1. Mai 1933: Hitler-Eiche im Burggarten als Gelöbnis, stets dem Führer zu folgen – Danach ein Festzug der „nationalen Arbeit“ und der Vereine durch die Straßen der Stadt

Propagandaplakat zum 1. Mai

Propagandaplakat zum 1. Mai

Von Wolf Stegemann

Es war der 1. Mai 1933, erstmals als „Tag der nationalen Arbeit“ ein Feiertag, als viele Einwohner in den Burggarten strömten, um sich an der Feststunde zu beteiligen oder nur zuzusehen. Die Mitglieder der NS-Verbänden hatten sich bereits um das schon ausgehobene Pflanzloch versammelt, darunter die Hitlerjugend, die noch bestehende Scharnhorstjugend, das Jungvolk, der Bund deutscher Mädels, die Jungmädelgruppe, dann der Stadtrat, die städtische Beamtenschaft unter Führung von Oberbürgermeister Dr. Liebermann sowie die SA, SS und alle weiteren Gliederungen der NSDAP. Männerstimmen des „Gesangsverein Rothenburg 1842“ sahen das Lied: „Hörst du das Klingen“, bevor der Gefolgsführer der Hitlerjugend, Albert Merklein, die Festrede hielt. Er hob hervor, dass es die deutsche Jugend sei, die als „Träger des Auferstehungswillen sich heute anschickt, eine Eiche, das Sonnbild deutscher Kraft und deutscher Treue im Burggarten zu pflanzen.“ Er erinnerte an den Aufbruch des „jugendlichen Heldengeistes“ im Freiheitskampf Theodor Körners gegen Napoleon und vermischte dies mit den nationalsozialistischen Novemberhelden von 1923.

„Wir ließen uns bekehren, dass wir nicht ins Leben gestellt, um zu vertrotteln, zu versimpeln, um Totengräber deutscher Kultur zu werden, sondern dass wir uns wehren gegen alles Gemeine und Minderwertige. Weil der Staat von einst seine Aufgaben nicht erfüllt hat, fremdartige deutsche Kultur und Sitte, christlichen Glauben mit Füßen traten und auszurotten versuchten, sei für die Jugend, die noch nicht vom Zeitgeist erfasst war heilige Notwehr geboten gewesen… Da die völkische und die deutsche Kultur immer mehr vom Judentum vergiftet wurde, die verflossenen Jahre es immer deutlicher gezeigt haben, dass wenn der völkische Gedanke nicht gewahrt wird, es bald kein deutsches Volk, kein Deutschland mehr gebe, da die junge Generation rechtszeitig erkannt habe, dass die Erneuerung unseres Volkslebens nun auf völkischer Grundlage geschehen könne, habe das Gutteil der deutschen Jugend unter dem Hakenkreuz, das das Symbol für die völkische und deutsche Art, das Zeichen des Lichtes, das Kampfzeichen gegen alles Undeutsche und Unmoralische sei, den Kampf und die Lehre des Mannes in sich aufgenommen, der dem deutschen Volke in tiefster Not erstanden und der dem deutschen Volke einen neuen Glauben, den Glauben an das Recht auf unser Blut gegeben habe…“

Ankündigung zum 1. Mai 1933; FA vom 25. April 1933

Ankündigung zum 1. Mai 1933; FA vom 25. April 1933

Vom „Sklavenvolk“ zur freien Volksgemeinschaft

Im weiteren Verlauf dieser an die Jugend gerichteten Rede, die gemessen am Handeln der Nationalsozialismus verlogen war wie alle Reden damals, wies Albert Merklein auf die Notwendigkeit der Vernichtung des Marxismus hin und erläuterte den eigenen nationalsozialistischen Sozialismus:

„Der von Adolf Hitler gepredigte Sozialismus begänne nun Volksgut zu werden. Wenn das deutsche Volk aus einem Abgrund unsagbarer Hoffnungslosigkeit wieder zu neuem Leben emporzusteigen begänne, wenn das deutsche Volk seiner alten Bestimmung jetzt wieder zugeführt werde, Träger der Kultur zu sein, wenn anstelle des Klassenkampfesjetzt wieder die deutsche Volksgemeinschaft zu treten begänne und dadurch aus der Sklavenkolonie ein machtvolles Reich, aus einen Sklavenvolk ein freies Volk werde, wenn die deutsche Jugend in dem Bewusstsein leben darf, wieder eine Zukunft vor sich zu haben, wenn das deutsche Volk wieder ein Volk wird, für das die Eichen Sinnbild sind, einig, stark und treu, dann sei dies ausschließlich das Verdienst des Führers und Volkskanzlers Adolf Hitler.“

