Blick nach Bad Windsheim: Die Hildebrandts waren eine nationalsozialistische Familie – Richard H. wurde 1948 in Nürnberg verurteilt und 1951 in Polen gehängt

Himmler besucht das von Richard Hildebrandt (...v. l.) das KZ Stutthof bei Danzig; Foto: Sammlung Stegemann

SS-Reichsführer Himmler (1. Reihe v. re.) besucht das von Richard Hildebrandt (1. Reihe 1. v. li.) das KZ Stutthof bei Danzig; Fotos: Sammlung Stegemann

Von Wolf Stegemann

Albert Hildebrandt (geboren 1866 in St. Georgen-Bayreuth) brachte es zum Fabrikdirektor, war von 1930 bis 1933 Bürgermeister in Windsheim, sein Sohn Richard NSDAP-Ortsgruppenleiter nach 1933. Auch wenn schon lange keine Hildebrandts mehr in Windsheim wohnen, das „Hildebrandt-Haus“ in der Ortsmitte, mittlerweile umgebaut, kennen noch viele, wie der Stadtarchivar mitteilte, denn die Hildebrandts waren in der NS-Zeit prominent. Albrecht Hildebrandt (gest. 1939 in Windsheim) hatte sechs Söhne, von denen nachweislich drei hohe und höhere SS-Führer in Kriegsverbrechen verwickelt waren, doch nur einer von ihnen, Richard, mit dem Tode bestraft wurde.

Söhne verübten in SS-Uniform Verbrechen

Die SS-Karrieren von drei der sechs Brüder wurden erst mit dem Untergang des NS-Regimes beendet. Nicht nur die Verbrechen im Osten Europas verbanden die drei Brüder, auch eine humanistische Schulbildung in Dorsten, die Mitgliedschaft in nationalistischen Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg und der frühe Eintritt in die NSDAP in Windsheim und in die SS.

Friedrich (Fritz) Hildebrandt trat in Bayern der SS bei (Nr. 181.214) und war Mitglied der NSDAP (Nr. 2.176.645). Er war von 1939 bis 1944 als Standartenführer Chef der 33. SS-Standarte in Mainz und ist nicht zu verwechseln mit dem NSDAP-Politiker Friedrich Hildebrandt und mit zwei SS-Offizieren gleichen Namens, die in Konzentrationslagern tätig waren und einer von ihnen in Bremen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde

Karl Hildebrandt, RAD-

Karl Hildebrandt, RAD-

Karl Hildebrandt (geb.1894) war Architekt, übte den Beruf in der NS-Zeit nicht mehr aus, sondern ging hauptamtlich zum Reichsarbeitsdienst (RAD). Er wechselte 1935 zur Justiz und wurde Leiter des Gemeinschaftslagers „Hanns Kerrl“ für Justiz-Referendare in Jütebog. Dort wurden angehende Staatsdienst-Juristen in einer Lagergemeinschaft für das nationalsozialistische Rechtsdenken und für die Rechtspraxis eingeschworen. Bei Kriegsanfang wurde das Lager 1939 geschlossen. Da Karl Hildebrandt kein Jurist war, kam er für eine Weiterbeschäftigung in der Justiz nicht mehr in Frage und schied aus dem Justizdienst aus. 1940 kehrte er als Oberarbeitsführer (zu vergleichen mit einem Oberstleutnant) zum Reichsarbeitsdienst zurück, wurde zum Heer eingezogen und in zahlreichen Kriegseinsätzen so verletzt, dass er 1944 ausscheiden musste. Noch vor Kriegsende tauchte er in Warmensteinach/Ofr. unter, dem Geburtsort seiner Mutter, und Anfang der 1950er-Jahre als Bienenzüchter und Obmann der Warmensteinacher Ortsgruppe des Fichtelgebirgs-Heimatverbandes wieder auf.  Er starb 1971 in Eintürmen (heute Stadtteil von Bad Wurzach).

Ernst Hildebrandt (geb. 1895), war in der NS-Zeit Polizeipräsident zuerst in Hof an der Saale (1937), dann in Dessau/Anhalt. Im Krieg bekämpfte er in Jugoslawien Partisanen und war an Massakern beteiligt. Seine letzte Funktion von Februar bis 8. Mai 1945 war die eines SS-Führers z.b.V. (zur besonderen Verfügung) beim Höheren SS- und Polizeiführer „Südost“. Nach dem Krieg wohnte er in Dorsten, wurde entnazifiziert, zog nach Düsseldorf, dann nach Hof (Oberfranken) und 1954 nach Nürnberg (St.Amt Nürnberg Nr. 1723/1970).

