Mit der „Adolf-Hitler-Freizeitplatzspende“ kamen immer wieder Parteileute nach Rothenburg und wurden mit Sieg Heil und dem üblichen NS-Tamtam bevorzugt empfangen

Hitler-Urlauber 1Von  Wolf Stegemann

Rothenburg ob der Tauber, die in der nationalsozialistischen Kdf-Verkehrs- und Tourismuswerbung so hochgepriesene Vorzeigestadt der NS-Propaganda, war immer wieder das Reiseziel so genannter Hitler-Urlauber. Diese besonderen Reisegruppen kamen aus allen Gegenden des Reiches und machten von ihren Erholungsplätzen in Bayern Ausflüge nach Rothenburg. Es waren Urlauber der von der Partei finanzierten „Adolf-Hitler-Freizeitplatzspende“. Solche Plätze gab es u. a. in Franken (Nürnberg), in Tirol, im Bayerischen Wald und im Allgäu. Die Badeorte an der Nord- und Ostsee waren bevorzugte Ziele.

Die „Adolf-Hitler-Freizeitplatzspende“ (auch „Hitler-Spende“ genannt) war eine 1933 gegründete soziale Einrichtung der NSDAP, die den so genannten „Alten Kämpfern“ einen kostenlosen Freizeitplatz ermöglichte. Alte Kämpfer waren Nationalsozialisten, die noch vor dem 30. Januar 1933 in die NSDAP eingetreten waren. Schon zwei Jahre später wurde die „Hitler-Spende“ aus propagandistischen Gründen auf alle Volksgenossen und ihre Angehörigen erweitert, wenn ihre Bedürftigkeit von der örtlichen Dienststelle der NS-Volkswohlfahrt festgestellt wurde. Allerdings wurden weiterhin die „Alten Kämpfer“ der NSDAP und die übrigen Parteigenossen bevorzugt und in „Hitler-Urlauber-Kameradschaften“ zusammengefasst.
Mit der Privatisierung der öffentlichen Fürsorge und Bevorzugung der Parteigenossen übte die NSDAP Druck auf die bedürftigen Volksgenossen aus, in die Partei einzutreten, um ebenfalls bevorzugt verreisen und sich erholen zu können. Denn jeder Parteigenosse hatte seine Gesundheit als „die höchste Pflicht“ zu betrachten, „damit er dem Führer dienen könne“, so der Stellvertreter des Führers, Rudof Heß.

200 Hoheitsträger der NSDAP aus Grenzgebieten besuchten die Stadt

Jahr für Jahr besuchten in der Friedenszeit große Gruppen von „Hitler-Urlaubern“ auch die Vorzeigestadt Rothenburg. Manchmal, so im tristen November 1937 war es eine Gruppe von 200 Nationalsozialisten, die mit Bussen von Nürnberg anreisten, „um das Schatzkästlein deutscher Vergangenheit kennenzulernen“ (FA). Diese 200 Parteigenossen waren Politische Leiter der Partei (so genannte Hoheitsträger) und gehörten daher in Rothenburg zu den bevorzugten Tagesgästen. Sie kamen aus den deutschen Grenzgebieten, vornehmlich aus dem Osten des Reiches, und wurden zur „Hitler-Urlauber-Kameradschaft der Stadt der Reichsparteitage“. zusammengeschlossen, um im Frankenland ihren kostenlosen Erholungsurlaub zu verbringen. In Nürnberg wurden sie vom Frankenführer Julius Streicher begrüßt. Nach Ankunft in Rothenburg ob der Tauber wurden die 200 Braunhemden vom NSDAP-Kreisamtsleiter Beyerl und anderen Parteiführen am Rödertor begrüßt und von einer Abordnung des Historischen Festspiels „Der Meistertrunk“ mit Waffenmeister Schaiblein an der Spitze empfangen. „Unter schneidigen Marschklängen der Stadtkapelle und geführt von der Festspielgruppe marschierten die Politischen Leiter in stattlichem Zug, an dessen Spitze sich auch der Leiter der Hitlerfreiplatzspende im Hauptamte für Volkswohlfahrt, Brigadeführer Fürholzer, befand, durch die Röder- und Hafengasse zum Marktplatz“ (FA).

Im Kaisersaal des Rathauses fand dann die feierliche Begrüßung durch die Rothenburger Partei und des Bürgermeisters statt. Ortsgruppenleiter Friedrich Götz hieß die angereisten Nationalsozialisten willkommen und stellte deren Kampf für das Deutschtum in den Ostgebieten heraus, wofür er Beifall bekam. Dann beglückwünschte er die 200 Politischen Leiter der NSDAP, dass sie mit ihrem Erholungsbesuch dem Frankenland und besonders Rothenburg ob der Tauber ein besonderes Gepräge geben. Das sei die Stadt, die durch ihre Mauern, Türme und Basteien heute noch beweise, von welch wehrhaftem Geist sie und ihre Bürger einst beseelt gewesen seien. Es gebe keine Stadt, wo sich der Gedanke der Wehrhaftigkeit mit dem Gedanken höchster Kultur sich so wunderbar vereint habe, wie in Rothenburg, dessen Streitruf er den 200 Parteigästen zurief: „Deutscher Geist, deutscher Wille und deutsche Kraft.“ Götz erläuterte noch die Trinkfestigkeit der Rothenburger mit der Geschichte von Altbürgermeister Nusch im Dreißigjährigen Krieg.

Geredet, gegessen, besichtigt und in sechs Bussen wieder weg

Auf die Herkunftsbereiche der Gäste gemünzt, sagte der Redner, dass man wüsste, welche Kämpfe um ihr Deutschtum gerade  die Kameraden aus den Grenzlanden führen müssten. Diese dürften aber die Gewissheit haben, dass das ganze deutsche Volk diesen Kampf verstehe, denn ihre Not sei die Not des ganzen Volkes, ihr Kampf der Kampf aller Deutschen. Diese Worte brachten dem Ortsgruppenleiter natürlich Beifall ein. Götz beschloss seine Ansprache mit „einem Gruß an den Mann, der es verhinderte, dass durch den Bolschewismus auch bei uns in Deutschland ein Chaos entstehen konnte, dem Führer Adolf Hitler und seinem treuen Mitstreiter Julius Streicher.“ Der Fränkische Anzeiger: „Mächtig und einem Gelöbnis gleich brauste das Sieg Heil auf die beiden Männer durch den Kaisersaal und der Gesang des Horst-Wessel-Liedes beschloss den eindrucksvollen Begrüßungsakt.“

Diesem schloss sich das Mittagessen in verschiedenen Gastwirtschaften an, danach ein Gang durch die Gassen der Stadt. Gegen Abend versammelten sich die Hitler-Urlauber auf dem Marktplatz. Brigadeführer Fürholzer richtete einige Worte an die Abreisenden. Er „ermahnte sie, in treuer Kameradschaft zusammenzuhalten und stets einsatzbereite Kämpfer des Führers zu bleiben“. Dann schallte schon wieder ein Siegheil-Gruß an den Führer und das Horst-Wessel-Lied über den Marktplatz, bevor die 200 Politischen Leiter ihre sechs bereitstehenden Busse nach Nürnberg bestiegen, wo die Politischen Leiter ihren (politischen) Erholungsurlaub fortsetzten – Sie fuhren „beglückt“ ab, schrieb die Zeitung – wie immer man dies heute verstehen könnte.

 

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