Schwerpunkt der „Hitlerbewegung“ war nach 1923 Mittel- und Oberfranken – Brückenfunktion zwischen Braunem Haus in München und Reichskanzlei in Berlin

Sturm-Abteilung (SA) vor 1933 in Franken

Sturm-Abteilung (SA) vor 1933 in Franken

Von Dr. Rainer Hambrecht

Für die Geschichte der NSDAP gewann Franken – besonders Mittel- und Oberfranken – zwischen 1920 und 1933 eine Bedeutung, die weit über den numerischen Anteil dieser Region an der Reichs­fläche und -bevölkerung hinausging. Zunächst allerdings ver­hinderte die völkische Bewegung in Franken, die unter wechselndem Namen (Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund, DSP, DW) auftrat, bis zum Herbst 1922 eine weitere planvolle Ausbrei­tung der frühen NSDAP. Die Ursache lag vor allem im konkur­rierenden Anspruch Adolf Hitlers und Julius Streichers auf die alleinige Führung der süddeutschen Antisemiten. Erst als sich die aus eigenständigen Wurzeln erwachsene völkische Bewegung Nordbayerns im Oktober 1922 der NSDAP anschloss und sich hier neben München und Oberbayern ein weiteres NS-Zentrum entwickel­te, waren die Voraussetzungen geschaffen, um der Hitlerbewe­gung in den folgenden Jahren ein gewisses Übergewicht über die norddeutschen „nationalsozialistischen“ Gruppierungen zu sichern. Nach der Machtergreifung wurde die Brückenfunktion Frankens auf dem Weg von München nach Berlin, vom Braunen Haus zur Reichskanzlei, vielfach betont.

Wahlplakat der NSDAP vor 1933

Wahlplakat der NSDAP vor 1933

In Mittel- und Oberfranken die besten Wahlergebnisse für die NSDAP

Im Anschluss an den misslun­genen Putschversuch und das Verbot der NSDAP verlagerte sich der Schwerpunkt der „Hitlerbewegung“ nach Nordbayern. Hier be­saß Hitler bei der Neugründung seiner Partei den nötigen Rück­halt, um zunächst seinen Führungsanspruch über die zerstritte­nen völkischen Gruppierungen durchsetzen zu können; hier existierten zahlreiche mitgliederstarke Ortsgruppen, die er­hebliche Geldmittel aufbrachten. Äußerlich dokumentierte Hitlers Entscheid, die für die Gesamtentwicklung seiner Partei wichtige Tagung über den künftigen ideologischen Kurs der NSDAP in Bam­berg stattfinden zu lassen, die überragende Bedeutung Frankens für seine Partei. Noch 1928 lag der Reichstagswahlkreis 26 (Franken) mit seinem NS-Wahlergebnis (8,1 Prozent) an der ersten Stelle im Reich; die beiden Regierungsbezirke Mittel- und Ober­franken allein übertrafen dieses Resultat erheblich. Die ver­gleichsweise starke Stellung in den protestantischen nordbaye­rischen Gebieten darf nicht darüber hinweg täuschen, dass der kleinen Partei anfangs kaum politisches Gewicht zukam. Bis etwa1929 war die NSDAP in Franken vor allem mit sich selbst, mit ihrer Mitgliederwerbung und ihrer Organisation beschäftigt. Ereignisse der Reichspolitik schlugen sich kaum in der NS-Geschichte der ersten Jahre nieder. Die Nationalsozialisten bemühten sich vielmehr, diese Region als Experimentierfeld zur Entwicklung neuer,  schichtenspezifischer Propagandatech­niken oder Strategien zur Machtergreifung zu nutzen. Man denke an die intensive, wenn auch wenig effektvolle Bauernpropaganda in Mittel- und Oberfranken,  lange bevor Darré mit seiner Wer­bung den entscheidenden Durchbruch auf dem Lande erzielte; man denke an den groß angelegten Versuch, in den Anfangsjähren Bürgermeister durch Skandale zu diskreditieren und aus ihren Ämtern zu verdrängen, um damit das „System“ der Weimarer Repu­blik zu treffen. Nach dem Einsetzen des Massenzustroms zur NSDAP versuchte man sich – getreu dem Coburger Modell – der Macht von den kommunalen Parlamenten her zu nähern.

Dualismus zwischen der Politischen Organisation der NSDAP und der SA

Die zunächst überragende Bedeutung der fränkischen NSDAP für die Gesamtpartei sowie der Einfluss ihrer Führerschaft auf wichtige Entscheidungen gingen in dem Maße zurück,  in dem die NSDAP im übrigen Reich Anhang gewann. Zahlreiche interne Krisen, Auseinandersetzungen unter der Führerschaft, beschleunigten diesen Prozess. Die Konflikte entzündeten sich meist an dem eigenwilligen, auf Kadavergehorsam berechneten Führungsstil des psychopathischen „Frankenführers“ Julius Streicher. Dieser Ausgangspunkt für die innerparteilichen Differenzen überdeckte häufig ihre tieferen Ursachen, die in der Gesamtstruktur der Partei, in den ungeklärten Kompetenzen und dem Gegeneinander der einzelnen NS-Gliederungen zu suchen waren – besonders im Dualismus zwischen der Politischen Organisation (PO) und der Sturmabteilung (SA).

Schemm

Gauleiter Hans Schemm

NS-Gaue wurden in Franken neu gebildet

Dieser Antagonismus verursachte auch den innerparteilichen Zusammenstoß der Jahreswende 1932/1933, der die Aufmerksamkeit wieder stärker auf Franken, besonders Mit­telfranken, lenkte. Der Gruppenführer der SA Franken, Wilhelm Stegmann, hatte sich mit Gauleiter Streicher überworfen, was dazu führte, dass die mittelfränkische NSDAP zum Zeitpunkt der Machtergreifung zerfallen war. Indizien legen den Schluss nahe, dass ohne Hitlers Erfolg auf Reichsebene die fränkischen Ereig­nisse für die Gesamtpartei eine erhebliche Sprengkraft hätten entfalten können. Oberfranken war von diesen Schwierigkeiten nahezu unberührt geblieben. Dies konnte als persönliches Ver­dienst des Gauleiters Hans Schemm gelten, der sich mit großem Geschick eine solide Hausmacht geschaffen hatte. Gegenüber der SA vermochte er seinen Führungsanspruch durchzusetzen und gleichzeitig gute Beziehungen zu ihr zu unterhalten. Zum Zeitpunkt, als Streicher um seine politische Existenz kämpfen musste, er­fuhr Schemm durch die Übertragung der Leitung des aus Ober­franken und Niederbayern-Oberpfalz neu gebildeten Gaues Bayeri­sche Ostmark einen erheblichen Machtzuwachs.

Das Wahlverhalten der Bevölkerung berührten die parteiinternen, mehr oder weniger schweren Konflikte nur wenig. Die Wähler­schaft orientierte sich nahezu ausschließlich an Hitler und den an ihn und seine Versprechungen geknüpften Hoffnungen, weshalb sie die regionalen Krisen nicht als Kennzeichen struk­tureller Widersprüche in der NSDAP erkannten.

Der Schillingsfürster Wilhelm Stegmann gründete auch die Rothenburger NSDAP-Ortsgruppe

Der Schillingsfürster Wilhelm Stegmann gründete auch die Rothenburger NSDAP-Ortsgruppe

Verunsichertes Bürgertum und Handwerker zog es in die Hitler-Partei

Ihre ersten An­hänger fand die fränkische NSDAP im unteren Mittelstand der Städte und Kleinstädte, bei den kleinen Gewerbetreibenden, Händlern, Handwerkern und Beamten. Etwa ab 1929 gewann sie den ländlichen Mittelstand, die Bauern, hinzu. Größere Ein­brüche in die Schicht der Arbeiterschaft gelangen nicht. Da sich die erwerbslosen Arbeiter – anders als lange Zeit ange­nommen – im großen und ganzen politisch wie ihre erwerbstäti­gen Kollegen verhielten, können sie nicht für den politischen Erdrutsch von 1930 verantwortlich gemacht werden. Auch in Franken trugen sie nur mittelbar zum Aufstieg der NSDAP bei, indem sie das verunsicherte Bürgertum allein durch ihre Existenz der Hitlerbewegung in die Arme trieben. Die Zuordnung sozialer Gruppen zur NSDAP gilt jedoch nur unter einer wichtigen Einschränkung; sie setzt eine homogen pro­testantische Bevölkerung voraus. Die Katholiken erwiesen sich vor 1933 gegenüber dem Nationalsozialismus weitgehend immun. Dieser Sachverhalt lässt sich an den Wahlkarten ablesen, die die protestantischen Amtsbezirke des nordöstlichen Oberfran­kens, von Coburg und Hersbruck und des westlichen Mittelfran­kens als die Gebiete der größten NS-Erfolge auswiesen.

Insgesamt mussten drei Bedingungen erfüllt sein, damit die NSDAP bzw. Hitler 1932 eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in einzelnen Bereichen Mittel- und Oberfrankens für sich gewinnen konnte: 1) Die durch die Weltwirtschaftskrise ausgelöste ökonomische und politische Unsicherheit, 2) eine dominierende mittelständische Sozialschicht, wie sie besonders in den mittel- und kleinbäuerlichen Gegenden des westlichen Mittelfrankens anzutreffen war, 3) und eine möglichst einheitlich evangelische Einwohnerschaft mit ihren nationalistischen und kulturkämpferischen Tradi­tionen.

Werbeplakat der SA vor 1933

Werbeplakat der SA vor 1933

Überdurchschnittliche Erfolge der NSDAP

Mit Hilfe dieser drei Faktoren sind die starken regionalen Unterschiede im Wahlverhalten zu erklären. So beantwortet der stark differierende Arbeiteranteil im konfessionell gleich­artigen Nordost-Oberfranken und West-Mittelfranken die Frage, weshalb letzteres bei den Wahlen von 1932 einen wesentlich höheren Prozentsatz an NS-Stimmen erreichte. Da in weiten Ge­bieten Mittel- und Oberfrankens die Faktoren 2 und 3 gemein­sam auftraten, kam die NSDAP insgesamt zu überdurchschnitt­lichen Erfolgen.

Von der Zusammensetzung der Wählerschaft unterschied sich in einem wichtigen Punkt die der Mitglieder der NSDAP Frankens. Auch wenn der Mittelstand, vornehmlich der „alte Mittelstand“, vorrangiges Reservoir potentieller Hitleranhänger blieb, war der prozentuale Anteil der Arbeiterschaft an den mittelfränki­schen NS-Mitgliedern ab 1930 höher als der entsprechende an der Gesamtbevölkerung. Damit unterschied sich diese Region deutlich von den Verhältnissen auf Reichsebene. Die auffällige Erscheinung dürfte auf die Werbewirksamkeit der SA zurückgehen, da sich hier die antikapitalistische Stimmung der Anfangsjahre lebendig erhalten hatte. Zusammen mit der sich ab 1930 erheb­lich verjüngenden NS-Mitgliederschaft hielt sie den revolutio­nären Elan der fränkischen NSDAP in den Jahren 1931 und 1932 aufrecht. Mehrfach bereitete sich die SA auf eine gewaltsame Machtübernahme vor. Im Gegensatz zur Arbeiterschaft waren die Angestellten in der fränkischen NSDAP unterrepräsentiert. Wie schon Theodor Geiger gezeigt hatte, entfernte sich die Hitler­bewegung durch ihre engen Bindungen an den „Besitzmittelstand“ ungewollt vom „neuen Mittelstand“, ohne dass sie durch schichtenspezifische Forderungen wenigstens regional (wie bei den Arbeitern) ihre Attraktivität für diese soziale Gruppe be­wahrte. Deutlich trat der überproportionale Anteil der Beamten – vor allem der Verwaltungssekretäre und -inspektoren sowie der Lehrer – unter der fränkischen NS-Mitgliedschaft hervor. Aus ihren Reihen rekrutierte sich zu einem erheblichen Pro­zentsatz die Führerschaft.

Staatliche Instanzen waren gegenüber dem NS-Terror nahezu machtlos

Einen wirksamen Damm gegen die „braune Flut“ bildeten nur gesellschaftliche Gruppen, die der nationalsozialistischen Vision vom Dritten Reich ein eigenes weltanschaulich fundier­tes Programm entgegenzustellen hatten – die „marxistischen“ Parteien SPD und KPD sowie die „katholische“ BVP. Die übrigen Parteien wurden nahezu vollständig von der NSDAP aufgesogen. Für weite Gebiete Frankens war die nationalsozialistische Herrschaft schon vor dem 30. Januar 1933 angebrochen und die verfassungsmäßige Ordnung außer Kraft gesetzt. Konkret be­deutete dies, dass sich Nichtnationalsozialisten kaum mehr frei politisch äußern konnten, dass sie bedroht, misshandelt oder gesellschaftlich und wirtschaftlich boykottiert wurden. Das gesamte öffentliche Leben wurde in erheblichem Umfang von der NSDAP kontrolliert. Damit bereitete sie den Vorgang der Macht­ergreifung (im engeren Sinn) psychologisch vor.