Richard Hildebrandt, Mörder in SS-Uniform

Richard Hildebrandt, Mörder in SS-Uniform

Richard Hildebrandt (geb. 1897) wurde schon 1922 Mitglied der NSDAP in Bad Windsheim nahe Rothenburg, nahm 1923 am „Deutschen Tag“ in Nürnberg teil, trat 1923 in die SA ein und beteiligte sich am 11. November 1923 am „Marsch der SA auf Nürnberg“. Als die NSDAP 1924 verboten wurde, trat er als Bezirksführer Mittelfranken in das Freikorps „Bund Oberland“ ein, das ab 1921 den Kern der SA in Bayern bildete. 1928 emigrierte Hildebrandt in die USA. In New York heiratete er 1928 die 1903 in Bamberg geborene Johanna (Hansi) Fischer. Richard Hildebrandt betätigte sich in den USA als Farmer, Gärtner und Handwerker sowie als Buchhändler in einer deutschen Buchhandlung in New York. Mit der Mitgliedsnummer 89.211 trat er in die NSDAP-Ortsgruppe New York ein und kehrte 1930 nach Bad Windsheim zurück, um, wie er in seinem Lebenslauf für die SS-Personalakte selbst schrieb, sich „ausschließlich für die N.S.D.A.P. einzusetzen“. 1930 wurde Hildebrandt NSDAP-Ortsgruppenleiter und später Bezirksführer von Windsheim/Uffenheim im Gau Mittelfranken. In dieser Zeit war sein Vater Bürgermeister in Windsheim (1930 bis 1933). Im Januar 1931, inzwischen in Schillingsfürst bei Rothenburg ob der Tauber wohnend, trat Richard Hildebrandt wieder in die SA ein, verließ sie aber einen Monat später, um in die SS einzutreten (Mitgliedsnummer. 7.088), wurde Stabsführer und Adjutant des damaligen Führers der Leibwache Adolf Hitlers, Sepp Dietrich. Es folgten die Beförderungen 1931 zum Sturmbannführer in München, 1932 zum Stabsführer und Adjutanten der SS-Brigade Süd (München), zum Standartenführer und mit 36 Jahren zum SS-Oberführer und „Höherer SS- und Polizeiführer“. Hildebrandt errichtete das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Von 1933 bis 1945 war er Mitglied des Marionettenparlaments Reichstag. Richard Hldebrandt Er wurde 1948 im 8. Nürnberger Prozess gegen das SS-Rasse- und Siedlungshaupthauptamt, dessen Leiter er zeitweise war, zu 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 1948 an Polen ausgeliefert, dort 1949 nach einem erneuten Prozess (bestätigt vom Berufungsgericht Bydgoszcz/Bromberg) zum Tode verurteilt und 1951 gehenkt.

R. Hildebrandt auf der Anklagebank (re.) im Nürnberger Rassehauptamt-Prozess 1948

Richard Hildebrandt auf der Anklagebank (re.) im Nürnberger Prozess gegen das  SS-Rasse- und Siedlungshauptamt 1948

Ein Brief, den ihm 1941 der Staatsrat und SS-Gruppenführer Dr. Harald Turner schrieb, zeigt, in welchem Täter-Niveau sich der Windsheimer Richard Hildebrandt bewegte:

„Lieber Richard! […]. Vor 5 Wochen ungefähr hatte ich die ersten von 600 an die Wand gestellt, seitdem haben wir bei einer Aufräumungsaktion etwa 2.000 umgelegt, bei einer vierten wieder etwa 1000 und zwischendurch habe ich dann in den letzten 8 Tagen 2.000 Juden und 200 Zigeuner erschießen lassen […]. 2.200 fast nur Juden werden in den nächsten Tagen erschossen. Eine schöne Arbeit ist das nicht! Aber immerhin muss es sein, um einmal den Leuten klar zu machen, was es heißt, einen deutschen Soldaten überhaupt nur anzugreifen und zum andern löst sich die Judenfrage auf die Weise am schnellsten […] Ich bin mit den herzlichsten Grüßen an Deine liebe Frau und die Kinder, besonders aber an Dich mit Heil Hitler wie stets Dein getreuer Harald.“

