Eine Gedenktafel erinnert in Rothenburg an verstorbene Zwangsarbeiter – waren es wirklich nur siebzehn Männer und Frauen?

W. St. – Auf dem städtischen Friedhof gibt es vor der Aussegnungshalle das Ehrenfeld mit den Gräbern bzw. den Namenstafeln der gefallenen beider Kriege, der zivilen Bombenopfer von 1945 und eine Tafel der in Rothenburg verstorbenen polnischen Zwangsarbeiter während des  Zweiten Weltkriegs. Vermutlich ist die Namensliste auf der Gedenkplatte nicht vollständig. Denn nach Kriegsende verschwanden Akten und Unterlagen über Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die hier zu Tode kamen, ob durch Krankheiten, Hunger, Alkoholismus, Suizid, Hinrichtung oder Mord. Dies ist in vielen Gemeinden der Bundesrepublik belegt. In Rothenburg war es vermutlich nicht anders.

Der Gedenkstein auf dem Friedhof nennt nur die Namen, nicht die Todesursachen der Verstorbenen; Foto: Wolf Stegemann

Der Gedenkstein auf dem Friedhof nennt nur die Namen, nicht die Todesursachen der Verstorbenen.

Auf der Rothenburger Gedenktafel sind 16 Namen mit Geburts- und Sterbetagen eingraviert sowie eine unbekannte Polin. Sie geben aber keine Auskunft über die Todesursachen. Es handelt sich dabei um:
Stefan Janis, geboren am 12. Oktober 1924, gestorben an „Lungentuberkulose, Hirnhautentzündung und Herzschwäche“ am 4. Mai 1943 im Krankenhaus (Spitalgasse). Er wohnte in Leuzenbronn 13.
Maria Solik, geboren am 13. August 1920, gestorben an „Bauchspeicheldrüsenentzündung und Kreislaufherzschwäche“ am 2. Juli 1943 im Krankenhaus. Die zuletzt 23-Jährige wohnte in Adelshofen.
Eudoxia Kucschenkowa, geboren 1893, gestorben an „Darmkatarrh“ am 15. August 1943 im Krankenhaus. Sie wohnte in Geslau 8.
Jan Chechorowski, geboren am 21. Dezember 1913, gestorben am 14. Januar 1944 durch Suizid. Er erhängte sich im Amtsgerichtsgefängnis im Heringsbronnengässchen in Rothenburg. Er wohnte in Oestheim 27.
Josef Hrebik, geboren am 28. Juli 1920, gestorben an „Miliartuberkulose sowie Kreislauf- und Herzschwäche“ am 23. September 1944 im Krankenhaus. Er wohnte in Buch am Wald.
Stanislaus Polak, geboren am 19. Februar 1910, gestorben an „Darmgeschwulst sowie Kreislauf- und Herzschwäche“ am 22. Oktober 1922 im Krankenhaus. Er kam aus Oberscheckenbach.
Dusa Dragutionic, geboren am 10. September 1926, gestorben durch Suizid am 30. November 1944 in der Rosengasse 16. Er erhängte sich. Gewohnt hat der 18-Jährige in der Rosengasse 16.
Josef Gora, geboren am 10. Dezember 1885, gestorben an einem „Schlaganfall“ am 12. Januar 1945 auf dem Transport nach Rothenburg. Er wohnte im Lager der Organisation Todt in Oberscheckenbach.
Franz Lubera, geboren am 9. August 1918, gestorben durch Suizid am 21. Februar 1945 im Amtgerichtsgefängnis. Er arbeitete in Steinach am Wald.
Wasyl Atamanschuk, geboren am 13. Januar 1896, gestorben an „Lungentuberkulose sowie Kreislauf- und Herzschwäche“ am 20. März 1945 im Krankenhaus. Er wohnte in Insingen 36.
Nikolaus Chomicky, geboren am 24. Mai 1912, mit MP-Schüssen während einer Polizeiaktion am 11. April 1945 an der Kurzen Steige 7a (Bronnenmühle) ermordet, wo er auch wohnte.
Wladislaus Bonenski, geboren am 8. Oktober 1881, gestortben im Lazarett Wildbad an den durch die Aktion der Rothenburger Polizei verübten Verletzungen vom 11. April 1945 (siehe Chomiky). Amtliche Todesursache: „Maschinengewehrschuss durch die rechte Brust“. Er wohnte Kurze Steige 7a.
Anton Swist, geboren am 16. Mai 1908, gestorben an „Darmlähmung und Kreislaufschwäche“ am 7. Mai 1945 im Krankenhaus. Er kam aus Windelsbach.
Stefan Karacz, geboren am 4. Juni 1888, gestorben an „Asthma und Herzschwäche“ am 8. Mai 1945 im Krankenhaus. Er wohnte in Reutsachsen.
Iwan Kurakow, geboren am 17. September 1922; weitere Angaben sind nicht bekannt.
Adolf Kneita, geboren am 23. Oktober 1927, gestorben am 23. September 1946; weitere Angaben sind ebenfall nicht bekannt.

Außerdem ist auf der Tafel eingraviert „Eine unbekannte Polin“.

__________________________________________________________

Anmerkung: Der Mord des Rothenburger Polizeikommandos an den beiden Zwangsarbeitern Nikolaus Chomiky und Wladislaus Bonenski wurde nach dem Krieg nicht zur Anzeige gebracht und somit auch nicht gesühnt, obwohl die Männer noch weit in die 1990er-Jahre lebten und Rothenburgern bekannt waren, so Manfred Jakobi, der auch die Quelle der näheren Angaben zu den oben verzeichneten Verstorbenen ist und der erst jetzt aufgefundene Polizeibericht vom 12. April 1945. – Die Schreibweise der polnischen Zwangarbeiter variiert in jedem amtlichen Schriftstück.  
Dieser Beitrag wurde unter Krieg, Zwangsarbeiter abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Ein Kommentar zu Eine Gedenktafel erinnert in Rothenburg an verstorbene Zwangsarbeiter – waren es wirklich nur siebzehn Männer und Frauen?

  1. Mall, Bernhard sagt:

    Hinweise zur “Zwangsarbeit im ländlichen Franken 1939 – 1945” gibt das gleichnamige Buch von Herbert May (Bad Windsheim 2008). Bemerkenswert ist ein Verweis auf Ziffer 3 des letzten Monatsberichts des Ansbacher Regierungspräsidenten für Januar 2015:
    Dort heißt es “Am 19. 2. 45 wurden von der Gestapo 3 polnische und 1 sowjetischer Landarbeiter wegen Ansatzes zur Bildung einer Widerstandsgruppe, die im geeigneten Zeitpunkt den Gendamerieposten, den Ortsgruppenleiter von Geslau LKr. Rothenburg und die Landwacht unschädlich machen, dann die dort vermuteten Waffen an sich bringen und bei Annäherung der Russen Bandenkämpfe durchführen bzw. die Bauern niedermachen sollten. Der Rädelsführer hat im Amtsgerichtsgefängnis Selbstmord begangen…”

Schreibe einen Kommentar zu Mall, Bernhard Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert