Die Volkswohlfahrt: Spenden – befohlene Opferbereitschaft für Notleidende und den Krieg. Gesammelt wurden Knochen, Tee, Metall, Kräuter, Textilien, Ähren, Flaschen, Eicheln, Abfall

NS-Propagandaplakat 1934

NS-Propagandaplakat 1934

W. St. – Für die gesamte Zeit des „Dritten Reiches“ nahezu typisch waren die beständigen Sammelaktionen des Regimes, insbesondere für das Winterhilfswerk. Die ständigen mit Nachdruck und Drohungen (Nichtspender wurden häufig als „Saboteure“ hingestellt) an die Volks- und Parteigenossen gerichteten Appelle, „Opferbereitschaft“ zu zeigen, zeigten schon von 1933 an Wirkung, die sich bis zum Ende des Krieges und Zusammenbruch des NS-Regimes steigerte. Zu dieser Opferbereitschaft gehörten vor allem auch das „freiwillige“ Abgeben von Geld und Gegenständen aus dem privaten Bereich wie Textilien, Pelzmänteln, metallenen Kunst- oder Gebrauchsgegenständen und anderes mehr. Ein Heer von Schülern, Mitgliedern der SA, SS, Hitlerjugend und Arbeitsfront schwärmte mit Sammelbüchsen aus, um in Haus- oder Straßensammlungen an das von Hitler, Goebbels und anderen eingeforderte Geld der Bürger zu gelangen. „Kampf an der Heimatfront“ nannte man das Ausschwärmen der sammelnden Kinder. Der Osnabrücker Kreisleiter Esser beschrieb den Sinn dieser Sammlungen im September 1940, kurz nach dem Frankreichfeldzug:

„Der deutsche Soldat wartet mit Sehnsucht auf den Tag, an dem der Führer den Befehl zur Abrechnung (mit England) gibt. Wir in der Heimat wollen nicht nachstehen und führen entschlossener denn je mit unseren Mitteln den Kampf. Das zweite Kriegswinterhilfswerk wird dem Engländer und der übrigen Welt zeigen, dass der Krieg die Gemeinschaft unseres Volkes noch fester zusammengeschweißt hat“.

Schüler und Lehrer wurden durch diese außerschulischen Aktivitäten im enormen Maße zeitlich belastet. Um einen Anreiz zu schaffen, wurden besondere Sammelleistungen ausgezeichnet. Häufiger Unterrichtsausfall führte zu einem bedenklichen Rückgang des Wissensstandes. Die außerordentliche Inanspruchnahme der Lehrer und der auf ihnen lastende politische Druck machten den Lehrerberuf zusehends unattraktiv und führten zu einem schlagartigen Rückgang der Lehramtskandidaten in den Ausbildungsseminaren und damit ab ca. 1937 zu Lehrermangel.

Emailschild der NS-Volkswohlfahrt

Emailschild der NS-Volkswohlfahrt

Gesammelt wurde für das Winterhilfswerk, den Verein für das Deutschtum im Ausland, die Wiedervereinigung mit Österreich, für das Sudetenland, Kriegsgräber, für die Soldaten an den Fronten im eisigen Russland und im heißen Afrika, für die Förderung der nationalen Arbeit, für das Saargebiet, für „Mutter und Kind“, für „Lebensborn“ u. a. m. Mit den eingesammelten Milliardenbeträgen ersparte sich die Regierung die Ausgaben für soziale Zwecke der Volkswohlfahrt und hatte somit mehr Finanzmittel für die Aufrüstung und den Krieg.

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)

Die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV), die die meisten Sammlungen betreute und für alle Fragen der Fürsorge zuständig war, wurde im Mai 1933 von Hitler als Verband der NSDAP errichtet. Hilfen der NSV waren grundsätzlich als „Erziehung zur Selbsthilfe“ gedacht und sollten einen möglichst „hohen Leistungsstand des deutschen Volkes“ sichern. „Hoffnungslose Fälle“ wie Trinker oder Strafentlassene, aber auch „rassisch und politisch Andersartige“ (Juden, Kommunisten) fanden daher kaum oder gar keine Berücksichtigung. Durch die Arbeit der NSV mit ihren etwa 1 Million ehrenamtlichen Mitarbeitern verloren die Träger der freien Wohlfahrtspflege (Rotes Kreuz, Caritas, Innere Mission) zunehmend an Selbstständigkeit und wurden in einer Reichsvereinigung zusammengeschlossen. Im Juli 1944 machte Hitler die NSV schließlich zum alleinigen Träger der Volkspflege“. Sie betraf Gesundheitsfürsorge und -beratung, Kuren, Reihenuntersuchungen, Förderung Not leidender Künstler, NSV-Bahnhofsdienst, Ernährungshilfe, Kinder- und Jugendpflege, Landerholung, wobei stationäre Betreuung immer auch zu politischer Schulung genutzt wurde.