Über Wilhelm Hildebrandt (geb.1898) ist nichts bekannt. Sein Bruder Otto (geb. 1899)  starb 1967 in Windsheim. Über ihn schrieb das Magazin „Der Spiegel“ am 25. September 1948:

„Wegen Vergehens gegen das Gesetz Nr. 51 wurde Otto Hildebrandt aus Windsheim, Bayern, zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt. Hildebrandt hatte dem bayrischen Staatskommissar Philipp Auerbach ein zwölfbändiges Werk des Talmud für 1.200 Goldmark oder 300 US-Dollar angeboten. Dr. Auerbach ging nicht darauf ein.“

Das Kontrollratsgesetz Nr. 50/51 verbot, Gegenstände, die durch Zwang entwendet oder zwangbewirtschaftet wurden, zu veräußern. Offensichtlich waren die Talmudbücher in der NS-Zeit unredlich in den Besitz von Otto Hildebrandt gelangt.

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Quelle: Wolf Stegemann: „Die Hildebrandts (I bis III)“ in: „Dorsten unterm Hakenkreuz“, Online-Version. – Auskunft Dipl.-Archivarin Margit Rinke-Olbrisch vom Archiv der Stadt Worms 2011. – Auskunft Standesamt Monsheim vom 19. Juli 2011. – Auskunft Michael Schlosser vom Stadtarchiv Windsheim 2011. – Auskunft Bürgermeister Andreas Voit in Warmensteinach/Ofr. vom 28. Juli 2011. – Auskunft von Arno Herrmann, Warmensteinach, am 29. Juli 2011. – Standesamt Nürnberg (Nr. 1723/1970). – Auskunft Gerhard Jochem, Stadtarchiv Nürnberg (Bestand C 21/IX Einwohnermeldekartei Nr. 585). – Landesarchiv Düsseldorf Entnazifizierungsakte Ernst Hildebrandt NW 1039 H Nr. 5414.
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Ein Kommentar zu Blick nach Bad Windsheim: Die Hildebrandts waren eine nationalsozialistische Familie – Richard H. wurde 1948 in Nürnberg verurteilt und 1951 in Polen gehängt

  1. Fred Kautz sagt:

    Sehr geehrter Herr Stegemann,
    mit der nationalsozialistischen Familie Hildebrandt haben wir es auch hier in Darmstadt, bzw. in der Nachbarstadt Pfungstadt zu tun, nämlich mit Fritz Hildebrandt (2.11.1892), über den Sie nicht sehr viel zu sagen haben. In Zusammenarbeit mit dem Historiker Hannes Heer habe ich seine Spur verfolgt. Er war von 1926 bis 1961 Geschäftsführer der noch heute angesehenen Pfungstädter Brauerei. Im Zweiten Weltkrieg diente er zunächst in der 79. Infanterie-Division und wurde als einer der letzten aus dem Stalingrad-Kessel ausgeflogen. Danach kam er im 76. Panzer-Korps in Italien zum Einsatz, wo er am 2.05.1945 von den Briten gefangen genommen wurde. Aus der britischen Kriegs-gefangenschaft wurde er am 4.05.1948 entlassen. In seinem Spruchkammerverfahren wurde er in die Kategorie IV eingestuft, da noch nicht bekannt war, dass er als Ic Offizier (Gegnerbekämpfung, Partisanen, Kommissare, Juden) in Kriegsverbrechen involviert war. Die Pfungstädter Brauerei zeigte sich aufgeschlossen und lud Hannes Heer zu einem Vortrag ein. Darüber: Wolfgang Görg, “Schlaglicht auf ein dunkles Kapitel – Historiker zur Vergangenheit des früheren Pfungstädter Brauerei-Chefs Hildebrandt / Familie unterstützt Aufarbeitung,” Darmstädter Echo, 18. November 2019, S. 18. Wenn Sie mir E-Mail und Postadresse geben, schicke ich Ihnen den Artikel.
    Mit freundlichen Grüßen, Fred Kautz
    Redaktionelle Anmerkung: Ist geschehen. Ich freue mich über den guten und informativen Kontakt – Wolf Stegemann

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