Justiz II: Auch im Amtsgericht wurde Recht so gesprochen, wie es die Nationalsozialisten vorgaben – Eine Beugung des Recht durch Verbeugung vor Adolf Hitler

Das frühere Amtsgericht Rothenburg heute - eine Apotheke

Das frühere Amtsgericht Rothenburg heute – eine Apotheke

Von Wolf Stegemann

Über das Rothenburger Amtsgericht vorm Rödertor, in dem heute eine Apotheke Medikamente verkauft, ist bislang wenig bekannt. Bislang ist in Archiven kein Verhandlungsregister gefunden worden, lediglich zwei Zugangsbücher der Einlieferung und Entlassung in das Amtsgerichtsgefängnis. Zudem lässt sich auch aus den Polizeibüchern herauslesen, dass das Amtsgericht Rothenburg zwischen 1933 und 1945, auch davor und danach, wohl alle Hände voll zu tun hatte, Verkehrsübertretungen, mutwilliges Zerstören von Gartenzäunen, Diebstähle der kleineren Art, so genannte „Eierdiebe“, Verleumdungen und kleine Betrügereien zu bestrafen, Haftbefehle auszustellen, Ehen zu scheiden und das Grundstückregister zu führen. Die meisten Straftaten kamen vor die Strafkammern des Landgerichts Ansbach, politisch bewertete auch vor das Sondergericht Nürnberg.

Im Nationalsozialismus war das Recht nur Mittel zum Zweck

Der prominenteste Amtsrichter war wohl der als Komponist bekannt gewordene Armin Knab, der in Rothenburg ob der Tauber 13 Jahre lang Richter am Amtsgericht war und 1926 nach Würzburg ging. Dort trat er 1933 in die NSDAP ein. Auch die Justiz wurde 1933 auf die NS-Ideologie eingeschworen und von Reichskommissar Hans Frank gleichgeschaltet, der erklärte:

„Wir bekennen uns offen dazu, dass wir nationalsozialistische Juristen in jedem Recht nur das Mittel zu dem Zweck sehen, einer Nation die heldische Kraft zum Wettstreit auf dieser Erde sicherzustellen.“

Zur Gleichschaltung gehörte auch die Neuwahl von Schöffen. 1933 erließen die Nationalsozialisten ein Gesetz zur Neuwahl von Schöffen und Geschworenen, denn sie wollten auch die Justiz nationalsozialistisch einschwören. Am 26. Mai 1933 wurden daher durch den dazu eigens bestellten Vertrauensausschuss beim Amtsgericht Rothenburg für die Zeit vom 1. Juli 1933 bis zum Ende 1934 als Schöffen und Geschworene gewählt, die eingeschriebene Nationalsozialisten waren:

Hauptschöffen für das Jugendgericht beim Amtsgericht Rothenburg
1.  Karl Bald, Kaufmann, Rothenburg, Hirtengasse 3
2.  Leonhard Leyrer, Rothenburg, Rödergasse 30
3.  Lorenz Zeltner, Bildhauer, Rothenburg, Galgengasse 12
4.  Heinrich Müller jun., Gärtnereibesitzer, Rothenburg, Wenggasse 31
5.  Heinrich Herrmann, Kohlenhändler, Rothenburg, Daßdorfweg 6
6.  Leonhard Utz, Landwirt in Neusitz
7.  Georg Endreß, Landwirt und Bürgermeister in Schweinsdorf
Hilfsschöffen Jugendgericht
1. Hans Bayerlein, Uhrmachermeister, Rothenburg, Rödergasse 17
2. Georg Hannwacker, Schmiedemeister, Rothenburg, Rödergasse 33
3. Franz Voit, Drogeriebesitzer, Rothenburg, Rödergasse 20.
Hauptschöffen für das Schöffengericht beim Amtsgericht Ansbach
1. Gottlieb Gerlinger, Schriftsetzer, Rothenburg, Kapellenplatz 15
2. Konrad Stieber, Imkereibesitzer und Bürgermeister in Schillingsfürst.
3. Wilhelm Junker, Landwirt in Gattenhofen Nr. 25.
Hauptschöffen für die Strafkammer beim Landgericht Ansbach
1. Anton Reuter, Gärtnereibesitzer, Rothenburg, Topplerweg 11
2. Max Kurzius, Kaufmann, Rothenburg, Hafengasse 4
3. Georg Reinfelder, Altsitzer und Bürgermeister in Unterwörnitz Nr. 24
4. Leonhard Schmidt, Schuhmachermeister in Geslau Nr. 43
5. Georg Schöller, Landwirt in Neustett Nr. 26
6. Karl Demmert, Landwirt in Gailroth Nr. 20
Hauptgeschworene für das Schwurgericht beim Landgericht Ansbach
1. Eduard Holstein, Buchdruckereibesitzer, Rothenburg, Herrngasse 1
2. Julius Stattmann, Kirchnermeister, Rothenburg, Untere Schmiedgasse 14
3. Georg Soldner, Schmiedmeister und Bürgermeister, MdL in Schwand
4. Georg Kallert, Landwirt und Bürgermeister in Ermetzhofen Nr. 8
5. August Stahl, Landwirt in Habelsee Nr. 15

