Konnte Pressefreiheit im Nationalsozialismus funktionieren? Gar nicht! Es gab tägliche Anweisungen aus dem Berliner Reichspropagandaministerium

Von Wolf Stegemann

Um die im vorhergehenden Artikel beschriebene Tätigkeit des „Fränkischen Anzeigers“ während der NS-Zeit besser verstehen und in die damals schwierigen Verhältnisse einer Diktatur einordnen zu können, mögen die Informationen in diesem Artikel über das Pressewesen im Nationalsozialismus hilfreich sein. Meinungs- und Pressefreiheit galt Nationalsozialisten als „liberalistische Verirrung“. Im Dritten Reich wurde entsprechend journalistische Arbeit als Dienst am Volk und Staat verstanden, in der abweichende Meinungen natürlich keinen Platz hatten. Die NS-Pressepolitik war daher von Anfang an auf eine möglichst lückenlose politische und ökonomische Kontrolle der veröffentlichten Meinung gerichtet. Das erste Ziel wurde durch Pressekonferenzen und Presseanweisungen des Propagandaministeriums angestrebt, das zweite durch entschädigungslose Beschlagnahme der „linken“ Verlage von SPD, KPD und Gewerkschaften und durch Aufkäufe bürgerlicher Presseunternehmen mittels Tarnfirmen.

Die Presse ist ein „Instrument, das der deutsche Staat braucht“

Schon im Dezember 1933 veröffentlichten die Zeitungen im Reich die 1. Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933, auf Grund dieser Reichspressekammer-Präsident Max Amann einschränkende Verordnungen erließ und somit die Arbeit der Presse unter nationalsozialistische Kontrolle stellte. Die NS-Reichspressekammer erwartete von den Zeitungsverlegern und Journalisten einen „hingebungsvollen, stets opferbereiten Dienst für die Volksgemeinschaft“. Von jedem, der zur Gestaltung der Presse berufen ist, forderten Staat und Partei eine „strenge Erfüllung auch der kleinsten Pflicht und höchstes Verantwortungsbewusstsein“. Und weiter heißt es:

„Das gemeinsame innere Erleben wird die in der Presse Schaffenden zu einem festen Block zusammenschließen, aus dem alle Schlacke und alles Unechte durch den harten Hammerschlag der Pflicht herausgehämmert wird. Erst wenn sich die Umwandlung im Denken, Fühlen und Trachten jedes Einzelnen vollzogen hat, ist die deutsche Presse als das Ergebnis eines einheitlichen Wollens alle an ihrer Gestaltung Mitwirkenden, das Instrument, das der deutsche Staat braucht.“

Die Heimatpresse, zu welcher der „Fränkische Anzeiger“ gehörte, sei, wie Max Amann Ende 1933 in den Zeitungen verkünden ließ – im  Fränkischen Anzeiger am 14. Dezember 1933 – im „eigentlichen Sinne des Wortes eine notwendige Bundesgenossin der Kampfpresse. Es wäre verfehlt, aus einer missverstandenen Aufgabe heraus dieser Presse den Lebensraum zu nehmen und damit Werte zu vernichten, die kaum wieder ersetzt werden können”. – Mit „Kampfpresse“ meinte Amann die nationalsozialistischen Blätter, die durch Hetze und Lügen nationalsozialistisches Gedankengut mit dem Ziel der Vernichtung der Demokratie verbreiteten. Was ihnen auch gelang.

Säuberung von „undeutschen Personen“ in der Presse

In einer Tagung der „Zeitungswissenschaftlichen Vereinigung“ und des „Zeitungswissenschaftlichen Instituts“ der Universität München am 14. Dezember 1933 in München hielt Chefredakteur Ewald Beckmann einen Vortrag zum Thema „Die Presse im neuen Staat“. Er gab einen Überblick über das Wirken der Presse in der Weimarer Republik und sagte: „Sie hat ihre Aufgaben nicht immer erfüllen können, weil wohl der Staat es nicht verstanden hat, auf dem Instrument der Presse zu spielen.“ Ein Teil der Presse habe sich aber nach dem Umschwung „nicht erst eingliedern müssen, da sie schon vorher mitgeholfen habe, den Weg der nationalsozialistischen Idee zu bereiten“. Über die Pressefreiheit sagte Beckmann:

„Sie ist in den früheren Jahren vielfach missverstanden worden. Ja, man hat die Presse sogar  gegen den Staat aufgehetzt. Eine solche Pressefreiheit ist das schlimmste Geschenk für ein Volk; denn Pflicht und Aufgabe der Zeitung ist es vor allem, dem Volksganzen zu dienen. Wenn im Ausland verschiedentlich die Meinung verbreitet worden war, die Presse steht unter einem gewissen Zwang, sich nationalsozialistisch zu äußern, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Gleichschaltung weder einen Vorwurf für den Staat, noch eine Erniedrigung für die Presse bedeutet. Es ist nur eine Reinigung und Säuberung von undeutschen Personen, eine Reinigung von alten Schlacken, die die Presse hinderten, ihre ganze Kraft für das Volkstum einzusetzen… So wie es keine konfessionellen Zeitungen mehr gibt, so sind auch die bürgerlichen verschwunden, es gibt nur noch eine nationalsozialistische Presse, wenn auch ein Teil von ihr nicht parteiamtlich abgestempelt ist… Der deutsche Verleger soll seinen Teil dazu beitragen, der deutschen Presse eine Zukunft zu sichern. Er soll an den Sieg der parteiamtlichen und auch nicht parteiamtlich gebundenen Presse glauben.“

Kirchliche und andere „unbotmäßige“ Verlage konnten nach einer Verordnung vom 21. April 1935 zwangsweise geschlossen oder im Krieg durch Verweigerung der Papierzuteilung zu Einstellung ihrer Zeitschriften gezwungen werden. Im Oktober 1944 erschienen im NSDAP-eigenen Eher-Verlag 82,5 Prozent der deutschen Zeitungsauflage, Wochenzeitschriften und Illustrierte waren zu 100 Prozent in seiner Hand.

Einrichtung der Reichspressekammer

Die inhaltliche „Gleichschaltung“ erreichte Propagandaminister Joseph Goebbels als oberster Meinungsmacher nicht nur durch genaues Vorschreiben der Tendenz, sondern auch durch die Monopolisierung des Nachrichtenmaterials durch das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB) und die NS-Parteikorrespondenz (NSK). Hinzu kamen die Ausschaltung  „unzuverlässiger“ Journalisten durch das Schriftleitergesetz und die Einrichtung der Reichspressekammer.

Ihr äußerer Aufbau wurde bereits Mitte 1933 geschaffen. Ihr waren zu diesem Zeitpunkt noch folgende existente Verbände und Fachschaften angegliedert: Reichsverband der Deutschen Presse, Verein Deutsche Zeitungsverleger, Reichsverband Deutscher Zeitschriftenverleger, Reichsverband der Deutschen Korrespondenz- und Nachrichtenbüros Berlin, Reichsverband der Evangelischen Presse  und Fachschaft der Katholisch-Kirchlichen Presse, vereinigt in der Hauptfachschaft der Kirchlich-Konfessionellen Presse, Reichsverband Deutsche Zeitschriftenbuchhändler, Verband der Pressestenographen, Fachschaft der Verlagsangestellten, Fachschaft der Redaktionsangestellten. – Damit waren alle damals im Presseberuf Tätigen entsprechend den Bestimmungen des Reichskulturkammergesetzes und den Durchführungsverordnungen in der Reichspressekammer zusammengeschlossen.

Eine Reichpresseschule sorgte seit 1935 für die Ausbildung eines ganz auf Parteilinie ausgerichteten Nachwuchses. Die Folge war ein durch Goebbels selbst beklagter Einheitsbrei, der zu Auflagenschwund führte. Der Krieg mit seinem Nachrichtensog brachte zwar leichte Besserung, doch sah sich Goebbels zu gezielter Lockerung der Lenkung der Presse gezwungen. So konnte etwa die „Frankfurter Zeitung“ noch bis 1943 gemäßigt kritisch berichten. Insgesamt aber kam es zu einem dramatischen Verfall der Qualität und der Glaubwürdigkeit der Presse in Deutschland. Der Leiter des Reichsverbandes der Deutschen Presse, Weiß, wird 1937 im „Fränkischen Anzeiger“ zitiert, der auf der Gaukulturwoche in Magdeburg-Anhalt sagte:

„Wir wollen eine angesehene und interessante deutsche Presse im Dienst des nationalsozialistischen Staates, und mit dieser Presse ein zuverlässiges und schlagkräftiges Instrument in der Hand des Führers. Denn: Die Pressepolitik des nationalsozialistischen Staates ist lediglich eine Fortsetzung der nationalsozialistischen Staatspolitik auf dem Gebiet der öffentlichen Publizistik.

Presseanweisungen

Die Presseabteilung des Propagandaministeriums hielt seit Juli 1933 täglich eine Pressekonferenz ab, auf der die Journalisten der großen Tageszeitungen mündlich Presseanweisungen für Aufmacher, Artikeltendenz, Kommentare, Nachrichtenauswahl und -platzierung erhielten. An kleinere Regionalzeitungen gingen schriftliche Presseanweisungen im gleichen Sinn über die Landesstellendes Ministeriums. Für Rothenburg ob der Tauber war das Gau-Presseamt in Nürnberg zuständig. Zeitschriften erhielten ihre Weisungen auf einer gesonderten Konferenz und seit 9. Mai 1939 durch einen Zeitschriftendienst. Für die Tagespresse wurde seit November 1934 eine „Tagesparole des Reichspressechefs“ diktiert, die den Tenor der Berichterstattung festigte.

