1934 gehörten dem NS-Evangelischen Pfarrerbund noch 25 Prozent aller bayerischen Geistlichen an – 1935 waren es noch 80 Personen, darunter der Ansbacher Max Sauerteig

Pfarrer Max Sauerteil spricht 1933 auf dem Rothenburger Kapellenplatz zur SA (Sturmfahnen-Weihe)

Pfarrer Max Sauerteig spricht 1933 auf dem Rothenburger Kapellenplatz zur SA (Sturmfahnen-Weihe)

Der Nationalsozialistische Evangelische Pfarrerbund (NSEP) war eine 1931 gegründete Organisation nationalsozialistisch gesinnter evangelischer Pfarrer in Bayern. Der Pfarrerbund wirkte 1933 und 1934 kurzzeitig auf kirchenpolitische Entscheidungen ein, verlor jedoch seit Ende 1934, als die bayerische Landeskirche unter Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) nationalsozialistisch-deutschchristliche Gleichschaltungsversuche erfolgreich abgewehrt hatte, zusehends an Bedeutung. Die Gründung ging auf eine Initiative des damaligen Gauleiters von Oberfranken, Hans Schemm (1891–1935), zurück, innerhalb des von ihm 1929 gegründeten Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) eine Arbeitsgemeinschaft von Geistlichen beider Konfessionen zu bilden. Dies führte zunächst zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer evangelischer Geistlicher, die sich ab Mitte 1931 auch Nationalsozialistischer Evangelischer Pfarrerbund nannte. Da sich die NSDAP nicht auf eine bestimmte kirchenpolitische Linie festlegen wollte, erhielt der NSEP allerdings keine parteiamtliche Anerkennung als Standesorganisation der Pfarrer, die der NSDAP angehörten.

Auch ein Rothenburger Pfarrer gehörte dazu

Als „Reichsleiter“ und bayerischer Landesleiter des NSEP fungierte seit 1931 der Grafengehaiger Pfarrer Friedrich Klein (1894–1946), der bereits seit 1927 Mitglied der NSDAP war. Nach Kleins Weggang nach Berlin und Bad Freienwalde (Oder) übernahm noch 1933 der Oberhohenrieder Pfarrer Dr. Ernst Daum (1901–1991) die Landesleitung, im April 1934 der Goldkronacher Pfarrer Friedrich Möbus (1890–1945), im Dezember 1934 der Nürnberg-Eibacher Pfarrer Dr. Ludwig Beer (1893–1949). 1934 war der Nationalsozialistische Evangelische Pfarrerbund in die Gaue Oberbayern, Schwaben, Mittelfranken-West, Mittelfranken-Ost, Unterfranken, Oberfranken, Coburg und Oberpfalz/Niederbayern gegliedert, deren Gauleiter zusammen mit dem Landesleiter einen „Führerrat“ bildeten. Im September 1934 gehörten dem Nationalsozialistischen Evangelischen Pfarrerbund etwa 260 Mitglieder an (Pfarrer und Religionslehrer), darunter auch der frühere Rothenburger Stadtpfarrer Dr. Martin Weigel, der seit 1921 in Nürnberg lebte und 1925 in die NSDAP eingetreten war. Ebenfalls Mitglied war der Ansbacher Max Sauerteig, den die Rothenburger NSDAP des Öfteren für pseudokirchliche Handlungen, wie die Fahnenweihe der SA-Standarten, in die Tauberstadt geholt hatte.

Der Führer ist ein Geschenk Gottes

Im Juli 1932 wandte sich der NSEP vor der Reichstagswahl auf einem NSDAP-Wahlkampfflugblatt mit einem „Aufruf der nationalsozialistischen Geistlichen von Oberfranken“ an die Öffentlichkeit. Nach antisemitischen Hetzparolen gegen „marxistisch-jüdischen Verrat“ und „hergelaufene Judenbuben“, die „alles Hohe und Edle“ besudelt hätten, folgt eine religiöse Legitimation des Nationalsozialismus und seines Führers Adolf Hitler:

„Gott hat ihn uns zum Führer geschenkt! Er ist Gottes Werkzeug! […] Wir ehren Rasse und Volkstum als Gottes Schöpfung […] Christentum heißt Gehorsam gegen Gott. Heute heißt dieser Gehorsam gegen Gott: Treue gegen unser Volkstum, Treue gegen den uns von Gott geschenkten Führer.“ „ (NSDAP-Flugblatt o. D. (Juli 1932), LKR XV 1665a Bd. II). 