Oberamtsgerichtsrat Faber 1936 zum Vorstand ernannt

Der Ansbacher Landgerichtspräsident von Strenge ernannte den seit 1920 am Rothenburger Amtsgericht tätigen Oberamtsrichter Dr. Faber zum Vorstand  des Rothenburger Amtsgerichts. In einer Feierstunde im Gerichtssaal, an der Vertreter der Partei, der SA, SS und Staatsbehörden, des Bezirks, der Stadt, der Anwaltschaft sowie die Beamtenschaft der Amtsgericht teilnahmen, tat er dies mit „feierlichem Handschlag“. „Da Herr Dr. Faber schon seit Jahren  in Rothenburg ob der Tauber heimisch ist, werden ihm die Aufgaben, die er heute übernommen hat, nicht unwesentlich erleichtert.“ Weiter sagte der Landgerichtspräsident, dass auf dem Gebiet der Justiz in einer Zeit der Wandlung lebe, vieles sei bereits eingeleitet, manches schon vollendet und noch mehr stehe bevor.

„Es ist kein leichtes Amt, das in dieser schwierigen Zeit übernommen wird. Einem alten und erfahrenen Richter braucht nicht viel gesagt werden und darum bleibt nur der Wunsch übrig, dass die Arbeit in dem von Herrn Dr. Faber liebgewordenen Bezirk von viel Erfolg begleitet sein möge.“

Der neuernannte Vorstand dankte und verwies auf seine persönlichen Bindungen „ganz besonderter Art“ zu Rothenburg hin, „die in ihm den Wunsch weckten, auch weiterhin hier tätig sein zu wollen“. Er war nämlich mit einer Rothenburgerin verheiratet. Dann wurde Dr. Faber politisch:

„Aber nicht allein diese Abhängigkeit ist der Grund hierfür, sondern vor allem auch der neue deutsche Geist, er mich hier gerne wirken lässt. … Mit Schmerz denke ich heute an die Jahre, wo das Vertrauen zum Recht zu Ende ging. Aber diese Zeiten sind dank dem Führer und seiner Bewegung vorbei. Heute ist das Vertrauen zum deutschen Recht wieder da. Ich verspreche, dass in diesen Räumen nur der Grundsatz Geltung hat: Was dem deutschen Volke nützt, das soll Recht sein!“

Grußworte sprachen dann noch der NSDAP-Kreisbauernführer Georg Soldner. Gerade die Bauern aus dem Amtsgerichtsbezirk freuten sich, sagte er, dass Dr. Faber mit der Führung des Gerichts betraut wurde, weil sie ja jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hätten. Für die Stadt sprach Oberamtmann Fürst und bedankte sich für die gute Zusammenarbeit. Zum Schluss beglückwünschte der stellvertretende Amtsgerichtsvorstand Dr. Meyer im Namen der Beamtenschaft des Gerichts Dr. Faber zur Ernennung. Der „Fränkische Anzeiger“: „Landgerichtspräsident von Strenge beschloss die Feier mit einem Gelöbnis auf den Führer.“ Faber war auch nach der NS-Zeit weiterhin Richter am Amtsgericht Rothenburg. Als weiterer Richter wird noch Amtsgerichtsrat Hubert Wiercinski (geb. 11. Januar 1896) genannt.

600 RM Geldstrafe für Beschimpfung des Reichsarbeitsdienstes

Etwa ein Jahr vor der Ernennung Dr. Fabers zum Amtsgerichtsvorstand sorgte ein Prozess für lokales Aufsehen, als der bekannte Rothenburger Arzt Dr. Beck am 3. September 1935 angeklagt war, zu schnell an einer marschierenden Abteilung des Reichsarbeitsdienstes vorbeigefahren zu sein und diese mit „Sauhunde“ und ähnlichen Ausdrücken formal beleidigt zu haben. Für den Verstoß gegen die Verkehrsordnung verurteilte ihn das Gericht zu 60 RM Strafe, ersatzweise sechs Tagen Gefängnis, und wegen fortgesetzter Beleidigung zu einer Geldstrafe von 600 RM, ersatzweise 60 Tagen Gefängnis. (siehe „Dr. med. Th. Beck beschimpfte Männer des Reichsarbeitsdienstes als „Saubande“ und „Sauhunde…“). Während des Krieges häuften sich Straftaten und die Strafen wurden immer härter. In dieser Zeit wurden Delikte, die in Rothenburg begangen wurde, häufig an das Landgericht Ansbach und von dort an das Landgericht Nürnberg-Fürth bzw. das dortige Sondergericht überwiesen.

Vor dem Amtsgericht die Notdurft verrichtet

Als grober Unfug wurde eine Tat eingestuft, die Amtsgerichtsrat Dr. Meyer am 22. September 1940 um 23 Uhr der Polizei meldete. Da hatte ein unbekannter Mann „seine Notdurft direkt vor der Tür des Amtsgerichts verrichtet“. Der Jurist bewertete diese Tat als Beleidigung des Amtsgerichts und vermutete dahinter einen Racheakt. Im Polizeibericht steht lediglich: „Irgendwelche Feststellungen konnten nicht gemacht werden.“

 

 

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