Eine so genannte kontrollierte Zusammenarbeit zwischen Partei undn Presse

Wie die kontrollierte Zusammenarbeit zwischen einer Zeitung und der Partei in Rothenburg funktionierte, zeigt folgender Vorgang. Die „Fränkische Tageszeitung“ in Rothenburg erhielt 1935 das Manuskript eines Artikels, der zwar nicht mehr vorhanden ist, der Schriftverkehr  zwischen Partei und Zeitung aber schon. Dieser weist darauf hin, dass es sich bei dem Manuskript „in Sachen Erbhofbauer Wilhelm Dürr“ aus Adelshofen um einen Vorgang handelt, bei dem der Handel mit Juden kritisiert wurde. Bevor die „Fränkische Tageszeitung“, die das Hakenkreuz in ihrem Zeitungskopf hatte, das Manuskript abdruckte, fragte die Redaktion am 24. August 1935 beim Kreisleiter der NSDAP in Rothenburg an, ob sie das so  dürfe:

„Wir senden Ihnen anliegend ein Manuskript, das uns heute von Ohrenbach zuging und bitten Sie, den Inhalt nachzuprüfen und uns Mitteilung zu machen, ob wir diese Angelegenheit in der „FTZ“ verwenden dürfen. Heil Hitler! Fränkische Tageszeitung Rothenburg, Schriftleitung Rothenburg o. Tbr.“

Der Kreisleiter Karl Steinacker, gerade als vorerst kommissarischer Kreisleiter in Amt,  schickte das Manuskript an den Kreisbauernschaftsführer Georg Soldner vom „Reichsnährstand Blut und Boden“ nach Ansbach. Soldner antworte dem Kreisleiter am 30.  August (Gesch.z. Pa/Rie):

Betreff: Handel mit Juden
Ich habe von dem Inhalt beiliegenden Berichtes Kenntnis genommen und teile Ihnen mit, dass ich gegen eine Veröffentlichung desselben in der Fränkischen Tageszeitung nichts einzuwenden habe. Ich stehe selbstverständlich auf dem Standpunkt, dass man gegen Volksgenossen, die sich boshafterweise um die Judenfrage nicht kümmern, rücksichtslos vorgehen soll. Bevor Sie das Manuskript zur Verwendung in der Fränkischen Tageszeitung weitergeben, bitte ich Sie prüfen zu lassen, ob die darin gemachten Angaben den Tatsachen entsprechen. Heil Hitler! Unterschrift Soldner.“

Kreisleiter Steinacker antwortete am 3. September 1935:

„Anbei erhalten Sie das mir am 24. August 1935 übersandte Manuskript in Sachen Erbhofbauer Wilhelm Dürr, Adelshofen, wieder zurück. Gegen die Veröffentlichung erhebe ich keine Erinnerung [Eventl. soll dies Einwand heißen]. Heil Hitler komm. Kreisleiter.“

Reichskulturkammer

Laut Gründungsgesetz vom 22. September 1933 und folgende Durchführungsverordnungen hatte die Reichskulturkammer die Aufgabe, „die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturberufe zu regeln und zwischen allen Bestrebungen die ihr zugehörenden Gruppen einen Ausgleich zu bewirken“: Die Reichskulturkammer  war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, und jeder kulturell Tätige musste einer ihre sieben Unterkammern angehören, wenn er seinen Beruf ausüben wollte. Diese waren Reichsfilm-, Reichsmusik-, Reichsschrifttums-, Reichspresse-, Reichtheater- und Reichsrundfunkkammer sowie die Reichskammer für bildende Künste. Mitglied musste man sein, durfte es aber nur bei „politischer Zuverlässigkeit“ und „arischer Abstammung“. Die Reichkulturkammer war daher oberste Kontrollbehörde darüber, dass nur Erwünschtes von linientreuen „Kulturschaffenden“ produziert wurde und dass Abweichler mundtot gemacht wurden. Förderung erhielten ohnedies nur durch besonderen NS-Eifer ausgezeichnete Werke und Personen.

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Quellen: Nach Friedemann Bedürftig: „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon“, Piper 2002. – Fränkischer Anzeiger: „Die Aufgabe der Presse im nationalsozialistischen Staat“ vom 16. März 1937. – Staatsarchiv Nürnberg, NS-Mischbestand, Rep. 50. Kreis Rothenburg 1
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