„SA-Mann Brand“ – Eine Szene dieses Films von 1933 wurde in Rothenburg gedreht. Propagandaminister Joseph Goebbels kanzelte den Film als „nationalen Kitsch“ ab

Von Wolf Stegemann

Geredet wurde nicht viel über den Film, der gleich nach der Machtübernahme der Nazis 1933  teilweise in Rothenburg ob der Tauber gedreht wurde. Heute wissen dies nur noch wenige. Dass der Film vergessen wurde, mag auch daran liegen, dass der Streifen bereits 1934 kaum noch  aufgeführt wurde, weil er nicht nur handwerklich schlecht gemacht, sondern die „Hau drauf“-Propaganda, die in dem Film vordergründig überkommt, nicht mehr im Sinne des nunmehr staatstragenden Nationalsozialismus und somit von Propagandaminister Josef Goebbels war. In der Zeitschrift „Der Film“, Ausgabe vom 17. Juni 1933, ist folgendes Urteil zu lesen:

Der Film „ist nicht ein Stück Zeitgeschichte, sondern ein Filmgemisch aus jüngster Vergangenheit, das dazu angetan ist, dem Beschauer, der heute noch abseits der Bewegung steht, vor allem aber der heranwachsenden Jugend, ein falsches Bild von den politischen Soldaten Adolf Hitlers zu geben!“

Filmplakat

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Nur eine Szene in Rothenburg

Als„ politische Soldaten“ waren die SA-Männer gemeint.  Zuvor erhielt der Film noch die Prädikate „Volksbildend“ und „Künstlerisch besonders wertvoll“. Gerade deshalb ist der 88-minütige Spielfilm „S.A.-Mann Brand – Ein Lebensbild aus unseren Tagen“ (hier Schreibweise des Originaltitels) heute ein wichtiges cineastisches Zeitdokument. Allerdings wurde der Film nicht in Rothenburg gedreht, wie kolportiert wird. Lediglich eine Szene zeigt das Panorama der Stadt. Jugendliche marschieren im Taubertal und eine Stimme erklärt, was Heimatliebe auf Nationalsozialistisch heißt. Im Hintergrund ist die Silhouette der Stadt auf dem Bergrücken zu sehen. Alle anderen Szenen wurden in den Pappkulissen eines Filmstudios in München gedreht.

Ein allzu naiver Inhalt mit pathetischen und kitschigen Szenen

Dieser berüchtigte Propagandafilm ist in der Zeit unmittelbar vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten angesiedelt: In einem Münchener Mietshaus leben die Familien Brand und Baumann. Vater Brand (Otto Wernicke), ein Sozialdemokrat, verachtet seinen Sohn Fritz (Heinz Klingenberg), der sich der SA angeschlossen hat. Anni Baumann ist ebenso wie ihre Eltern Mitglied in der Kommunistischen Partei. Dennoch fühlt sie sich zu Fritz Brand hingezogen, und als sie ihn im Auftrag ihrer Partei in eine Falle locken soll, weiht sie Fritz in die Pläne der KP ein. Als die SA ein Waffenlager der Kommunisten ausräumt, wird Fritz bei einem Schusswechsel verwundet. Am Krankenbett finden Vater und Sohn wieder zueinander, und auch Anni bekennt sich nun offen zu Fritz. Nach seiner Entlassung zieht ein Marsch der NSDAP durch das Wohnviertel, wobei der junge SA-Mann Lohner von Kommunisten erschossen wird. Der Film endet mit dem Wahlsieg der Nationalsozialisten und der Festnahme der politischen Gegner.

Filmszene

Filmszene

Der Film füllte das Rothenburger Kino

In Rothenburg ob der Tauber wurde der Film am 15. September im Toppler-Kino gezeigt. Dies veranlasste den „Fränkischen Anzeiger“ tags darauf zu einer eigentümlichen und mit einer Mahnung an die Rothenburger verknüpften lobpreisenden Würdigung des Kinobesitzers Denzel und des Films, obwohl das Machwerk bereits Wochen zuvor in den meisten Medien reichsweit als Kitsch durchgefallen war. Der Text-Schreiber im „Fränkischen Anzeiger“ geht nicht darauf ein, dass Filmszenen in Rothenburg gedreht wurden:

„Sein eifriges Bemühungen, nur Gutes und Bestes, wieder echt deutschen Geist Atmendes auf die Leinwand zu bringen, wurden bisher von vielen Kreisen Rothenburgs bedauerlicherweise schlecht belohnt. Der gute Wille des Besitzers, seine großen Bemühungen und nicht zuletzt die dadurch bedingte finanzielle Mehrbelastung wurden auf eine große und harte Probe gestellt… Der Geschäftssinn, neben dem Trieb der Selbsterhaltung wird durch einen großen Idealismus ergänzt. Im Dritten Reich gelten diese Begriffe als die Grundlagen des ganzen Aufbaues, überhaupt als das ganze Sein und Rothenburgs Einwohnerschaft sei daher immer und immer wieder ermahnt, sich dafür dem Besitzer der Toppler-Lichtspiele durch einen entsprechenden Besuch erkenntlich zu zeigen. Diesmal ist es der Fall…

