Libanesischer Student am Goethe-Institut namens Hitler. Darf man seinen Söhnen den Vornamen „Hitler“ geben? Hier nicht, woanders schon – vor allem in Südamerika

Karteikarte des Einwohnermeldeamts der Stadt Rothenburg

Karteikarte des Einwohnermeldeamts der Stadt Rothenburg

W. St. – Als in Rothenburg ob der Tauber Anfang der 1960er-Jahre ein Mann wohnte, der mit Vor- und Rufnamen Hitler hieß, mag damals Wohnungsgeber, Stadtverwaltung und das Goethe-Institut zu mancher Bemerkung veranlasst und in Erstaunen gesetzt haben, wie seine biografischen Daten auch. Denn der 1936 geborene libanesische Student am Goethe-Institut in Rothenburg hatte mit Slavekoff einen bulgarischen Nachnamen, sein Vater war Bulgare, lebte aber in Syrien, wo der Sohn „Hitler Paul Slavekoff“ geboren wurde, aber die libanesische Staatsbürgerschaft hatte und protestantischer Christ war. Sein Vater war von Adolf Hitler 1936 offensichtlich so begeistert, dass er seinen Sohn bei der Geburt den Namen Hitler gab und erst als zweiten Vornamen seinen eigenen dazu, nämlich Paul. Wie mag jener Hitler Slavekoff wohl von seinen Freunden in Rothenburg gerufen worden sein? „Hallo Hitler, komm doch mal her!“ Oder: „Hitler, bist du satt geworden?“ Oder „Aber Hitler, du musst jetzt schon richtiges Deutsch sprechen!“ Und wenn er in Rothenburg eine Freundin hatte, wie mag sie ihn angesprochen haben? Das mag irgendwie amüsieren, doch so amüsant ist eine solche Namensgebung vor allem für den Namensträger keineswegs.

Aus den USA wurde kürzlich berichtet, dass ein Kind mit erstem Vornamen „Adolf“ und mit zweitem Vornamen „Hitler“ heißt und damit ein Problem hat: Ein Konditor weigerte sich, die bestellte Geburtstagstore mit diesem Namen zu verzieren. In Deutschland wäre diese Vornamen-Kombination gar nicht erst zugelassen worden. Abgesehen davon, dass „Hitler“ kein üblicher Vorname ist, wäre das Kindeswohl gefährdet und somit liegen zwei Gründe vor, welche die Eintragung dieses Namens verhindern.

Adolf Hitler Souza Mendes, Student an der Uni im brasilianischen Norto

In Brasilien ist der Vorname „Adolf Hitler“ dagegen verbreitet. Denn dort können Kinder nahezu jedes Wort als Vornamen bekommen. Die einzige Bedingung: Das Wort muss schon mal gedruckt worden sein. Wo, ist ganz egal. Ist der Nachweis beispielsweise eine Postkarte aus Oberbayern-Ettal – darf man seinem Kind den Vornamen „Oberbayern-Ettal“ geben. Ein angehender Student brachte es wegen seines Namens zu ungewolltem Internet-Ruhm. Der 21-Jährige hieß Adolf Hitler oder genauer: Adolf Hitler Souza Mendes. Der Brasilianer bewarb sich um einen Studienplatz an der Universität Rio Grande do Norte in Natal. Sein Name stand – wie mehr als 1500 andere auch – auf der Liste der Kandidaten, die den Sprung in die zweite Bewerbungsrunde schafften. Die Hochschule veröffentlichte die Namen im Internet. Daher wurde der junge Mann in Internet-Foren gehänselt und gemobbt. Daraufhin hat er seinen Namen mit gesetzlich vorgeschriebener Hilfe und Honorar eines Rechtsanwalts geändert. „Die Tage von Adolf Hitler sind gezählt“, titelte damals die Zeitung „Novo Jornal“. Ein anderer Brasilianer aus Sao Paulo heißt oder hieß „Hitler Cazelle“. Er wohnt/e in der nach einer angesehenen jüdischen Persönlichkeit der Stadt benannten Rua Isaac Tabacow. Der Lokalzeitung sagte er: „Mein Vater, aus italienischer Familie, mochte die Nazis, hat mir deshalb diesen Vornamen verpasst.“

Ein Indianer namens Eichmann Mamani

Dank einer neuen Gesetzgebung müssen brasilianische „Hitlers“ und „Himmlers“ ihren Namen nicht mehr mit ins Grab nehmen. Ohne Angaben von Gründen kann man den Namen innerhalb eines halben Jahres gegen Bezahlung wieder los werden. Doch davon machen nicht viele Hitlers Gebrauch. Der Polizeichef namens Hitler Mussolini Pacheco im Teilstaat Goiania, der angesehene Richter Hitler Cantalice in Nordostbrasilien, beide öfters in den Medien genannt, hätten schon längst anders heißen können, wollten aber nicht. Und so bleibt es dabei, dass weißhäutige Brasilianer namens Hitler in Universitätshörsälen sitzen, schwarze Brasilianer mit diesem Namen in den Slums der Sklaven-Nachfahren hausen, es sogar Hitler-Straßen wie die „Avenida Hitler Sansao“ gibt. In La Paz studierte ein Indianer namens „Hitler Apazi Cutili“ Medizin. Zwei fernab der Hauptstadt lebende indianische Brüder „Hitler Mamani“ und „Eichmann Mamani“ wurden so auch getauft.

Und auch in Peru gibt es viele Hitlers. „Zu Ehren einer historischen Persönlichkeit“ nannte der in einem Amazonasdorf lebende Indio Manuel Garcia seinen Sohn „Adolfo Hitler“. Als dieser tödlich verunglückte, gab er dem nächstgeborenen Sohn ebenfalls diesen Namen. 2003 kam auch der ums Leben, als ein Auto mit weiteren drei Personen in einen Gebirgsfluss stürzte. Jetzt glauben dort viele in der Region, dass dieser Vorname Unglück bringt.

Großkreuz der Bundesrepublik hütet präsidialen Hitlerverehrer 1953

Die vielen Hitlers in Lateinamerika haben einen historischen Hintergrund: Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 gelang es der NSDAP, die Deutschstämmigen Lateinamerikas und deren Vereine weitgehend gleichzuschalten. Die Nazis hatten dort vor allem die protestantischen Pfarrer auf ihrer Seite. Diese waren den reichsdeutschen Kirchenorganisationen angeschlossen, predigten teilweise sogar von der Kanzel herab Nazi-Ideologie. In Brasilien beispielsweise war damals der Diktator, Hitler-  und Mussoliniverehrer sowie Judenhasser Getúlio Vargas an der Macht. Er war Präsident von 1930 bis 1945 und von 1950 bis 1954. Nach den USA war das Dritte Reich der stärkste Handelspartner. Das hinderte Vargas nicht daran, nach dem amerikanischen Kriegseintritt im Dezember 1941 gezwungener Maßen, den Achsenmächten Deutschland und Italien ebenfalls den Krieg zu erklären. Nach dem Krieg verehrte Vargas Hitler und Mussolini (durchaus offiziell) weiter. Die Bundesrepublik Adenauers verlieh ihm am 20. Mai 1953 die „Sonderstufe des Großkreuzes“ des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. – Kein Wunder, dass angesichts der bis heute in Brasilien fast grenzenlosen Vornamenfreiheit nicht wenige Eltern ihren Sprösslingen den Vornamen Hitler gaben.

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