Am Schluss seiner Rede rief er den Umstehenden zu, dass die Rothenburger Eiche dafür ein Zeugnis sei. Unter Trommelwirbeln und Achtungsbezeugungen wurde sodann die in einem leeren Boxbeutel verstaute Urkunde eingegraben. Auf dem Boxbeutel stand: „Adolf-Hitler-Eiche, 1. Mai 1933. Hitler-Jugend Gefolgschaft VIII Rothenburg“. Sodann wurde die Eiche, die Oberforstmeister Mathéus aus dem Wald geholt hatte, zum steten Schutz Oberbürgermeister Liebermann und seinen Stadtgärtners anvertraut. Liebermann dankte und meinte, dass man keinen schöneren Platz für die Hitler-Eiche hätte finden können. Auch wenn Adolf Hitler nicht zugegen wäre, so sei doch sein Geist zu spüren, „der unter der Versammlung weile“.

Hitler-Eiche im Burggarten; Foto: Sammlung E. Tittmann

Hitler-Eiche im Burggarten; Sammlung E. Tittmann

Hitler-Eiche 1933 neben der Friedenseiche von 1871: Gelöbnis, dem Führer zu helfen

Gegenüber der noch dünnen Hitler-Eiche stand eine weitere Eiche in vollem Wachstum. Liebermann erklärte, dass sich Hitlers Eiche in guter Gesellschaft befände, denn gegenüber stünde die Rothenburger Friedenseiche, die anlässlich des Friedensschlusses des Jahres 1871 gepflanzt worden sei. An die angetretene Jugend gerichtet, sagte er:

„Die neue Eiche müsse mehr sein als das Zeichen der Verehrung, sondern sie müsse das Gelöbnis sein, das vom Führer gesteckte Ziel mit erreichen zu helfen. So wie der Führer nur ein Ziel, ein Streben, einen Gedanken, ein Gebot und ein Gebet kenne, das Deutschland heißt, so müsse es auch bei der Jugend sein.“

Umzugsteilnehmer trafen sich am Judenkirchhof

Nachmittags startete vom Judenkirchhof (heute Schrannenplatz) ein Festzug, über den der „Fränkische Anzeiger“ am 3. Mai 1933 schrieb; „Welche Bedeutung dem Zuge beigemessen wurde, ging aus der riesigen Zuschauermenge, die vor allem auch vom Land hereingeströmt war, hervor, die alte Straßen, die der Zug berührte, umsäumte, und die immer wieder in lebhafte Beifallsäußerungen ihrer Freude über das Gelingen dieses großen Werkes Ausdruck gab.“ Dabei waren Handwerker, Gewerbetreibende, Bauern, Arbeiter, Beamte, die Schuljugend, SS, SA, Vereine, Chöre und Musikkapellen sowie die NS-Prominenz. Handwerker, Händler und manche Vereine führten ihre Standeszeichen mit, auch die Hakenkreuzfahne. „Ein farbenprächtiges Ereignis“ schrieb der „Fränkische Anzeiger“. Leiter des Zuges war Rothenburgs NSDAP-Propagandaleiter K. Schuler. SS-Männer „hatten alle Hände voll zu tun“, um die ankommenden Vereine in die vorgesehene Marschordnung einzugliedern. Punkt zwei Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. An der Spitze marschierte die Stadtkapelle, gefolgt von der Metzger-Innung mit den „Metzgerbuben und Mädels in ihrer kleidsamen Arbeitstracht“ und den „Senioren des Gewerbes im Gehrock und Zylinder“. Dann kamen die Bäcker, Müller, Konditoren mit einer Riesentorte, die mit einem Hakenkreuz verziert war. Weiter folgten die Gastwirte, der Kellermeister und mit ihm die Wirtstöchter in der Tracht von Bürgermädchen, die Fischer, die Büttner, dann die Bierbrauer und die Mitglieder der „Edeka“ mit ihrem Verbandszeichen.