Volk-WHW-Plakat braun bauern 1937

Gesammelt wird alles! Plakataktion 1937/38

Schon seit 1931/32 sollte die Not der Bevölkerung durch Sammlung von Geld, Lebensmitteln, Kleidung und Brennstoff, die an Arme verteilt wurde, gelindert werden. Die NSDAP griff die Idee auf, unterstellte das „Winterhilfswerk“ (WHW) der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und rief 1933 zur ersten Aktion auf. Das nun für das WHV verantwortliche Propagandaministerium entwickelte vielfältige Ideen zur Steigerung der Sammlungsergebnisse. In den ersten fünf Jahren kamen 2,5 Milliarden Reichsmark zusammen, was propagandistisch als „Sozialismus der Tat“ gepriesen wurde. Hilfen erhielten nur „würdige“ und „erbgesunde“ Personen, was parteiamtlich nach politischen, sozialen und rassischen Merkmalen festgesetzt wurde. Die dadurch entstandene Bürokratisierung verdarb bald die Aufbruchstimmung, die allgegenwärtige Spendenbelästigung führte zu Überdruss und dämpfte die Gebefreudigkeit. Daneben wurden in Frühjahr und Sommer Kartoffelkäfer gesucht, bisweilen nicht allzu ernsthaft übrigens, aber es ging den Lehrern und Schülern beim Käfersammeln wohl gar nicht so sehr um den materiellen Ertrag, vielmehr um den Spaß und das Erlebnis in der Natur (siehe eigenständige Artikel in dieser Dokumentation: „Das Winterhilfswerk – Spenden für den Staat, die Armen und für die frierenden Soldaten am Osten“, siehe „Metallspende des deutschen Volkes. Wer sich privat an Metall bereicherte, wurde mit dem Tode bestraft …“, siehe „Der gefräßige Kartoffelkäfer stand stets im Blickfeld politischer Sabotage…“)

Lebensmitteltüte des Winterhilfswerks (Pfundspende)

Lebensmitteltüte des Winterhilfswerks (Pfundspende)

Pfundspenden waren Lebensmittelpakete

Zu den Sammlungen des WHW gehörte die so genannte Pfundspende (auch Pfundsammlung genannt). Es war eine in Tüten verpackte Naturalspende von haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln, Erbsen, Zucker und Konserven. Helfer stellten daraus Lebensmittelpakete zusammen und verteilten sie an Bedürftige. Meist wurde die Sammlung einmal im Monat durchgeführt; örtlich offenbar auch häufiger oder in Tüten, die bis zu vier Pfund fassten. Im Rechenschaftsbericht des Winterhilfswerks von 1937/38 wird das Spendenaufkommen durch die Pfundspende mit 29.254.716 kg angegeben. Spätestens ab 1939, als Lebensmittelkarten die Nahrungsmittel kontingentierten, wurde zur „Ablösung der Pfundspende“ eine Geldspende erbeten und quittiert. 1943 wurde die Pfundspenden-Sammlung nicht mehr durchgeführt. In der Nachkriegszeit lebten in einigen wenigen Gemeinden (nicht in Rothenburg) die „Pfundspenden“ wieder auf.

„Metallspende des deutschen Volkes“ und Altwaren

Ein besonderer Stellenwert kam ab 1937 und besonders im Krieg der „Metallspende des deutschen Volkes“ zu. Zur Verbesserung der Rohstoffversorgung der deutschen Industrie wurde am 20. April 1940 (Führers Geburtstag) zur Metallspende aufgerufen. Der Sammelaktion von Nichteisenmetallen fielen z. B. viele Kirchenglocken, Zinnwaren, Kupferdächer und kunstvolle Leuchter zum Opfer. Wer sich privat an den Metallen bereicherte, wurde mit dem Tod bestraft. Auch Rothenburger Kirchenglocken fielen der Metallsammlung zum Opfer. Doch die Glocken von St. Jakob wurden durch Intervention des früheren Bürgermeisters (1908-1919) und amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert vor der Beschlagnahme und dem Einschmelzen bewahrt.