Die staatlichen Instanzen erwiesen sich diesem Terror gegenüber als nahezu machtlos. Weisungen von oben, vom Bayerischen Innen­ministerium, ließen sich 1931/1932 auf der untersten Ebene aus zwei Gründen kaum mehr durchsetzen: 1) weil der einzelne kleine Beamte, in einer nationalsoziali­stischen Umwelt gesellschaftlich und geistig isoliert, gegen eine erdrückende Mehrheit keine Möglichkeit besaß, den staatlichen Anordnungen Nachdruck zu verleihen, und 2) sich gerade diese Beamtenkategorie dem Nationalsozialismus gegenüber besonders aufgeschlossen zeigte.

Deutscher Tag der NSDAP in Nürnberg mit Hitler und Streicher

Deutscher Tag der NSDAP in Nürnberg mit Hitler (Mitte) und Streicher (re. daneben)

Sympathie der Beamten

Diese Entwicklung hatten die führenden Beamten zu verantworten, die der NSDAP in den Anfangsjähren wegen ihrer nationalistischen Einstellung so manche Gesetzwidrigkeit nachgesehen hatten, ihr darüber hinaus mit Wohlwollen begegnet waren und sich in der Phase des raschen Aufstiegs der Hitlerpartei aus Opportunitätsgründen z. T. recht zweideutig verhielten. Ohne ihr selbst anzu­gehören, werteten viele Beamte die neue rechtsradikale Partei durch ihre deutlich bekundeten Sympathien politisch auf. Ähnliches lässt sich von den gesellschaftlich führenden Kreisen sagen, die für die NSDAP eine Art Katalysatorenfunktion erfüllten. Zu denken wäre an Ärzte, Juristen, evangelische Geistliche, Unternehmer und Gutsbesitzer.

Von der städtischen zur ländlichen NS-Propaganda

Ihre Propaganda passten die Nationalsozialisten wie überall maximal den jeweiligen schichtenspezifischen Erwartungen und Vorurteilen an. Das hieß, dass die antikapitalistische Richtung relativ rasch in den Hintergrund und die mittelstandsfreund­liche entsprechend der fränkischen Sozialstruktur in das Zen­trum der NS-Werbung trat. In einigen Punkten unterschied sich die fränkische NS-Propaganda von der im übrigen Reich. So bildete der Antisemitismus unter dem Einfluss Julius Strei­chers die Hauptkomponente, die alle anderen Themen überlager­te oder ihnen eine andere Qualität verlieh. In Oberfranken gewann daneben durch Hans Schemm eine vordergründige Werbung um die christlich gebundene Bevölkerung im Verein mit einer antimarxistischen an Gewicht. Die ab 1929/1930 zu beobachten­de Umorientierung von einer städtischen auf eine mehr länd­liche Propaganda bildete wie im ganzen Reich die entscheidende Entwicklung jener Jahre. Ganz auf innerbayerische Verhältnisse war die Belebung fränkisch-protestantischer Ressentiments gegenüber München als Sitz einer zentralistischen, katholi­schen Regierung zugeschnitten.

Werbeplakat der SA vor 1933

Werbeplakat der SA vor 1933

Hitlerbewegung war in den letzten Jahren der Kampfzeit Staat im Staate

Der NS-Propaganda muss die Organisation der NSDAP gleichbe­rechtigt zur Seite gestellt werden. Abgelenkt durch die Auf­sehen erregende Demagogie der nationalsozialistischen Reden wurde häufig zu wenig beachtet, dass erst die Kanalisierung der fanatisierten Massen und der geweckten Emotionen durch eine „straffe“ Organisation der NSDAP die politische Stoß­kraft verlieh, die sie letztlich zum Erfolg führte. Indem die NSDAP 1926/1927 ihre Mitglieder vor die häufig schmerzlich empfundene Alternative zwischen sich und den völkischen Ver­einigungen bzw. Wehrverbänden stellte, unterstrich sie erst­mals kompromisslos jenen totalitären Führungsanspruch, der die Hitlerbewegung während der letzten Jahre der „Kampfzeit“ zu einem Staat im Staate werden ließ. Von hier aus betrachtet, lag im partiellen Bruch mit der eigenen Vergangenheit eine tiefere Zäsur für die NS-Entwicklung als in den Wirren von 1924 und dem Neubeginn der NSDAP von 1925.