So fanden 1945 Amerikaner beim Einmarsch so manche Hitler-Eiche vor (abgebilderter Ort unbekannt).

So fanden 1945 Amerikaner beim Einmarsch so manche Hitler-Eiche vor (abgebilderter Ort unbekannt).

NSDAP-Landtagsabgeordneter Georg Soldner war als Schmied dabei

Im Bekleidungsgewerbe marschierten die Schuster mit ihrem Hans Sachs, die Schneider, Seiler und die Sattler. Der geschmückte Wagen von Köhnlein und der ebenso bunte Auto der Firma L. Ehrhard & Söhne gaben dem Zug „eine besondere Note“, schreibt die Zeitung. Danach kamen die Friseure, die Geslauer Musikkapelle, die Schlosser, Schmiede, unter denen sich der NSDAP-Landtagsabgeordnete Georg Soldner befand. Es folgten die Spengler, Schriftsetzer, Buchdrucker, Maler, Schreiner, Drechsler, Korbmacher, Wagner, dann das Baugewerbe mit den Bauerbeitern, Zimmerleuten, Baumeistern und Maurern. Auch die Schlotfeger waren in ihrer „schwarzen Tracht“ dabei. Dann kamen die Steinhauer, Häfner, Bildhauer und dann Bürgermädchen in Tracht, gefolgt vom Gewerbeverein mit seinen Fachgruppen.

Postillon in historischer Uniform führte die Post- und Bahnbeamten an

Nach dem Trommlerkorps der NSDAP marschierten die freien Berufe: Ärzte, Apotheker, Maler, Künstler, Rechtsanwälte. Ihnen folgten der Kaufmännische Verein, der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband und die Arbeiter, die in der NS-Betriebszellen-Organisation zusammengeschlossen waren. Schließlich kamen die NS-Bauernschaft und die stark vertretenen landwirtschaftlichen Arbeiter. Farbenprächtig waren die Gärtner und Waldarbeiter. Unter Führung eines Postillons in der Uniform der alten Zeit marschierten die Post- und Telegrafenbeamten, die Reichsbahnbeamten, die „große Hakenkreuzfahnen mit sich führten“, dann folgten die Beamtender Staats- und Reichsbehörden, die Geistlichkeit, die Lehrerschaft und dann die Gemeindebeamten einschließlich der Schutzmannschaften. Insassen des nationalsozialistischen Arbeitslagers Schwarzenbronn (RAD hat es im Mai 1933 noch nicht gegeben) marschierten in Uniform mit, gefolgt vom Freiwilligen Arbeitsdienst des Turnvereins Rothenburg. In Autos führten sie kriegsbeschädigte Einwohner mit.

Umtrunk im Gartenlokal „Rappen“ und Lautsprecherübertragung aus Berlin

Der lange Zug bewegte sich durch die Straßen der Stadt und wieder zurück zum Judenkirchhof, wo er sich auflöste, nicht bevor das Deutschlandlied gesungen und ein dreifaches „Sieg-Heil!“ auf Hindenburg, Hitler und das deutsche Volk gerufen wurde. Danach gab es ein Konzert im Garten der Wirtschaft „Rappen“ vorm Würzburger Tor und abends wurde gemeinsam an den Lautsprechern der Übertragung der Rede Hitlers zur Mai-Feier auf dem Tempelhofer Feld in Berlin gelauscht.  Dort pflanzte Hitler selbst eine Eiche – nicht zu seinen, sondern zu Ehren des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Im nationalsozialistischen Festkalender nahm der 1. Mai auch in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle ein. Seiner früheren Beziehung zur Arbeit oder gar zur Arbeiterbewegung wurde er gänzlich entkleidet. Seit 1934 hieß er „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“.

Anderntags Zerschlagung der Gewerkschaften

Ein Tag später, am 2. Mai 1933, wurden wie geplant die Gewerkschaftshäuser, Redaktionen, Zahlstellen der Einzelverbände und andere Einrichtungen der freien Gewerkschaften von der SA und SS besetzt. Die Polizei griff nicht ein. Das Vermögen der Gewerkschaften wurde beschlagnahmt. Eine Reihe führender Gewerkschafter wurde in Schutzhaft genommen.

 

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