimmte Gefangenen diese Widerwilligen aushauen. Bei diesem Vorgang war Gross Augenzeuge.
Der ebenfalls dort als Aufsicht tätige Johann Teufel, geb. 1877, sagte aus: Als ich eines Mittags meinen Dienst bei den Gefangenen antrat, fiel mir ein Gefangener besonders auf. Auf mein Befragen, was er denn habe, sagte dieser, dass er von Drossel ziemlich geschlagen worden sei. Gesehen habe er das nicht. Der Betreuer der Gefangenen Leonhard Dörrer, sagt, dass er einmal einen Gefangenen zur Behandlung bekommen hatte, der durch Misshandlung mehrere blutunterlaufene Striemen aufwies. Wer diesen Gefangenen gezüchtigt habe, kann er nicht sagen. Andere an dieser Sache vernommene Aufsichtspersonen wie Schmid, Kunz, Götz und Krauthahn wissen über eine Misshandlung der Gefangenen von Seiten Drossel nichts auszusagen. –
Rothenburg ob der Tauber, den 3. 8. 1946, Roesch, Unterschrift“

4) Klageschrift der Spruchkammer

In der Klageschrift vom 24. September (Az. 929/Ro/D) beschreibt der öffentliche Kläger Adolf Bohn noch einmal, dass Has Drossel seit 1. Mai 1933 der Parteiangehörte, seit 1937 dem NSFK sowie Mitglied weiteren vier NS-Organisationen angehörte.

„Der Eintritt in die NSDAP erfolgte nach glaubhaften Angaben von ihm selbst und von Zeugen unter einem gewissen Zwang. Seine innere Einstellung, die der SPD zuneigte, hat er ohne Zweifel nicht geändert und hat durch seine konsequente Haltung nicht die Folgen gescheut, und einen Parteifunktionär der Nazis seiner gerechten Strafe zugeführt (Drossel-Sperber-Vorfall). Hier war wohl der Grund zu sehen, warum dann auch am 1. 7. 40 die Versetzung des Betroffenen von Hersbruck nach Rothenburg erfolgte. Mit den Parteidienststellen in hiesiger Stadt stand er zweifellos nicht auf ganzem Fuß, er widersetzte sich des Öfteren als Dienststellenleiter der Schupo Rothenburg den ungerechtfertigten Anforderungen der Kreisleiter Seitz und Höllfritsch. Obwohl er hier mit der ganzen Dienststelle in ständigen Konflikten gegen die Parteistellen stand, wird Drossel beschuldigt, ungerechte Maßnahmen angewendet zu haben, wie folgt (damit geht der Kläger teilweise auf die oben unter Ermittlungen dargestellten Aussagen ein):

  1. „Im Herbst 1944 hat er einen ostländischen Strafgefangenen, weil dieser sich von seiner Arbeitsstätte entfernte, um bei der deutschen Zivilbevölkerung eine Kleidungsstück zu erlangen, mit einem Prügel geschlagen.“
    II. „Im Juli 1941 hat Drossel einen hiesigen Geschäftsmann in brutaler Weise vernommen und denselben angeblich der Gestapo übergeben.“
    III. „Drossel wird beschuldigt, die Verbringung des Tünchers L. Seidelmann nach Dachau befürwortet zu haben.“
  2. „Im August 1944 hat er einen zum Arbeitseinsatz hierher abkommandierten Soldaten nach ergangener Anzeige durch die Partei in brutaler Weise vernommen und Geständnisse erzwungen, die dieser gegen das Hitler-Regime machte.“
    Auf Grund dieser Anschuldigungen beantrage ich, den Betroffenen nach Art. 5 Abs. 6, 7 / I Z. 1 und 3 und Art. 7/II Z. 10 in die Gruppe 1 der Hauptschuldigen einzugliedern.“

Die anderthalbseitige Klageschrift (zzgl. Beilagen) ist nicht nur aus heutiger Sicht und heutigem Wissen eine Farce. Sie war es sicherlich auch aus der damaligen Sicht von 1946. Die Anschuldigungen Rothenburger Bürger gegen Hans Drossel wurden nur teilweise in die Klageschrift aufgenommen. Es fehlt auch die Tötung des wehrlosen und bereits festgenommenen Ukrainers Nikolaus Chomitzky an der Bronnenmühle. Den Dienststellenleiter der Schutzpolizei mit diesen wenigen Zeilen zu einem Hauptschuldigen der Gruppe I zu verurteilen kontrakarriert zudem die Klageschrift. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Spruchkammer am 16. Oktober 1946 Hans Drossel lediglich zum Mitläufer (Gruppe 4) machte (siehe unten).