Kleiderspenden für die eisige Ostfront

Eine neue Dimension erreichte die Spendenflut für die deutschen Heere während des Russlandfeldzuges im Kriegswinter 1941/42. Die in der  Sowjetunion operierenden Verbände steckten noch in ihren Sommeruniformen, da die Oberste Heeresleitung glaubte, die Sowjetunion würde bis zum Winter besiegt sein. Dass das NS-Regime mit den Kleiderspenden für die Ostfront auch das Scheitern seiner Russlandkampagne eingestand, war damals nur den wenigsten bewusst. Die Bevölkerung konnte das Leid der Soldaten nachempfinden. In Rothenburg gingen Frauen und Mädchen von Haus zu Haus und sammelten Textilien. Die NS-Frauenschaft der NSDAP-Ortsgruppen in Rothenburg und in den Dörfern strickte Strümpfe, Kniewärmer und fertigte Decken, Lungenschützer und warme Westen aus gebrauchten Kleidungsstücken an.

Pfennigsammlungen und Sammeln von übel riechenden Knochen

Ein Erlass des Reicherziehungsministers vom 28. Januar 1937 regelte die Mitwirkung der Schulen:

„Der Jugendherbergspfennig ist einzusammeln. Kalender, Zeitschriften, Broschüren und Lernmittel von nationalpolitischer Bedeutung sollen durch die Lehrer in den Schulen vertrieben werden. […] An den vielen Feiertagen des NS-Feierjahres hat sich die Schule mit Gedenkfeiern zu beteiligen. Die Wanderausstellung ,Schule im Dienst des Luftschutzes’ wird empfohlen. ,Volksdeutsche Künstlerpuppenspiele’ des VDA sind sehenswert. Zur Winterhilfssammlung der HJ gibt es aufgaben- und unterrichtsfrei. Aufgabenfrei ist ohnehin jeder Mittwochnachmittag und jedes Wochenende für den HJ-Dienst …“

Altpapiersammlung 1943

Altpapiersammlung 1943

Der Erlass regelte auch die Mitwirkung der Schulen bei der Erfassung der anfallenden Knochen in der Hauswirtschaft, da sich die „Versorgung der deutschen Knochenindustrie mit inländischen Knochen“ als unzureichend erwiesen hat; die Schüler brachten also die in Papier gewickelten Knochen, die sie zu Hause oder bei Nachbarn einsammelten, in die Schule mit, wo sie an übel riechenden Lagerplätzen für die Altwarenhändler aufbewahrt wurden.

Sammeln für den Verband für das Deutschtum im Ausland (VDA)

Als Verein für das Deutschtum im Ausland war der VDA schon im Kaiserreich gegründet worden. Von Haus aus vertrat er eine nationalistische Deutschtumspolitik. Seine Fürsorge galt den Deutschen, die außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches in Ost- und Südosteuropa in deutschen Sprachinseln oder Streusiedlungen lebten. Nach dem Ersten Weltkrieg hielt der VDA vor allem kulturelle und politische Verbindungen zu den so genannten Volksdeutschen in den an Polen abgetretenen Gebieten und den sudetendeutschen Randgebieten der neu gegründeten Tschechoslowakei. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde der VDA gleichgeschaltet und in Volksbund für das Deutschtum im Ausland umbenannt. Er wurde von ihnen für ihre Absicht eingesetzt, die Volksdeutschen im Sinne der NS zu beeinflussen. In die Führungen der deutschen Volksgruppen im Ausland wurden Nationalsozialisten eingeschleust, die zu gegebenem Zeitpunkt Unruhe und Sabotageakte vorbereiteten. Diese benutzte Hitler als Vorwand für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Polens und der Tschechoslowakei. Auf diese Weise wurde zum Beispiel der Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich vorbereitet. Nach Kriegsbeginn war der VDA beteiligt an der Umsiedlung vieler Volksdeutscher oder ihrer Zwangsrückwanderung in das Deutsche Reich unter der Parole „Heim ins Reich“.

NS-Propagandaplakat der Kriegsgräberfürsorge

NS-Propagandaplakat der Kriegsgräberfürsorge

Sammlung für die Kriegsgräber

Die „Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung“ (NSKOV) war einer der zahlreichen der NSDAP angeschlossenen Verbände, eine Wohlfahrtseinrichtung für Schwerkriegsbeschädigte und Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs. Die NSKOV behielt eine gewisse Selbstständigkeit in Vermögens- und Organisationsfragen. Zusammen mit der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) wurden Wohlfahrtseinrichtungen und Gesundheitsprogramme zwischen 1934 und 1945 organisiert. In der NS-Kriegsopferversorgung gingen die bereits bestehenden Kriegshinterbliebenen-Organisation auf. Die Fürsorge für die Kriegsopfer sahen gerade die den Krieg verherrlichenden Nationalsozialisten als ihre bevorzugte Aufgabe an.

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Quellen: „Neue Volksblätter“ vom 8. September 1940. – Stadtarchiv Versmold (Stadtchronik). – Nach Wikipedia, Online-Enzyklopädie (2012).
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