Entnazifizierung (6): Georg Arlt schlug als hoher SA-Führer auch selbst zu, wenn Fremdarbeiter oder auch Deutsche die Fahne nicht grüßten – Zwei Jahre im Internierungslager

Von Wolf Stegemann

In den Artikel des „Fränkischen Anzeigers“ in den Jahren bis Mitte der 1930er-Jahre begegnet man einem  Mann, dem man in Rothenburg ob der Tauber stets Achtung und Ehrfurcht vor seinem Nationalsozialismus und seinen Führerfunktionen in Partei und SA entgegengebracht wurde. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches begegnet man ihm wieder. Diesmal in den Akten der Entnazifizierungs-Spruchkammer als  SA-Schläger und Denunziant, als Rädelsführer und Misshandler von Deutschen und Fremdarbeitern. Es war Georg Arlt, der u.  a. von bis 1935 der Führer des Rothenburger SA-Sturmbanns III/19 war und von der Spruchkammer Rothenburg als einer der wenigen  in die Entnazifizierten-Gruppe II, gleich hinter den Hauptschuldigen I, als „belastet“ ohne Einschränkung eingestuft wurde. Dafür gab es ausreichend Gründe.

Spruchkammer-Urteil (Ausriss)

Spruchkammer-Urteil (Ausriss)

Als Kreisausbildungsleiter beim Kreisstab

Georg Arlt, 1880 in Ansbach geboren, gehörte dem so genannten „Völkischen Block“ an und trat schon 1929 der NSDAP bei, war als Kreisausbildungsleiter Mitglied des Kreisstabes, gehörte seit 1928 der SA an, war von 1934 bis 1935 aktiver Obersturmbannführer, danach SA-Standortführer und führendes Mitglied in weiteren sieben NS-Organisationen. Geschmückt war seine Uniform mit zwei Parteidienstauszeichnungen und dem Kriegsverdienstkreuz. Neben seiner Zugehörigkeit zu den Parteiorganisationen (Formalbelastung) musste er sich zusätzlich wegen nach Art. 9 (Nutznießer) verantworten.

Die Spruchkammer beklagte, dass der Betroffene, der nach dem Krieg Hausverwalter war und in der Erbsengasse 6 wohnte, in seiner Verhandlung am 29, April 1948 die Ermittlungen erschwerte, weil er alles, was man ihm vorhielt, „beharrlich ableugnete“. Allerdings, so steht es im Urteil, konnten die wesentlichen Belastungspunkte durch „einwandfreie Zeugen und Akten aus der maßgeblichen Zeit“ nachgewiesen werden.

„Alter Kämpfer“ wurde 1933 Beamter, nach 1945 Hausverwalter

Zu diesen wesentlichen Belastungen gehört seine Teilnahme an der Saalschlacht am 12, April 1929 im Hotel „Bären“, wo er zwar „nicht rein aktiv“ aufgetreten war (siehe „Saalschlacht im Hotel Bären…“). Aktiv aufgetreten ist er allerdings in der Schlägerei in Bossendorf 1933 und an Judenaktionen in Rothenburg. Angelastet wurde ihm auch, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaften in Partei und SA „in ein Amt berufen und in das Beamtenverhältnis“ übernommen wurde. Schließlich war Georg Arlt ein „Alter Kämpfer“, denen die Partei nach 1933 solche Wohltaten angedeihen ließ. Bis 1945 war er Vereinsführer des 1. Fußballclubs in Rothenburg (FCR).

Schlägerei im Hotel Bären und in Bossendorf

Während Arlt in der NSDAP wenig in öffentliche Erscheinung getreten war, kostete er seinen politischen, aktiven und führenden Einsatz in der SA öffentlich voll aus. „Sein hoher Rang als Standortführer bei der SA lassen den Betroffenen als überzeugten und fördernden Anhänger des Nationalsozialismus erkennen.“ Dazu hat er sich auch Übergriffe verschiedener Art zuschulden kommen lassen. Bei dem bereits erwähnten Überfall auf das an Rothenburg angrenzende württembergische Bossendorf und Enzenweiler am 6. Mai 1933, bei dem planmäßig, aber ohne Grund, Einwohner schwer misshandelt worden waren, war Arlt Haupträdelsführer (siehe „Blick nach Bossendorf …“).

Gegen Juden, so die Spruchkammer, zeigte Georg Arlt kaum direkte Brutalität, war aber an den Aktionen maßgeblich beteiligt. Sein Verhalten gegenüber Fremdarbeitern, deren „Betreuung“ im Kreisgebiet Arlt übertragen war, zeugte hingegen von direkter Brutalität, da er sie in verschiedenen Fällen schlug und misshandelte, weil sie die Fahne nicht grüßten, darunter auch Deutsche.

Denunziant und Anhänger der Gewaltherrschaft

Georg Arlt war auch Denunziant. Er hinterbrachte Angaben einer Frau über einen Mann namens Sperling der Polizei. Damit wurde ein acht Monate andauerndes Verfahren gegen Sperling mit Gefängnisaufenthalt ausgelöst, an dessen Ende der Tod Sperlings gestanden hätte, wenn das Kriegende nicht zuvor gekommen wäre. Zum Schluss des Urteils merkte die Spruchkammer noch an:

„Im privaten Leben hat sich  der Betroffene nichts zuschulden kommen lassen, er hat die Kirche nicht bekämpft und sich im sonstigen Verkehr anständig verhalten, dienstlich und in politischer Hinsicht war er jedoch ein anderer. Der Betroffene hat durch seine Stellung und Tätigkeit den Nationalsozialismus wesentlich gefördert und unterstützt, er hat diese Stellung zu Gewalttätigkeiten und ungerechten Maßnahmen ausgenützt und sich als überzeugter Anhänger der Gewaltherrschaft und er Rassenlehre gezeigt.“

Zwei Jahre lang verbüßte Georg Arlt Haft in einem Internierungslager. Daher wurde er bei den Sühnemaßnahmen dazu verurteilt, nur noch für weitere zwei Jahre  bzw. 600 Arbeitstage gemeinnützige Arbeiten zu verrichten. Anstelle einer verwirkten Vermögenseinziehung musste er nur 2.000 Reichmark zahlen. Fünf Jahre lang durfte er kein Unternehmen besitzen, daran beteiligt sein oder eine Firma leiten. Er verlor auf Dauer das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden und unterlag der Aufenthalts- und Wohnungsbeschränkung.

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Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Spruchkammer Rothenburg, 12/473/Ro/Ar

 

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