Das Kino bot am gestrigen Abend einen ganz ungewöhnlichen Anblick – es war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Besuch war aber auch berechtigt, denn es liegt doch mit dem Film „SA-Mann Brand das erste filmische Dokument vom Leiden und Wirken der SA vor. Und wer heute von dem Sieg der nationalsozialistischen Revolution spricht, der spricht von dem Sieg des SA-Manns. Sein Werden, sein Kamp und das heutige Sein sind unlöslich mit dem Geschehen unserer Tage für alle Zeiten verbunden. Darum heißt SA-Mann Brand auch Erziehung am Volk… Das nationalsozialistischen Deutschland hat den Sieg errungen, SA marschiert und in ihren Reihen stolz und echt SA-Mann Brand. … Ein ungeheurer Jubel geht durch Deutschland. Die Morgenröte der neuen Zeit bricht an. Vater Brand, der ein erbitterter Gegner seines Sohnes und seiner Weltanschauung war, findet den Weg zum tapferen SA-Mann. Deutschland ist erwacht! Ein denkwürdiger Abend in der Geschichte eines neuen volkhaften Films!“

Programmheft

Programmheft

Die weitaus meisten Besprechungen des plumpen regimetreuen Films, der beim Publikum keinen großen Anklang fand, wie Zeitungen damals schrieben, und selbst von Propagandaminister Joseph Goebbels bald als „nationaler Kitsch“ abgekanzelt wurde, fielen im NS-Staat allerdings ziemlich vernichtend aus. Regisseur Seitz wurde jede Befähigung für die Umsetzung eines derart „großen“ Stoffs abgesprochen.

Nazi-Märtyrer-Trilogie stieß 1933 eher auf negative Resonanz

„Wir gehen nicht mehr!“, prophezeite Propagandaminister Joseph Goebbels zur Herrschaft des NS-Regimes. Man habe sich darauf einzustellen, dass „die nationalsozialistische Bewegung in die Wirtschaft und die allgemeinen kulturellen Fragen, also auch in den Film, eingreift“ – der Film solle nun „völkische Konturen“ erhalten. Kunst sei nur dann möglich, „wenn sie mit ihren Wurzeln in das nationalsozialistische Erdreich eingedrungen ist“. Mit diesen Worten, die Joseph Goebbels in einer Rede im Berliner Hotel Kaiserhof am 28. März 1933 an Vertreter der Filmbranche richtete, wurden bereits die Grundzüge der kommenden Filmpolitik der Nazi-Diktatur definiert. Nachdem die Filme „SA-Mann Brand – Ein Lebensbild aus unseren Tagen“, „Hans Westmar – Einer von Vielen“ und „Hitlerjunge Quex – Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend“, die direkt nach der Machtübernahme 1933 als Nazi-Märtyrertrilogie entstanden waren, auf eher negative Resonanz beim Publikum gestoßen waren, wurde eine ähnlich direkte Darstellung des NS-Regimes beziehungsweise der nationalsozialistischen Bewegung im Spielfilm danach weitgehend vermieden. Stattdessen verlegte man sich bei weiteren Versuchen weltanschaulicher Normvermittlung, wie sie in den Propagandafilmen der 1930er-Jahre vorherrschend war, darauf, diese in einer räumlich und vor allem zeitlich distanzierten Dimension zu betreiben. Historische Biographien wie „Robert Koch, der Bekämpfer des Todes“ (1939), „Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies“ (1940) und „Der große König“ (1940 bis 2942, mit Otto Gebühr in Tradition der „Fridericus-Rex“-Serie der frühen 1920er-Jahre) entstanden als Überhöhungen „großer Deutscher“ und als Rechtfertigung des Führerprinzips.

Die für den "SA-Mann Brand"-Film nachgestellte Szene;  Foto: Bundesarchiv

Die für den “SA-Mann Brand”-Film nachgestellte Szene; Foto: Bundesarchiv

Brand-echt

Der echte Zug; wenig Menschen am Straßenrand

Die Verknüpfung von Propaganda und Wirklichkeit bei den Nationalsozialisten ist eins  gewesen. So gab es verwackelte Aufnahmen der Kolonnen uniformierter Nationalsozialisten der SA, der SS und des Stahlhelms, die in der Nacht vom 30. Januar 1933, als Hitler Reichskanzler wurde, durch das Brandenburger Tor marschierten. Die Bilder waren wenig beeindruckend, so dass Propagandaminister Joseph Goebbels für das Propagandaepos „SA-Mann Brand“ im Sommer 1933 die Szenen nachstellen und nachdrehen ließ. So sieht man im Film die Kolonnen zum Spiel von Hell und Dunkel durch das angeleuchtete Tor marschieren, vorbei an Spalieren mit „Hitlergruß“ salutierender Zuschauern. Bei genauem Hinsehen erkennt man aber, dass sich da keine Massen am Straßenrand drängten. Doch Goebbels war es auf den Gesamteindruck angekommen. Der mächtigen Ästhetik visueller Repräsentationen sollte und wollte sich das im Januar 1933 anbrechende Dritte Reich von Beginn an bedienen. – Doch dann war es dem Propagandaminister doch zu plump.

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Quellen: „Fränkischer Anzeiger“ vom 16. September 1933 (Stadtarchiv Rothenburg ob der Tauber). – Filmportal, SA-Mann Brand.
Film anzusehen: https://www.youtube.com/watch?v=KSqwYleqivs

 

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