5) Gegenbeweisbegründung Drossels vom 6. Oktober 1946

Hans Drossel reagierte auf gerade anderthalbseitige Klageschrift mit einer sechsseitigen eng beschriebenen Stellungnahme als sogenannten Gegenbeweis. Diese ausführlich darzustellen wären Wiederholungen, des bereits hier Geschilderten. Im Übrigen widersprach er jeder ihn negativ belastende Aussage stellte sie als Lüge oder Gerücht dar und zitierte immer wieder das damals im nationalsozialistischen Staat geltende Polizeirecht. Die Schläge mit einem Pfahl auf den gefangenen Ostarbeiter im Heckenacker,

dem eine Frau eine alte Hose schenkte und er sie unterm Arm hatte, wie der Aufseher Fritz Klinger bekundete, schilderte Drossel als „nicht zutreffend“. Dann schrieb er eine Seite lang darüber, dass die alleinstehenden Frauen im Heckenacker Angst vor den Fremden hätten und er sie zu schützen hatte: „Die Gefahr zur Begehung weiterer Vergehen oder Verbrechen war im Verzuge.“ Und zu dem Bestrafungsschläge mit dem Pfahl auf einen Gefangenen mit der geschenkten Hose unterm Arm, schrieb er: „Ich gab dem letzten Mann, als er an mir vorüberging, einen leichten Streich über das Gesäß. Es handelte sich im vorliegenden Falle um einen einmaligen Vorgang und eine reine Affekthandlung. … Das angewendete Mittel war gegenüber dem Gebrauch der Schusswaffe eine sehr mildes.“ Das der geschlagene Ostarbeiter tagelang nicht mehr zur Arbeit kam, bezweifelte der Polizist. Weiter schrieb Hans Drossel, dass  er, obwohl er seine Arbeit als Polizist machte, als Schuldiger hingestellt würde:

„Immer und zu allen Zeiten war es doch so, dass, wenn die Polizei gegen einen Störer der Ordnung vorgehen musste, sie zuletzt den Schuldigen machen sollte, so ist es auch hier. … Von einer Überschreitung der Amtspflicht kann nicht die Rede sein und ich lehne jede Beschuldigung ab.“ Solche Redewendungen durchziehen alle sechs Seiten seiner Gegenbeweisbegründung wie „Die Anschuldigungen entsprechen nicht der Wahrheit“, „Hier habe ich meine Amtspflichten nicht überschritten und lehne daher jede Verantwortung ab … und kam meinen Pflichten als normaler Polizeibeamter nach … Die Polizei unterliegt dem Verfolgungszwang, wenn sie sich nicht selbst strafbar machen will.“

Dann schrieb Hans Drossel über seinen Charakter folgendes:

„Eine Unterstützung und Förderung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch meine Einstellung gegenüber dieses Regimes (sic!) ist nicht erfolgt. Es wäre ganz konträr gewesen, mich einerseits zu widersetzen und andererseits wieder für sie zu wirken, ein solcher Charakter bin ich nicht, sondern in allen meinen Handlungen objektiv, unbeirrbar und einen geraden Weg gegangen, ohne Rücksicht auf die mir dadurch tatsächlich entstandenen Folgen.“

6) Entnazifizierungsspruch vom 16. Oktober 1946

Der Spruchkammer, die in Sachen Hans Drossel zusammentrat, gehörten unter Vorsitz von Georg Schadt noch Michael Emmerling, Heinrich Gruber, Ludwig Stumpf und Hans Prossel als Beisitzer an sowie Adolf Bohn als öffentlicher Kläger und Ilse Scharfenort (oder Scharvenort) als Protokollführerin. Hans Drossel, Polizeibeamter, wohnhaft in Rothenburg, Johannitergasse 9, wurde auf Grund der mündlichen Verhandlung als Mitläufer in Gruppe 4 nach Art. 2, 10 und 34 eingereiht. Als Sühnemaßnahmen wurden eine einmalige Zahlung an einen Wiedergutmachungsfonds in Höhe von 2000 Reichsmark auferlegt. Der Streitwert der Verhandlung wurde auf 4.200 Reichsmark festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens hatte Drossel zu tragen. Die Begründung:

„Der Betroffene war Mitglied der NSDAP ab 1. 5. 1933, ohne Amt, ferner war er Mitglied des NSFK ab 1. 9.1937 bis 1942 und hat dort ehrenhalber den Rang eines Obertruppführers bekleidet. Die Zugehörigkeit zu drei weiteren Organisationen ist nicht von Bedeutung.
Dem Betroffenen sind in der Anklage verschiedene Übergriffe bei Vernehmungen in seiner Eigenschaft als Polizeiführer zur Last gelegt worden, desgleichen wurde ihm die Misshandlung eines ausländischen Zwangsarbeiters vorgehalten. Zur Beweisführung waren 9 Zeugen erschienen, die weitere Belastungen aufklärten bzw. richtig stellten. Die Verhandlung hat bewiesen, dass die dem Betroffenen zur Last gelegten Taten nicht aufrecht erhalten werden konnten, lediglich ist festgestellt worden, dass er sich im Verlauf von dienstlichern Vernehmungen hinreißen ließ. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Betroffene seine Dienstpflicht nicht verletzen konnte, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Es ist festgestellt worden, dass er verschiedene Male Andersdenkende vor Anzeige bewahrt und deren Bestrafung abgewendet hat. Auch in seiner Eigenschaft als Polizeimann hat er sich gegen Verbrechen und Auslassungen verschiedener Parteiorgane gewendet und sich im großen Ganzen korrekt benommen.
Andererseits hat er der Partei und einer Gliederung angehört, eine aktive Betätigung ist nicht vorhanden, er ist kriegsbeschädigt, doch konnte er deswegen seinen Dienst verrichten. Dem gegenüber steht wieder seine mitunter aktive Betätigung gegen die Anordnungen der Partei und ist dadurch gewissen Nachteilen nicht verschont geblieben.
Sein Eintritt in die Partei will deswegen erfolgt sein, damit der Betroffene in seinem Amt verblieben ist, es war aber eine gewisse Freiwilligkeit dabei zu verzeichnen. ER ist aber auch, verbunden mit seiner langjährigen Laufbahn und seinen Fähigkeiten, trotz seiner ablehnenden Einstellung befördert worden. Es wird ihm das jedoch nicht angerechnet. Bei einigermaßen besserem Verständnis des Betroffenen hätte die Bestrafung des einen Zeugen unterbleiben können, da nachweisbar das ärztliche Zeugnis desselben nicht beachtet worden ist.
Das Gesamtbild des Verfahrens ist dementsprechend ausgewertet und danach geurteilt worden.“
– Stempel der Spruchkammer und Unterschrift des Vorsitzenden Schadt sowie der Beisitzer Emmerling, Gruber, Stumpf und Prossel.

13 Tage nach nach dem Spruch der Entnazifizierungkammer verzog der mittlerweile 53-jährige Hans Drossel am 29, Oktober 1946 mit seiner Familie nach Hersbruck zurück, wo er noch ein Wohnhaus hatte. Seine Begründung: „Nachdem scheinbar in Rothenburg keine Aussicht mehr besteht, in meinem Beruf als Polizeibeamter unterzukommen.“ Hans Drossel starb 1961 in Herbruck.

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Anmerkungen: Die Schreibweise Drossel ist auch auf offiziellen Schreiben und in amtlichen Registern unterschiedlich mit ss oder ß. Wir haben im vorliegenden Text das auch so übernommen. Er selbst unterschrieb in Sütterlinschrift natürlich mit ß.  – Quellen: Staatsarchiv Nürnberg, Bestand Sprk Rothenburg o. d. Tbr., Nr. D-75. – Stadtarchiv Rothenburg, Heiratsbescheinigung. Heimatbeilage zur Hersbrucker Zeitung, Febr./Apri/Juni/August/Oktober 1989. Dieser Beilage wurde das obige Foto entnommen.
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