Nationalsozialisten sahen im Eherecht einen wichtigen Hebel, ihre Ideen von der „Rassenreinheit“ durchzusetzen

SS-Hochzeit auf der SS-Ordensburg Wewelsburg; Foto: Bundesarchiv

SS-Hochzeit auf der SS-Ordensburg Wewelsburg; Foto: Bundesarchiv

Von Wolf Stegemann

Das erste, bereits kaum zehn Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verabschiedete Gesetz über Missbräuche bei Eheschließung und Adoption vom 23. November 1933 (RGBl I S. 979), fügte einen § 1325a in das BGB ein. Dieser betraf die Ehenichtigkeit bei Verdacht einer so genannten Scheinehe (Führung des Familiennamens des Mannes durch die Frau, ohne dass eine Lebensgemeinschaft besteht). Das obige Gesetz war in seiner Sprache noch eher zurückhaltend. Das gesamte Ausmaß der nationalsozialistischen Rassenideologie wurde mit dem „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935 (so genanntes Nürnberger Rassegesetz) deutlich.

Ehetauglichkeitszeugnisse verlangt

Mit diesen „Nürnberger Gesetzen“ (genauer: durch das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15. September 1935) wurden Eheschließungen zwischen „Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ verboten, ebenso wie außereheliche geschlechtliche Beziehungen, deren Definition später von Hans Globke immer weiter ausgeweitet wurde. Das so genannte Ehegesundheitsgesetz  („Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ vom 18. Oktober 1935) verlangte Ehetauglichkeitszeugnisse für Brautleute und schloss Menschen mit bestimmten Krankheiten von der Ehe aus. Beide Gesetze stammten aus der Feder von Hans Globke, Staatssekretär unter Adenauer, und Wilhelm Stuckart, zuletzt Ruhebeamter der Bundesrepublik nach der Einstufung B3 als Ministerialrat. Erwünschte Ehen wurden wurden in jeder Weise gefördert. Kinderreiche Mütter solcher Verbindungen erhielten das „Mutterkreuz“, während absichtliche Kinderlosigkeit als „völkischer Verrat“ gebrandmarkt wurde, zu denen auch die trauscheinlosen „Kameradschaftsehen“ beitrügen. Gefördert wurden erwünschte Ehen auch durch ein Ehestandsdarlehen bis zu 1.000 RM (Kaufkraft heute das Zehnfache), wenn die „rassisch“ einwandfreie Frau versicherte, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen.  Das Darlehen war zinsfrei und musste monatlich mit nur 1 Prozent getilgt werden. 1937 wurde das Beschäftigungsverbot als Bedingung für das Darlehen abgeschafft, da sich bereits wieder Arbeitskräftemangel bemerkbar machte.

Musste der heiratswillige Deutsche im Dritten Reich seine Ehetauglichkeit nachweisen, so brauchte der SS-Mann darüber hinaus die Genehmigung des Reichsführers SS, dem obendrein drei Monate vor der Verlobung diese Absicht gemeldet werden musste. Im Heiratsbefehl vom 1. Januar 1932 hieß es:

„Das erstrebte Ziel ist die erbgesundheitlich wertvolle Sippe deutscher nordisch-bestimmter Art. Die Heiratsgenehmigung wird einzig nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten erteilt.“

Nationalsozialistisches Ehegesetz 1938

1938 wurden anlässlich des so genannten „Anschlusses“ Österreichs die Bestimmungen über die Eheschließung aus dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie aus dem österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) herausgelöst und durch das nationalsozialistische Ehegesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom 6. Juli 1938. RGBl. I S. 807, Nr. 106 vom 8. Juli 1938) ersetzt.

Das Ehegesetz regelte das Eherecht neu und strich die entsprechenden Abschnitte der beiden bürgerlichen Gesetzbücher BGB und ABGB. Neben Änderungen, die z. B. das generelle Eheschließungsverbot ohne elterliche Einwilligung betrafen und dieses begrenzten, wurde eine kinderlose Ehe allein durch diesen Tatbestand zu einer Fehl-Ehe und konnte sofort geschieden werden. Als Scheidungsgrund reichte die Behauptung aus, die Ehefrau sei empfängnisunwillig oder -unfähig, selbst wenn aus der Ehe bereits Kinder hervorgegangen waren und die Unfruchtbarkeit erst nach den Schwangerschaften aufgetreten war. Tatsächlich erhöhte sich die Scheidungsquote daraufhin. Im Ehegesetz wurden auch einige Reformvorschläge aus der Zeit der Weimarer Republik aufgenommen. So wurde den bisherigen Scheidungsgründen ein Zerrüttungstatbestand hinzugefügt, die so genannte „Heimtrennungsklage“ (§ 55 EheG 1938, später § 48 EheG 1946), die allerdings den Vorrang des Verschuldensprinzips bei der Ehescheidung nicht aufhob.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden im Deutschen Reich Sonderregelungen im Eherecht geschaffen. So gab es die Möglichkeit einer Ferntrauung, einer Totenscheidung und einer postumen Eheschließung („Leichentrauung“). Eheschließungen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden waren bereits seit 1935 untersagt. Für „jüdische Mischlinge“ galten unterschiedliche Bestimmungen; ihre Anträge auf Heiratsgenehmigungen wurden ab 1942 „für die Dauer des Krieges“ nicht mehr bearbeitet.

Rechtswirksamkeit nach 1945

Am 23. Juni 1950 wurde ein „Bundesgesetz über die Anerkennung freier Ehen“ (BGBl. I, S. 226) für politisch Verfolgte erlassen, denen aufgrund nationalsozialistischer Gesetze die Eheschließung verweigert worden war. Auch wenn einer der Partner inzwischen verstorben war, konnte eine vom nationalsozialistischen Staat versagte Eheschließung rückwirkend als rechtsgültig geschlossen erklärt werden. Bis 1963 wurden 1.823 entsprechende Anträge gestellt, von denen 1.255 bewilligt wurden. In Österreich wurde die Ferntrauung erst 1983 abgeschafft.

 

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