Zielsetzung und Abgrenzung zu den Deutschen Christen

Nach einem 1933 formulierten „Arbeitsprogramm“ sollte der NSEP  „die auf dem Boden der NSDAP stehenden evangelischen Geistlichen zu fruchtbarer und wirkungsvoller Arbeit an Volkstum und Kirche zusammenfassen“ und „an der Neugestaltung des Kirchenwesens und des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche“ mitarbeiten. Damit trat der NESP in Konkurrenz zu der kirchlichen Bewegung der „Deutschen Christen“, die sich seit 1933 auch in Bayern sammelte.

In die Bedeutungslosigkeit versunken

Kirchengeschichtliche Bedeutunge erlangte der NSEP durch Kleins Vorstoß im bayerischen Pfarrerverein im April 1933, den politisch nicht mehr genehmen Kirchenpräsidenten Friedrich Veit (1861–1948) abzulösen. Die angestrebte Majorisierung des Pfarrervereins und damit die politische Instrumentalisierung der Pfarrerschaft gelangen dem NSEP jedoch nicht. Die Auseinandersetzungen um die Theologie und die Kirchenpolitik, die von der nationalsozialistisch orientierten Bewegung der „Deutschen Christen“ und von der deutsch-christlich geleiteten Reichskirche vertreten wurde, führten die Mitglieder des NSEP im Laufe des Jahres 1934 in einen Loyalitätskonflikt, der zu einer Zerreißprobe wurde: Neben dem Führerrat unterstützte nur der geringere Teil der Mitglieder die Deutschen Christen und die Führung der Reichskirche. Der größere Teil stellte sich hinter Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) und schied aus dem NSEP aus, nachdem es Meiser mit Unterstützung der Mehrheit der Pfarrer und Gemeinden gelungen war, die Eigenständigkeit der Landeskirche gegenüber reichskirchlichen Übergriffen zu bewahren. 1935 zählte der NSEP, dem 1934 maximal 25 Prozent der bayerischen Pfarrerschaft beigetreten waren, nur noch knapp 80 Mitglieder, die sich weitgehend mit den Deutschen Christen identifizierten. Die spätere Geschichte des NSEP sowohl auf bayerischer wie auf Reichsebene verläuft weitgehend im Dunkel.

Vergleichbare Institutionen

Dem Nationalsozialistischen Evangelischen Pfarrerbund vergleichbare Organisationen (unter der Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft“ oder „Bund nationalsozialistischer evangelischer Pfarrer“) gab es seit 1932/33 auch in anderen Landeskirchen. In der pfälzischen Landeskirche wurde erst im Juli 1935 ein „Nationalsozialistischer Pfarrerbund der Pfalz“ gegründet. Inwieweit die regionalen nationalsozialistischen Pfarrerorganisationen sich der seit 1933 existierenden „Reichsleitung“ des NSEP (später „Bund evangelischer Pfarrer im Dritten Reich“) mit Sitz in Berlin unterstellt haben und welche Kompetenzen diese „Reichsleitung“ hatte, ist unklar.

Max Sauerteig warb für den „Stürmer“ und marschierte im Braunhemd

Einer der aktivsten nationalsozialistischen Pfarrer in Mittelfranken war Max Sauerteig in  Ansbach. Schon vor der Verbotszeit kam Sauerteig zur NSDAP und wurde zum Kampfgefährten Julius Streichers. 1924 unterstützte er den Völkischen Block und im September 1925 trat er mit seiner ganzen Familie in die neugegründete NSDAP ein. Sein Nürnberger Amtsbruder i. R., der in Rothenburg geborene und spätere Stadtpfarrer von St. Jakob, Martin Weigel, tat es ihm wenige Wochen danach gleich.