Abgesehen von die­ser kategorischen Grundentscheidung war interessant zu verfol­gen, wie flexibel und mit welchem Pragmatismus die NSDAP ihre Organisation den jeweiligen Verhältnissen und Bedürfnissen anpasste und wie sie doch zugleich in der Propaganda den Ein­druck einer hierarchisch klaren und strengen Parteigliederung zu erwecken suchte. Die zahlreichen Untergliederungen mit ihren häufig willkürlichen Abgrenzungen entstanden mehr aus Zufall bzw. dank der Initiative eines ehrgeizigen Unterführers als aus der vorausschauenden Planung der Parteispitze.

SA - Staat im Staate

SA – Staat im Staate

Ständiger Kampf um Einfluss, Hausmacht und Hitlers Wohlwollen

Für Franken beweist das Beispiel des Nationalsozialistischen Leh­rerbundes (NSLB) diese Behauptung. In Mittel- und Oberfranken mit ihren frühzeitig relativ hohen NS-Mitgliederzahlen lässt sich der Übergang der flächenmäßigen Parteiorganisation von einzelnen Ortsgruppen, die durch besondere Aktivitäten zu kleinen Zentren in einem größeren Umland aufstiegen, über eine Bezirkseinteilung, die auf diesen Grundlagen basierte, bis hin zur planmäßigen Kreisordnung entsprechend den staat­lichen Verwaltungsbezirken verfolgen. Das System scharf umgrenz­ter, regionaler Herrschaftsbereiche der nationalsozialistischen Ortsgruppen- und Kreisleiter löste ein Organisationsmodell ab, das von sich überschneidenden persönlichen Einfluss- und Bezie­hungssphären ausging. Beide Organisationsprinzipien wirkten in Oberfranken 1928 bei der Entstehung eines neuen NS-Gaues (bzw. Untergaues) zusammen. Schemm verdankte seinen Aufstieg zum einen seinem Ansehen bei den oberfränkischen Ortsgruppen und zum anderen dem Bestreben der Parteileitung, die NS-Organisation parallel zur staatlichen auszubauen. Etwa im Frühjahr 1930 konnte der letztgenannte Vorgang in Mittel- und Oberfran­ken als abgeschlossen gelten, wenn auch der beständige Kampf um Einfluss, Hausmacht und Hitlers Wohlwollen fortdauerte. Be­vorzugter Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen den politischen Leitern der NSDAP war die Parteipresse, deren Be­sitz eine Überlegenheit über innerparteiliche Konkurrenten zu sichern schien. Spätestens ab 1930 zeigte sich jedoch, dass dies nur gelang, wenn Zeitung und parteioffizielle Führungs­rolle für einen bestimmten Bezirk in einer Hand lagen. Gegen den ausdrücklichen Willen der Gauleiter konnte sich kein NS-Blatt durchsetzen.

Selbst wo der Aufwand in krassem Missverhältnis zur Größe des Objekts und zum Erfolg ihres Bemühens stand, organisierte – wie im Fall der HJ – die NSDAP mit nicht zu entmutigender Aktivität. Mit Hilfe dieser Kadergruppen vermochte die NSDAP nach der Machtergreifung in kürzester Zeit, große Verbände nicht nur zu zerstören sondern sofort ihre Funktionen zu über­nehmen.

Nach 1933 konnte die Parteikrise rasch beigelegt werden

Nach dem 30. Januar 1933 überwand die NSDAP nicht zuletzt wegen der opportunistischen Haltung ihrer soeben noch „meu­ternden“ Anhänger und großer Bevölkerungsteile die Parteikrise in Mittelfranken unverhältnismäßig rasch. Aber auch für Oberfranken galt, dass nichts so sehr überzeugte wie der Er­folg. Ohne erkennbaren Widerstand konnte die NSDAP dank der seit langem betriebenen psychologischen und organisatorischen Vorbereitungen bis Ende März 1933 alle entscheidenden Schalt­stellen der Macht in Mittel- und Oberfranken zerschlagen oder mit Parteigenossen besetzen.

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Anmerkung: Dieser Artikel ist die Zusammenfassung der Dissertation von Dr. Rainer Hambrecht (Würzburger Phil. Dissertation 1975), die 1976 mit dem Titel  „Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925-1933“ in der Schriftenreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Band 17, erschienen ist (Auslieferung Universitätsbuchhandlung Korn und Berg, Nürnberg, Hauptmarkt.
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