Hitler, Streicher und Heß besuchten Sauerteig in Ansbach

Max Sauerteig, der häufig im Braunhemd an Aufmärschen der SA teilnahm, hatte in der damaligen NSDAP großes Ansehen. Am 20. November 1925 besuchten ihn in seinem Pfarrhaus in Ansbach Adolf Hitler, Julius Streicher und Rudolf Heß. Zahlreiche Besucher anderer Nationalsozialisten folgten. Im Ansbacher evangelischen Vereinshaus veranstaltete Sauerteig 1926 eine Geburtstagsfeier für Adolf Hitler, der, sowie wiederum mit Streicher und Heß, am 60. Geburtstag Sauerteigs am 22. April 1927 den Jubilar in Ansbach besuchte. Auch agitatorisch wurde Sauerteig für die Partei aktiv: er hisste am Pfarrhaus die Hakenkreuzfahne und trat als Parteiredner auf.

Im Wahlkampf zum Reichs- und bayerischen Landtag 1928 trat Max Sauerteig zusammen mit  Martin Weigel und anderen Pfarrern öffentlich für die Partei auf, die damals, abgesehen von einigen Hochburgen, in Mittel- und Oberfranken noch eine Splitterpartei blieb. 1930 hatte der Kirchenpräsident D. Friedrich Veit Max Sauerteig zu parteipolitischer Zurückhaltung aufgerufen. Als im März 1931 im Landeskirchenrat mehrfach Klagen über die geschlossene Teilnahme von uniformierten NSDAP-Formationen bei Taufen, Trauungen und Bestattungen eingingen, erklärte das Gremium das geschlossene Auftreten politischer Formationen in Kirchen für „unzulässig“ (Landeskirchenarchiv Nürnberg XV, 1665a, Bd. II). Das hinderte Max Sauerteig nicht, weiter in NSDAP-Versammlungen für den Nationalsozialismus zu werben. Als eine peinliche Entgleisung bezeichnete der wenig prominente Pfarrer Friedrich Fleischer aus Unterrodach die von Max Sauerteig in einem Vortrag in Kronach die Formulierung „Hakenkreuz – Christuskreuz“ (Korrespondenzblatt 56, 1931).

Ein fanatischer Kämpfer ohne Rücksichten

Am 22. Februar 1932 hielt Max Sauerteig auf der Ansbacher Pfarrkonferenz einen Vortrag über die Gottlosenbewegung, in der er die NSDAP als einzigen Schutzwall gegen die Gottlosenbewegung hinstellte und den Christlichen Volksdienst (CVD) diffamierte. Ein Amtsbruder Sauerteigs, Friedrich Bomhard (1884-1956), damals in Weihenzell, ebenfalls ein nationalsozialistischer Pfarrer, schilderte in seinem Tagebuch Max Sauerteig als einen „fanatischer Kämpfer, der keine Rücksichten kennt, wenn er aufs ganze geht …“ In Kulmbach trat Max Sauerteig im Januar bei einer NS-Versammlung als Redner zum Thema „Nationalsozialismus und Christentum“ auf und trat sogar für Streichers antisemitisches Hetzblatt „Der Stürmer“ ein. Max Sauerteig und sein pensionierter Nürnberger Amtsbruder Martin Weigel waren im Wahlkampf 1932 in ganz Franken für die NSDAP aktiv. – Max Sauerteig (1867–1963) war von 1915 bis zu seiner Pensionierung 1933 Pfarrer an St. Johannis II in Ansbach.

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Quellen: Oberer Teil über NSEP: Carsten Nicolaisen „Nationalsozialistischer Evangelischer Pfarrerbund (NSEP)“ in: Historisches Lexikon Bayerns, <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44776> (28. 2. 2011). – Unterer Teil über Sauerteig: Nach Björn Mensing „Pfarrer und Nationalsozialismus“, Verlag Rabenstein Bayreuth 1999 (manche Textpassagen wörtlich übernommen). – Literatur: Björn Mensing, Pfarrer und Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte 26), Göttingen 1998 (Bayreuth 3. Auflage 2001). – Max Sauerteig: „Hitlerbesuche in Ansbach“ in Heimatblätter für Ansbach Nr. 4 (1935).
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